liefern, und die fremden Gesandtschaften cultiviren diese Branche angelegentlichst.
Man sieht, welche gefährliche Waffe sie abgiebt, aber glücklicherweise fuhrt das Gift auch gleich sein Gegengift bei sich, und dieses besteht in der Gleich- gültigkeit, in der allgemeinen Blasirung, mit der der- gleichen vom Publikum aufgenommen wird. Ein Zeitungsartikel, nach dem sich ein Continentaler drei Monate lang nicht würde sehen lassen mögen, er- weckt hier höchstens ein momentanes Lächeln der Schadenfreude, und ist schon am nächsten Tage ver- gessen.
So moquirt man sich seit vier Wochen fast täglich über das Duell eines hiesigen Lords, bei dem dieser eben keine Heldenthaten ausgeführt haben soll, mit den empfindlichsten Bemerkungen und Folgerungen über das Caliber seiner Tapferkeit, ohne daß er da- durch gehindert wird, so unbefangen und gesellschaft- lich als möglich zu bleiben. Auch mir, von dem die Engländer wie von jedem Heirathsfähigen, der hier herkömmt, steif und fest glauben, es geschähe nur, um eine reiche Engländerin zur Frau zu suchen, hat man einen coup fourre machen wollen, und einen sa- tyrischen Artikel, jene Materie berührend, aus einer heimathlichen Fabrik erborgt, und in verschiedene hie- fige Zeitungen gesetzt. Ich bin aber schon längst in der Schule eines alten Praktikers in diesem Punkt aguerrirt worden, und lachte daher selbst zuerst am lautesten darüber, indem ich öffentlich harmlose Scherze
liefern, und die fremden Geſandtſchaften cultiviren dieſe Branche angelegentlichſt.
Man ſieht, welche gefährliche Waffe ſie abgiebt, aber glücklicherweiſe fuhrt das Gift auch gleich ſein Gegengift bei ſich, und dieſes beſteht in der Gleich- gültigkeit, in der allgemeinen Blaſirung, mit der der- gleichen vom Publikum aufgenommen wird. Ein Zeitungsartikel, nach dem ſich ein Continentaler drei Monate lang nicht würde ſehen laſſen mögen, er- weckt hier höchſtens ein momentanes Lächeln der Schadenfreude, und iſt ſchon am nächſten Tage ver- geſſen.
So moquirt man ſich ſeit vier Wochen faſt täglich über das Duell eines hieſigen Lords, bei dem dieſer eben keine Heldenthaten ausgeführt haben ſoll, mit den empfindlichſten Bemerkungen und Folgerungen über das Caliber ſeiner Tapferkeit, ohne daß er da- durch gehindert wird, ſo unbefangen und geſellſchaft- lich als möglich zu bleiben. Auch mir, von dem die Engländer wie von jedem Heirathsfähigen, der hier herkömmt, ſteif und feſt glauben, es geſchähe nur, um eine reiche Engländerin zur Frau zu ſuchen, hat man einen coup fourré machen wollen, und einen ſa- tyriſchen Artikel, jene Materie berührend, aus einer heimathlichen Fabrik erborgt, und in verſchiedene hie- fige Zeitungen geſetzt. Ich bin aber ſchon längſt in der Schule eines alten Praktikers in dieſem Punkt aguerrirt worden, und lachte daher ſelbſt zuerſt am lauteſten darüber, indem ich öffentlich harmloſe Scherze
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0168"n="128"/>
liefern, und die fremden Geſandtſchaften cultiviren<lb/>
dieſe Branche angelegentlichſt.</p><lb/><p>Man ſieht, welche gefährliche Waffe ſie abgiebt,<lb/>
aber glücklicherweiſe fuhrt das Gift auch gleich ſein<lb/>
Gegengift bei ſich, und dieſes beſteht in der Gleich-<lb/>
gültigkeit, in der allgemeinen Blaſirung, mit der der-<lb/>
gleichen vom Publikum aufgenommen wird. Ein<lb/>
Zeitungsartikel, nach dem ſich ein Continentaler drei<lb/>
Monate lang nicht würde ſehen laſſen mögen, er-<lb/>
weckt hier höchſtens ein momentanes Lächeln der<lb/>
Schadenfreude, und iſt ſchon am nächſten Tage ver-<lb/>
geſſen.</p><lb/><p>So moquirt man ſich ſeit vier Wochen faſt täglich<lb/>
über das Duell eines hieſigen Lords, bei dem dieſer<lb/>
eben keine Heldenthaten ausgeführt haben ſoll, mit<lb/>
den empfindlichſten Bemerkungen und Folgerungen<lb/>
über das Caliber ſeiner Tapferkeit, ohne daß er da-<lb/>
durch gehindert wird, ſo unbefangen und geſellſchaft-<lb/>
lich als möglich zu bleiben. Auch mir, von dem die<lb/>
Engländer wie von jedem Heirathsfähigen, der hier<lb/>
herkömmt, ſteif und feſt glauben, es geſchähe nur,<lb/>
um eine reiche Engländerin zur Frau zu ſuchen, hat<lb/>
man einen <hirendition="#aq">coup fourré</hi> machen wollen, und einen ſa-<lb/>
tyriſchen Artikel, jene Materie berührend, aus einer<lb/>
heimathlichen Fabrik erborgt, und in verſchiedene hie-<lb/>
fige Zeitungen geſetzt. Ich bin aber ſchon längſt in<lb/>
der Schule eines alten Praktikers in dieſem Punkt<lb/>
aguerrirt worden, und lachte daher ſelbſt zuerſt am<lb/>
lauteſten darüber, indem ich öffentlich harmloſe Scherze<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[128/0168]
liefern, und die fremden Geſandtſchaften cultiviren
dieſe Branche angelegentlichſt.
Man ſieht, welche gefährliche Waffe ſie abgiebt,
aber glücklicherweiſe fuhrt das Gift auch gleich ſein
Gegengift bei ſich, und dieſes beſteht in der Gleich-
gültigkeit, in der allgemeinen Blaſirung, mit der der-
gleichen vom Publikum aufgenommen wird. Ein
Zeitungsartikel, nach dem ſich ein Continentaler drei
Monate lang nicht würde ſehen laſſen mögen, er-
weckt hier höchſtens ein momentanes Lächeln der
Schadenfreude, und iſt ſchon am nächſten Tage ver-
geſſen.
So moquirt man ſich ſeit vier Wochen faſt täglich
über das Duell eines hieſigen Lords, bei dem dieſer
eben keine Heldenthaten ausgeführt haben ſoll, mit
den empfindlichſten Bemerkungen und Folgerungen
über das Caliber ſeiner Tapferkeit, ohne daß er da-
durch gehindert wird, ſo unbefangen und geſellſchaft-
lich als möglich zu bleiben. Auch mir, von dem die
Engländer wie von jedem Heirathsfähigen, der hier
herkömmt, ſteif und feſt glauben, es geſchähe nur,
um eine reiche Engländerin zur Frau zu ſuchen, hat
man einen coup fourré machen wollen, und einen ſa-
tyriſchen Artikel, jene Materie berührend, aus einer
heimathlichen Fabrik erborgt, und in verſchiedene hie-
fige Zeitungen geſetzt. Ich bin aber ſchon längſt in
der Schule eines alten Praktikers in dieſem Punkt
aguerrirt worden, und lachte daher ſelbſt zuerſt am
lauteſten darüber, indem ich öffentlich harmloſe Scherze
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/168>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.