Wie sich so Unerhörtes jedoch höchst wun- derbarerweise gestaltet und zugetragen, werde ich hier kürzlich erzählen.
Die unerwartet günstige Beurtheilung, welche vom Gipfel des Parnasses, wie be- lebender Resurrektionsthau, auf die Tod- tenblätter gefallen war, hatte meine Sehn- sucht nach dem Freunde, um ihm wo mög- lich so erfreuliche Kunde mitzutheilen, noch mehr als je gesteigert, und ich begann ei- nes Abends schon, mich mit heidnisch cab- balistischen Beschwörungen zu beschäftigen, als ein ärztlicher Freund mich noch zur rechten Zeit unterrichtete, wie ich weit christlicher und schneller zum Zwecke kommen könne.
Der Leser ahnet wohl schon, auf wel- chen Weg er mich führte. Ja, er sandte mir jenes außerordentliche Buch, jene neueste Offenbarung: die Seherin von Prevorst.
Man denke sich, wie in so günstiger, empfänglicher Stimmung jedes letzte Vor- urtheil des gesunden Menschenverstandes schwinden, wie der überirdische Funke ge- waltsam zünden, und gleich einem Blitze mein Inneres erleuchten mußte! O ihr
Wie ſich ſo Unerhoͤrtes jedoch hoͤchſt wun- derbarerweiſe geſtaltet und zugetragen, werde ich hier kuͤrzlich erzaͤhlen.
Die unerwartet guͤnſtige Beurtheilung, welche vom Gipfel des Parnaſſes, wie be- lebender Reſurrektionsthau, auf die Tod- tenblaͤtter gefallen war, hatte meine Sehn- ſucht nach dem Freunde, um ihm wo moͤg- lich ſo erfreuliche Kunde mitzutheilen, noch mehr als je geſteigert, und ich begann ei- nes Abends ſchon, mich mit heidniſch cab- baliſtiſchen Beſchwoͤrungen zu beſchaͤftigen, als ein aͤrztlicher Freund mich noch zur rechten Zeit unterrichtete, wie ich weit chriſtlicher und ſchneller zum Zwecke kommen koͤnne.
Der Leſer ahnet wohl ſchon, auf wel- chen Weg er mich fuͤhrte. Ja, er ſandte mir jenes außerordentliche Buch, jene neueſte Offenbarung: die Seherin von Prevorſt.
Man denke ſich, wie in ſo guͤnſtiger, empfaͤnglicher Stimmung jedes letzte Vor- urtheil des geſunden Menſchenverſtandes ſchwinden, wie der uͤberirdiſche Funke ge- waltſam zuͤnden, und gleich einem Blitze mein Inneres erleuchten mußte! O ihr
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[VI/0014]
Wie ſich ſo Unerhoͤrtes jedoch hoͤchſt wun-
derbarerweiſe geſtaltet und zugetragen, werde
ich hier kuͤrzlich erzaͤhlen.
Die unerwartet guͤnſtige Beurtheilung,
welche vom Gipfel des Parnaſſes, wie be-
lebender Reſurrektionsthau, auf die Tod-
tenblaͤtter gefallen war, hatte meine Sehn-
ſucht nach dem Freunde, um ihm wo moͤg-
lich ſo erfreuliche Kunde mitzutheilen, noch
mehr als je geſteigert, und ich begann ei-
nes Abends ſchon, mich mit heidniſch cab-
baliſtiſchen Beſchwoͤrungen zu beſchaͤftigen,
als ein aͤrztlicher Freund mich noch zur
rechten Zeit unterrichtete, wie ich weit
chriſtlicher und ſchneller zum Zwecke kommen
koͤnne.
Der Leſer ahnet wohl ſchon, auf wel-
chen Weg er mich fuͤhrte. Ja, er ſandte
mir jenes außerordentliche Buch, jene
neueſte Offenbarung: die Seherin von
Prevorſt.
Man denke ſich, wie in ſo guͤnſtiger,
empfaͤnglicher Stimmung jedes letzte Vor-
urtheil des geſunden Menſchenverſtandes
ſchwinden, wie der uͤberirdiſche Funke ge-
waltſam zuͤnden, und gleich einem Blitze
mein Inneres erleuchten mußte! O ihr
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/14>, abgerufen am 24.11.2024.
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