Der kommunikative Fremde setzte die Reise mit mir bis Cashel fort. Das Wetter war leidlich, d. h. es regnete nicht -- und das war in diesem nassen Lande hinlänglich, den guten Freund neben mir einmal über das andere ausrufen zu machen: What a delight- ful day! vohat levely weather!*) Ich zog vor, einen Theil des Wegs zu Fuß zu gehen, wobei ein großer, achtzehnjähriger, comme de raison zerlump- ter, Bursche, mir zum Führer diente. Er ging sehr beschwerlich, in einer Art Pantoffeln; und schien an den Füßen verwundet, als ich ihn aber deshalb be- fragte, antwortete er: O nein, ich habe blos Schuhe angezogen, weil ich Militair werden will, und ich mich daher sachte daran gewöhnen muß, Schuhe zu tragen. Es geht sich aber so verzweifelt schlecht in den Dingern, daß ich gar nicht fortkommen kann!
Nach meiner Art, die keine Auskunft verschmäht, oft aber, selbst in der Unterhaltung mit dem Ge- meinsten, einige brauchbare Aehren aufliest, erkun- digte ich mich bei meinem Führer nach dem jetzigen Zustande der Provinz. "Ja," sagte er, "hier ist es noch ruhig, aber in Tipperary, wo wir jetzt bald hinkommen werden, besonders weiter hin nach Nor- den, da wissen sie den Orangemen wohl die Spitze
*) Welcher himmlische Tag, welch liebliches Wetter! A. d. H.
Caſhel ſpät Abends.
Der kommunikative Fremde ſetzte die Reiſe mit mir bis Caſhel fort. Das Wetter war leidlich, d. h. es regnete nicht — und das war in dieſem naſſen Lande hinlänglich, den guten Freund neben mir einmal über das andere ausrufen zu machen: What a delight- ful day! vohat levely weather!*) Ich zog vor, einen Theil des Wegs zu Fuß zu gehen, wobei ein großer, achtzehnjähriger, comme de raison zerlump- ter, Burſche, mir zum Führer diente. Er ging ſehr beſchwerlich, in einer Art Pantoffeln; und ſchien an den Füßen verwundet, als ich ihn aber deshalb be- fragte, antwortete er: O nein, ich habe blos Schuhe angezogen, weil ich Militair werden will, und ich mich daher ſachte daran gewöhnen muß, Schuhe zu tragen. Es geht ſich aber ſo verzweifelt ſchlecht in den Dingern, daß ich gar nicht fortkommen kann!
Nach meiner Art, die keine Auskunft verſchmäht, oft aber, ſelbſt in der Unterhaltung mit dem Ge- meinſten, einige brauchbare Aehren aufliest, erkun- digte ich mich bei meinem Führer nach dem jetzigen Zuſtande der Provinz. „Ja,“ ſagte er, „hier iſt es noch ruhig, aber in Tipperary, wo wir jetzt bald hinkommen werden, beſonders weiter hin nach Nor- den, da wiſſen ſie den Orangemen wohl die Spitze
*) Welcher himmliſche Tag, welch liebliches Wetter! A. d. H.
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Caſhel ſpät Abends.
Der kommunikative Fremde ſetzte die Reiſe mit mir
bis Caſhel fort. Das Wetter war leidlich, d. h. es
regnete nicht — und das war in dieſem naſſen Lande
hinlänglich, den guten Freund neben mir einmal über
das andere ausrufen zu machen: What a delight-
ful day! vohat levely weather! *) Ich zog vor,
einen Theil des Wegs zu Fuß zu gehen, wobei ein
großer, achtzehnjähriger, comme de raison zerlump-
ter, Burſche, mir zum Führer diente. Er ging ſehr
beſchwerlich, in einer Art Pantoffeln; und ſchien an
den Füßen verwundet, als ich ihn aber deshalb be-
fragte, antwortete er: O nein, ich habe blos Schuhe
angezogen, weil ich Militair werden will, und ich
mich daher ſachte daran gewöhnen muß, Schuhe zu
tragen. Es geht ſich aber ſo verzweifelt ſchlecht in
den Dingern, daß ich gar nicht fortkommen kann!
Nach meiner Art, die keine Auskunft verſchmäht,
oft aber, ſelbſt in der Unterhaltung mit dem Ge-
meinſten, einige brauchbare Aehren aufliest, erkun-
digte ich mich bei meinem Führer nach dem jetzigen
Zuſtande der Provinz. „Ja,“ ſagte er, „hier iſt es
noch ruhig, aber in Tipperary, wo wir jetzt bald
hinkommen werden, beſonders weiter hin nach Nor-
den, da wiſſen ſie den Orangemen wohl die Spitze
*) Welcher himmliſche Tag, welch liebliches Wetter!
A. d. H.
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/96>, abgerufen am 22.11.2024.
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