Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.diesen Menschen zu sehen, wenn er sich selbst in Auch dies kömmt jedoch auf die Bestimmung an, *) Es sey mir erlaubt, bei dieser Gelegenheit diejenigen mei-
ner Berliner Freunde, welche mit ihren Pferden bei den dortigen Wettrennen concurriren wollen, den Rath zu ge- ben, die dazu bestimmten Pferde nur durch gutrekom- mandirte englische Groorns trainiren zu lassen, da alle hiesigen ohne Ausnahme es durchaus nicht verstehen, wie ich mich vielfach überzeugt habe. Sie glauben ein Pferd trainirt zu haben, wenn sie es durch Aderlassen, Laxiren und tägliches Umherjagen zum Skelett verwandelt, und ihm alle die Kräfte genommen, welche das ächte Trai- niren verzehnfacht. Das gut und schlecht trainirte er- scheinen zwar gleich mager, bei dem letztern ist es aber die Magerkeit des Elends und der Entkräftung, bei dem andern nur die Entfernung alles unnützen Fleisches und Fettes mit der höchsten Ausbildung und Kraft der Mus- keln und der Lunge. A. d. H. dieſen Menſchen zu ſehen, wenn er ſich ſelbſt in Auch dies kömmt jedoch auf die Beſtimmung an, *) Es ſey mir erlaubt, bei dieſer Gelegenheit diejenigen mei-
ner Berliner Freunde, welche mit ihren Pferden bei den dortigen Wettrennen concurriren wollen, den Rath zu ge- ben, die dazu beſtimmten Pferde nur durch gutrekom- mandirte engliſche Groorns trainiren zu laſſen, da alle hieſigen ohne Ausnahme es durchaus nicht verſtehen, wie ich mich vielfach uͤberzeugt habe. Sie glauben ein Pferd trainirt zu haben, wenn ſie es durch Aderlaſſen, Laxiren und taͤgliches Umherjagen zum Skelett verwandelt, und ihm alle die Kraͤfte genommen, welche das aͤchte Trai- niren verzehnfacht. Das gut und ſchlecht trainirte er- ſcheinen zwar gleich mager, bei dem letztern iſt es aber die Magerkeit des Elends und der Entkraͤftung, bei dem andern nur die Entfernung alles unnuͤtzen Fleiſches und Fettes mit der hoͤchſten Ausbildung und Kraft der Mus- keln und der Lunge. A. d. H. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0116" n="76"/> dieſen Menſchen zu ſehen, wenn er ſich ſelbſt <hi rendition="#aq">in<lb/> training</hi> ſetzte, und, nachdem er ſich durch mehrere<lb/> Laxanzen geſtärkt hatte, in der größten Hitze, mit<lb/> drei oder vier Pelzen bekleidet, im Trabe gewiſſe<lb/> Diſtanzen ablief, bis der Schweiß ſtromweiſe von<lb/> ihm herabrann, und er ſelbſt vor Mattigkeit faſt hin-<lb/> ſank, <hi rendition="#aq">mais tel était son plaisir,</hi> und je miſerabler<lb/> er ſich fühlte, je zufriedner war er.</p><lb/> <p>Auch dies kömmt jedoch auf die Beſtimmung an,<lb/> denn leichter, als wie zu einer Hauptgelegenheit, wo<lb/> viel zu verdienen iſt, erfordert wird, iſt es nicht rath-<lb/> ſam ſich zu machen, indem Bley in den Gurt neh-<lb/> men zu müſſen für Pferd und Reiter unbequem iſt,<lb/> und Du weißt ſchon, daß auf dieſe Weiſe das be-<lb/> ſtimmte Gewicht, welches ein Pferd tragen muß,<lb/> regulirt wird <note place="foot" n="*)">Es ſey mir erlaubt, bei dieſer Gelegenheit diejenigen mei-<lb/> ner Berliner Freunde, welche mit ihren Pferden bei den<lb/> dortigen Wettrennen concurriren wollen, den Rath zu ge-<lb/> ben, die dazu beſtimmten Pferde nur durch gutrekom-<lb/> mandirte engliſche Groorns trainiren zu laſſen, da alle<lb/> hieſigen ohne Ausnahme es durchaus nicht verſtehen, wie<lb/> ich mich vielfach uͤberzeugt habe. Sie glauben ein Pferd<lb/> trainirt zu haben, wenn ſie es durch Aderlaſſen, Laxiren<lb/> und taͤgliches Umherjagen zum Skelett verwandelt, und<lb/> ihm alle die Kraͤfte genommen, welche das aͤchte Trai-<lb/> niren verzehnfacht. Das gut und ſchlecht trainirte er-<lb/> ſcheinen zwar gleich mager, bei dem letztern iſt es aber<lb/> die Magerkeit des Elends und der Entkraͤftung, bei dem<lb/> andern nur die Entfernung alles unnuͤtzen Fleiſches und<lb/> Fettes mit der hoͤchſten Ausbildung und Kraft der Mus-<lb/> keln und der Lunge. <hi rendition="#et">A. d. H.</hi></note>.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0116]
dieſen Menſchen zu ſehen, wenn er ſich ſelbſt in
training ſetzte, und, nachdem er ſich durch mehrere
Laxanzen geſtärkt hatte, in der größten Hitze, mit
drei oder vier Pelzen bekleidet, im Trabe gewiſſe
Diſtanzen ablief, bis der Schweiß ſtromweiſe von
ihm herabrann, und er ſelbſt vor Mattigkeit faſt hin-
ſank, mais tel était son plaisir, und je miſerabler
er ſich fühlte, je zufriedner war er.
Auch dies kömmt jedoch auf die Beſtimmung an,
denn leichter, als wie zu einer Hauptgelegenheit, wo
viel zu verdienen iſt, erfordert wird, iſt es nicht rath-
ſam ſich zu machen, indem Bley in den Gurt neh-
men zu müſſen für Pferd und Reiter unbequem iſt,
und Du weißt ſchon, daß auf dieſe Weiſe das be-
ſtimmte Gewicht, welches ein Pferd tragen muß,
regulirt wird *).
*) Es ſey mir erlaubt, bei dieſer Gelegenheit diejenigen mei-
ner Berliner Freunde, welche mit ihren Pferden bei den
dortigen Wettrennen concurriren wollen, den Rath zu ge-
ben, die dazu beſtimmten Pferde nur durch gutrekom-
mandirte engliſche Groorns trainiren zu laſſen, da alle
hieſigen ohne Ausnahme es durchaus nicht verſtehen, wie
ich mich vielfach uͤberzeugt habe. Sie glauben ein Pferd
trainirt zu haben, wenn ſie es durch Aderlaſſen, Laxiren
und taͤgliches Umherjagen zum Skelett verwandelt, und
ihm alle die Kraͤfte genommen, welche das aͤchte Trai-
niren verzehnfacht. Das gut und ſchlecht trainirte er-
ſcheinen zwar gleich mager, bei dem letztern iſt es aber
die Magerkeit des Elends und der Entkraͤftung, bei dem
andern nur die Entfernung alles unnuͤtzen Fleiſches und
Fettes mit der hoͤchſten Ausbildung und Kraft der Mus-
keln und der Lunge. A. d. H.
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