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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Die berüchtigte Madame Vestris war ebenfalls
hier engagirt, die ehemals so viel furore machte, und noch
jetzt, obgleich etwas passirt, auf dem Theater sehr rei-
zend erscheint. Sie ist eine vortreffliche Sängerin
und noch bessere Schauspielerin, und noch mehr als
Liston ein Liebling des englischen Publikums in jeder
Hinsicht, besonders berühmt aber wegen ihres schö-
nen Beins, das fast ein stehender Artikel in den
Theater-Critiken der Zeitungen geworden ist, und in
Mannskleidern von ihr sehr oft etalirt wird. In der
That ist es von einem Ebenmaas, einem Moelleux
und Muskelspiel, dessen Anblick für den Kunstfreund
hinreissend werden kann. -- Ihre Grazie und, ich
möchte sagen, der unerschöpfliche Witz ihres Spiels
sind dabei wahrhaft bezaubernd, obgleich nicht selten
lasciv und zu coquettirend mit dem Publikum. Man
kann in manchem Sinne sagen, daß Madame Ve-
stris ganz Europa angehöre. Ihr Vater war ein
Italiener, Bartolozzi, der nicht unberühmte Kupfer-
stecher in der sogenannten punctirten Manier, ihre
Mutter eine Deutsche und große Virtuosin auf dem
Clavier, ihr Mann der famöse französische Tänzer
Vestris, sie selbst ist eine Engländerin, und was ihr
hiermit noch an Verwandtschaft mit europäischen Na-
tionen fehlen könnte, haben Hunderte der markante-
sten Liebhaber hinlänglich ausgefüllt. Auch spricht
Mad. Vestris mehrere fremde Sprachen mit vollkom-
menster Geläufigkeit. In der deutschen Broomgirl
singt sie unter andern:
"Ach du lieber Augustin u. s. w.,"

Die berüchtigte Madame Veſtris war ebenfalls
hier engagirt, die ehemals ſo viel furore machte, und noch
jetzt, obgleich etwas paſſirt, auf dem Theater ſehr rei-
zend erſcheint. Sie iſt eine vortreffliche Sängerin
und noch beſſere Schauſpielerin, und noch mehr als
Liſton ein Liebling des engliſchen Publikums in jeder
Hinſicht, beſonders berühmt aber wegen ihres ſchö-
nen Beins, das faſt ein ſtehender Artikel in den
Theater-Critiken der Zeitungen geworden iſt, und in
Mannskleidern von ihr ſehr oft etalirt wird. In der
That iſt es von einem Ebenmaas, einem Moelleux
und Muskelſpiel, deſſen Anblick für den Kunſtfreund
hinreiſſend werden kann. — Ihre Grazie und, ich
möchte ſagen, der unerſchöpfliche Witz ihres Spiels
ſind dabei wahrhaft bezaubernd, obgleich nicht ſelten
lasciv und zu coquettirend mit dem Publikum. Man
kann in manchem Sinne ſagen, daß Madame Ve-
ſtris ganz Europa angehöre. Ihr Vater war ein
Italiener, Bartolozzi, der nicht unberühmte Kupfer-
ſtecher in der ſogenannten punctirten Manier, ihre
Mutter eine Deutſche und große Virtuoſin auf dem
Clavier, ihr Mann der famöſe franzöſiſche Tänzer
Veſtris, ſie ſelbſt iſt eine Engländerin, und was ihr
hiermit noch an Verwandtſchaft mit europäiſchen Na-
tionen fehlen könnte, haben Hunderte der markante-
ſten Liebhaber hinlänglich ausgefüllt. Auch ſpricht
Mad. Veſtris mehrere fremde Sprachen mit vollkom-
menſter Geläufigkeit. In der deutſchen Broomgirl
ſingt ſie unter andern:
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[122/0162] Die berüchtigte Madame Veſtris war ebenfalls hier engagirt, die ehemals ſo viel furore machte, und noch jetzt, obgleich etwas paſſirt, auf dem Theater ſehr rei- zend erſcheint. Sie iſt eine vortreffliche Sängerin und noch beſſere Schauſpielerin, und noch mehr als Liſton ein Liebling des engliſchen Publikums in jeder Hinſicht, beſonders berühmt aber wegen ihres ſchö- nen Beins, das faſt ein ſtehender Artikel in den Theater-Critiken der Zeitungen geworden iſt, und in Mannskleidern von ihr ſehr oft etalirt wird. In der That iſt es von einem Ebenmaas, einem Moelleux und Muskelſpiel, deſſen Anblick für den Kunſtfreund hinreiſſend werden kann. — Ihre Grazie und, ich möchte ſagen, der unerſchöpfliche Witz ihres Spiels ſind dabei wahrhaft bezaubernd, obgleich nicht ſelten lasciv und zu coquettirend mit dem Publikum. Man kann in manchem Sinne ſagen, daß Madame Ve- ſtris ganz Europa angehöre. Ihr Vater war ein Italiener, Bartolozzi, der nicht unberühmte Kupfer- ſtecher in der ſogenannten punctirten Manier, ihre Mutter eine Deutſche und große Virtuoſin auf dem Clavier, ihr Mann der famöſe franzöſiſche Tänzer Veſtris, ſie ſelbſt iſt eine Engländerin, und was ihr hiermit noch an Verwandtſchaft mit europäiſchen Na- tionen fehlen könnte, haben Hunderte der markante- ſten Liebhaber hinlänglich ausgefüllt. Auch ſpricht Mad. Veſtris mehrere fremde Sprachen mit vollkom- menſter Geläufigkeit. In der deutſchen Broomgirl ſingt ſie unter andern: „Ach du lieber Auguſtin u. ſ. w.,“

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/162>, abgerufen am 24.11.2024.