Neues; -- ich zog also das Letztere vor, ritt wieder über den Teufelsberg, diesmal bei Tage, und be- finde mich seit einer Stunde hier, in einem niedli- chen Zimmer etablirt, und alle Pracht der Bey vor meinem Fenster ausgebreitet. Ehe ich Kenmare ver- ließ, wurde meine Eitelkeit noch auf eine empfind- liche Probe gesetzt. Die irländische Naivetät der Wirthstochter hatte mich, beim jedesmaligen Zurück- kommen nach ihres Vaters Gasthof, so angenehm angesprochen, daß ich mich fast allein mit ihr unter- hielt, und dadurch ihre Gunst gewann. Sie hatte ihre Berge nie verlassen, und war so unbekannt mit der Welt, als es nur denkbar ist. Scherzend frug ich sie, ob sie mich wohl nach Cork begleiten wolle? Ach nein, rief sie, da würde ich mich doch fürchten, so weit mit Ihnen zu gehen! sagen Sie mir nur, wer Sie eigentlich sind? daß Sie ein Jude sind, weiß ich schon. -- Was, bist Du toll, woher soll ich denn ein Jude seyn? Nun das werden Sie doch nicht leugnen, haben Sie nicht einen langen schwar- zen Bart rund ums Kinn, und fünf bis sechs goldne Ringe an den Fingern? und waschen Sie sich nicht immer früh eine Stunde lang, und machen Ceremo- nieen dabei, wie ich sie doch sonst noch nie von ei- nem Christenmenschen gesehn habe! Nicht wahr, gestehen Sie es nur, Sie sind ein Jude? -- Mein Depreciren half nichts, sie blieb dabei; endlich meinte sie doch gutmüthig, wenn ich denn durchaus keiner seyn wolle, so wünsche sie mir wenigstens, to be- come as rich as a Jew (so reich zu werden wie ein
Neues; — ich zog alſo das Letztere vor, ritt wieder über den Teufelsberg, diesmal bei Tage, und be- finde mich ſeit einer Stunde hier, in einem niedli- chen Zimmer etablirt, und alle Pracht der Bey vor meinem Fenſter ausgebreitet. Ehe ich Kenmare ver- ließ, wurde meine Eitelkeit noch auf eine empfind- liche Probe geſetzt. Die irländiſche Naivetät der Wirthstochter hatte mich, beim jedesmaligen Zurück- kommen nach ihres Vaters Gaſthof, ſo angenehm angeſprochen, daß ich mich faſt allein mit ihr unter- hielt, und dadurch ihre Gunſt gewann. Sie hatte ihre Berge nie verlaſſen, und war ſo unbekannt mit der Welt, als es nur denkbar iſt. Scherzend frug ich ſie, ob ſie mich wohl nach Cork begleiten wolle? Ach nein, rief ſie, da würde ich mich doch fürchten, ſo weit mit Ihnen zu gehen! ſagen Sie mir nur, wer Sie eigentlich ſind? daß Sie ein Jude ſind, weiß ich ſchon. — Was, biſt Du toll, woher ſoll ich denn ein Jude ſeyn? Nun das werden Sie doch nicht leugnen, haben Sie nicht einen langen ſchwar- zen Bart rund ums Kinn, und fünf bis ſechs goldne Ringe an den Fingern? und waſchen Sie ſich nicht immer früh eine Stunde lang, und machen Ceremo- nieen dabei, wie ich ſie doch ſonſt noch nie von ei- nem Chriſtenmenſchen geſehn habe! Nicht wahr, geſtehen Sie es nur, Sie ſind ein Jude? — Mein Depreciren half nichts, ſie blieb dabei; endlich meinte ſie doch gutmüthig, wenn ich denn durchaus keiner ſeyn wolle, ſo wünſche ſie mir wenigſtens, to be- come as rich as a Jew (ſo reich zu werden wie ein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0051"n="29"/>
Neues; — ich zog alſo das Letztere vor, ritt wieder<lb/>
über den Teufelsberg, diesmal bei Tage, und be-<lb/>
finde mich ſeit einer Stunde hier, in einem niedli-<lb/>
chen Zimmer etablirt, und alle Pracht der Bey vor<lb/>
meinem Fenſter ausgebreitet. Ehe ich Kenmare ver-<lb/>
ließ, wurde meine Eitelkeit noch auf eine empfind-<lb/>
liche Probe geſetzt. Die irländiſche Naivetät der<lb/>
Wirthstochter hatte mich, beim jedesmaligen Zurück-<lb/>
kommen nach ihres Vaters Gaſthof, ſo angenehm<lb/>
angeſprochen, daß ich mich faſt allein mit ihr unter-<lb/>
hielt, und dadurch ihre Gunſt gewann. Sie hatte<lb/>
ihre Berge nie verlaſſen, und war ſo unbekannt mit<lb/>
der Welt, als es nur denkbar iſt. Scherzend frug<lb/>
ich ſie, ob ſie mich wohl nach Cork begleiten wolle?<lb/>
Ach nein, rief ſie, da würde ich mich doch fürchten,<lb/>ſo weit mit Ihnen zu gehen! ſagen Sie mir nur,<lb/>
wer Sie eigentlich ſind? daß Sie ein Jude ſind,<lb/>
weiß ich ſchon. — Was, biſt Du toll, woher ſoll ich<lb/>
denn ein Jude ſeyn? Nun das werden Sie doch<lb/>
nicht leugnen, haben Sie nicht einen langen ſchwar-<lb/>
zen Bart rund ums Kinn, und fünf bis ſechs goldne<lb/>
Ringe an den Fingern? und waſchen Sie ſich nicht<lb/>
immer früh eine Stunde lang, und machen Ceremo-<lb/>
nieen dabei, wie ich ſie doch ſonſt noch nie von ei-<lb/>
nem Chriſtenmenſchen geſehn habe! Nicht wahr,<lb/>
geſtehen Sie es nur, Sie ſind ein Jude? — Mein<lb/>
Depreciren half nichts, ſie blieb dabei; endlich meinte<lb/>ſie doch gutmüthig, wenn ich denn durchaus keiner<lb/>ſeyn wolle, ſo wünſche ſie mir wenigſtens, <hirendition="#aq">to be-<lb/>
come as rich as a Jew</hi> (ſo reich zu werden wie ein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[29/0051]
Neues; — ich zog alſo das Letztere vor, ritt wieder
über den Teufelsberg, diesmal bei Tage, und be-
finde mich ſeit einer Stunde hier, in einem niedli-
chen Zimmer etablirt, und alle Pracht der Bey vor
meinem Fenſter ausgebreitet. Ehe ich Kenmare ver-
ließ, wurde meine Eitelkeit noch auf eine empfind-
liche Probe geſetzt. Die irländiſche Naivetät der
Wirthstochter hatte mich, beim jedesmaligen Zurück-
kommen nach ihres Vaters Gaſthof, ſo angenehm
angeſprochen, daß ich mich faſt allein mit ihr unter-
hielt, und dadurch ihre Gunſt gewann. Sie hatte
ihre Berge nie verlaſſen, und war ſo unbekannt mit
der Welt, als es nur denkbar iſt. Scherzend frug
ich ſie, ob ſie mich wohl nach Cork begleiten wolle?
Ach nein, rief ſie, da würde ich mich doch fürchten,
ſo weit mit Ihnen zu gehen! ſagen Sie mir nur,
wer Sie eigentlich ſind? daß Sie ein Jude ſind,
weiß ich ſchon. — Was, biſt Du toll, woher ſoll ich
denn ein Jude ſeyn? Nun das werden Sie doch
nicht leugnen, haben Sie nicht einen langen ſchwar-
zen Bart rund ums Kinn, und fünf bis ſechs goldne
Ringe an den Fingern? und waſchen Sie ſich nicht
immer früh eine Stunde lang, und machen Ceremo-
nieen dabei, wie ich ſie doch ſonſt noch nie von ei-
nem Chriſtenmenſchen geſehn habe! Nicht wahr,
geſtehen Sie es nur, Sie ſind ein Jude? — Mein
Depreciren half nichts, ſie blieb dabei; endlich meinte
ſie doch gutmüthig, wenn ich denn durchaus keiner
ſeyn wolle, ſo wünſche ſie mir wenigſtens, to be-
come as rich as a Jew (ſo reich zu werden wie ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/51>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.