Als ein Nachkomme Pulcinellas aus Acerra ist er für's erste unbezweifelt ein alter Edelmann, und Harlequin, Clown, der deutsche Casperle selbst u. s. w. gehören zu seiner nahen Vetterschaft, er jedoch paßt, wegen seiner großen Kühnheit, am besten zum Fa- milien-Chef. Fromm ist er leider nicht, aber als gu- ter Engländer geht er doch ohne Zweifel Sonntag in die Kirche, wenn er auch gleich darauf einen Prie- ster todtschlägt, der ihn zu sehr mit Bekehrungsver- suchen ennüyirt. Es ist nicht zu läugnen, Punch ist ein wilder Kerl, keine sehr moralische Personnage, und nicht umsonst von Holz. Niemand z. B. kann besser boren, denn fremde Schläge fühlt er nicht, und seine eignen sind unwiderstehlich. Dabei ist er ein wahrer Türke in der geringen Achtung mensch- lichen Lebens, leidet keinen Widerspruch, und fürch- tet selbst den Teufel nicht. Dagegen muß man aber auch in vieler andern Hinsicht seine großen Eigen- schaften bewundern. Seine admirable Herzens-Un- empfindlichkeit und schon gepriesene, stete gute Laune, sein heroischer Egoismus, seine nicht zu erschütternde Selbstzufriedenheit, sein nie versiegender Witz und die consommirte Schlauheit, mit der er aus jedem mauvais pas sich zu ziehen, und zuletzt als Sieger über alle Antagonisten zu triumphiren weiß, werfen einen glänzenden Lüstre über alle die kleinen Freihei- ten, die er sich im Uebrigen mit dem menschlichen Leben herauszunehmen pflegt. Man hat in ihm eine Verschmelzung von Richard III. und Falstaff nicht ganz mit Unrecht gefunden. In seiner Erscheinung
Als ein Nachkomme Pulcinellas aus Acerra iſt er für’s erſte unbezweifelt ein alter Edelmann, und Harlequin, Clown, der deutſche Caſperle ſelbſt u. ſ. w. gehören zu ſeiner nahen Vetterſchaft, er jedoch paßt, wegen ſeiner großen Kühnheit, am beſten zum Fa- milien-Chef. Fromm iſt er leider nicht, aber als gu- ter Engländer geht er doch ohne Zweifel Sonntag in die Kirche, wenn er auch gleich darauf einen Prie- ſter todtſchlägt, der ihn zu ſehr mit Bekehrungsver- ſuchen ennüyirt. Es iſt nicht zu läugnen, Punch iſt ein wilder Kerl, keine ſehr moraliſche Perſonnage, und nicht umſonſt von Holz. Niemand z. B. kann beſſer boren, denn fremde Schläge fühlt er nicht, und ſeine eignen ſind unwiderſtehlich. Dabei iſt er ein wahrer Türke in der geringen Achtung menſch- lichen Lebens, leidet keinen Widerſpruch, und fürch- tet ſelbſt den Teufel nicht. Dagegen muß man aber auch in vieler andern Hinſicht ſeine großen Eigen- ſchaften bewundern. Seine admirable Herzens-Un- empfindlichkeit und ſchon geprieſene, ſtete gute Laune, ſein heroiſcher Egoismus, ſeine nicht zu erſchütternde Selbſtzufriedenheit, ſein nie verſiegender Witz und die conſommirte Schlauheit, mit der er aus jedem mauvais pas ſich zu ziehen, und zuletzt als Sieger über alle Antagoniſten zu triumphiren weiß, werfen einen glänzenden Lüſtre über alle die kleinen Freihei- ten, die er ſich im Uebrigen mit dem menſchlichen Leben herauszunehmen pflegt. Man hat in ihm eine Verſchmelzung von Richard III. und Falſtaff nicht ganz mit Unrecht gefunden. In ſeiner Erſcheinung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0178"n="138"/><p>Als ein Nachkomme Pulcinellas aus Acerra iſt <hirendition="#g">er</hi><lb/>
für’s erſte unbezweifelt ein alter Edelmann, und<lb/>
Harlequin, Clown, der deutſche Caſperle ſelbſt u. ſ. w.<lb/>
gehören zu ſeiner nahen Vetterſchaft, er jedoch paßt,<lb/>
wegen ſeiner großen Kühnheit, am beſten zum Fa-<lb/>
milien-Chef. Fromm iſt er leider nicht, aber als gu-<lb/>
ter Engländer geht er doch ohne Zweifel Sonntag<lb/>
in die Kirche, wenn er auch gleich darauf einen Prie-<lb/>ſter todtſchlägt, der ihn zu ſehr mit Bekehrungsver-<lb/>ſuchen ennüyirt. Es iſt nicht zu läugnen, Punch<lb/>
iſt ein wilder Kerl, keine ſehr moraliſche Perſonnage,<lb/>
und nicht umſonſt von Holz. Niemand z. B. kann<lb/>
beſſer boren, denn fremde Schläge fühlt er nicht,<lb/>
und ſeine eignen ſind unwiderſtehlich. Dabei iſt er<lb/>
ein wahrer Türke in der geringen Achtung menſch-<lb/>
lichen Lebens, leidet keinen Widerſpruch, und fürch-<lb/>
tet ſelbſt den Teufel nicht. Dagegen muß man aber<lb/>
auch in vieler andern Hinſicht ſeine großen Eigen-<lb/>ſchaften bewundern. Seine admirable Herzens-Un-<lb/>
empfindlichkeit und ſchon geprieſene, ſtete gute Laune,<lb/>ſein heroiſcher Egoismus, ſeine nicht zu erſchütternde<lb/>
Selbſtzufriedenheit, ſein nie verſiegender Witz und<lb/>
die conſommirte Schlauheit, mit der er aus jedem<lb/><hirendition="#aq">mauvais pas</hi>ſich zu ziehen, und zuletzt als Sieger<lb/>
über alle Antagoniſten zu triumphiren weiß, werfen<lb/>
einen glänzenden Lüſtre über alle die kleinen Freihei-<lb/>
ten, die er ſich im Uebrigen mit dem menſchlichen<lb/>
Leben herauszunehmen pflegt. Man hat in ihm eine<lb/>
Verſchmelzung von Richard <hirendition="#aq">III.</hi> und Falſtaff nicht<lb/>
ganz mit Unrecht gefunden. In ſeiner Erſcheinung<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[138/0178]
Als ein Nachkomme Pulcinellas aus Acerra iſt er
für’s erſte unbezweifelt ein alter Edelmann, und
Harlequin, Clown, der deutſche Caſperle ſelbſt u. ſ. w.
gehören zu ſeiner nahen Vetterſchaft, er jedoch paßt,
wegen ſeiner großen Kühnheit, am beſten zum Fa-
milien-Chef. Fromm iſt er leider nicht, aber als gu-
ter Engländer geht er doch ohne Zweifel Sonntag
in die Kirche, wenn er auch gleich darauf einen Prie-
ſter todtſchlägt, der ihn zu ſehr mit Bekehrungsver-
ſuchen ennüyirt. Es iſt nicht zu läugnen, Punch
iſt ein wilder Kerl, keine ſehr moraliſche Perſonnage,
und nicht umſonſt von Holz. Niemand z. B. kann
beſſer boren, denn fremde Schläge fühlt er nicht,
und ſeine eignen ſind unwiderſtehlich. Dabei iſt er
ein wahrer Türke in der geringen Achtung menſch-
lichen Lebens, leidet keinen Widerſpruch, und fürch-
tet ſelbſt den Teufel nicht. Dagegen muß man aber
auch in vieler andern Hinſicht ſeine großen Eigen-
ſchaften bewundern. Seine admirable Herzens-Un-
empfindlichkeit und ſchon geprieſene, ſtete gute Laune,
ſein heroiſcher Egoismus, ſeine nicht zu erſchütternde
Selbſtzufriedenheit, ſein nie verſiegender Witz und
die conſommirte Schlauheit, mit der er aus jedem
mauvais pas ſich zu ziehen, und zuletzt als Sieger
über alle Antagoniſten zu triumphiren weiß, werfen
einen glänzenden Lüſtre über alle die kleinen Freihei-
ten, die er ſich im Uebrigen mit dem menſchlichen
Leben herauszunehmen pflegt. Man hat in ihm eine
Verſchmelzung von Richard III. und Falſtaff nicht
ganz mit Unrecht gefunden. In ſeiner Erſcheinung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/178>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.