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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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vergangene Zeit, in der dieses Stück spielt, eben so
sehr, als es die Unbehülflichkeit that, mit der diese
Tracht von den neuen Schauspielern getragen wurde.
Die Damen hatten es sich dagegen bequem gemacht,
und waren nach der neuesten heutigen Mode geklei-
det. Die Comödie ist ganz ohne Intrigue, nur ein
damaliges Gelegenheitsstück, das jetzt zu geben fast
absurd ist. Als Hauptpointe erscheint ein alter Herr,
der, kurz vor der Hochzeit, das Verhältniß mit seiner
jungen Braut abbricht, und als er, vor dem jungen
Mädchen und ihrer Freundin, darüber vom Bruder
zur Rede gestellt wird, ganz einfach antwortet: C'est
tout simple, j'ai peur d'etre Cocau,
worauf er ein
Paar Hundert Verse rezitirt, die dieses Thema ins
grellste Licht setzen. Das Stück schließt mit der
Aufgabe eines Räthsels. Niemand kann es errathen,
der Autor enthüllt es also selbst. Was ist es? un
pet. Ah,
ruft die junge Dame, il fallait avoir bon
nez pour deviner cela
-- und mit diesem classischen
Witz fällt der Vorhang. Ce pauvre pet me semblait,
en verite, le dernier souffle du theatre francais!

Abgerechnet "que tous les genres sont bon hors
le genre ennuyeux,
möchte der Inhalt dieser letzten
Piece sich doch wohl besser für ein Winkelgäßchen der
Vorstadt geschickt haben. Was aber noch merkwür-
diger erscheint, ist, daß auf diesem hochtrabenden,
classischen Nationaltheater selbst nothgedrungen jetzt
auch Melodramen, (wenigstens dem Inhalt nach,
wenn auch ohne Musik), gegeben werden, und nur
diese noch Zuschauer herbeiziehen, wie das einzige
dermalige Cassenstück, der Spion, zur Genüge beweist.

vergangene Zeit, in der dieſes Stück ſpielt, eben ſo
ſehr, als es die Unbehülflichkeit that, mit der dieſe
Tracht von den neuen Schauſpielern getragen wurde.
Die Damen hatten es ſich dagegen bequem gemacht,
und waren nach der neueſten heutigen Mode geklei-
det. Die Comödie iſt ganz ohne Intrigue, nur ein
damaliges Gelegenheitsſtück, das jetzt zu geben faſt
abſurd iſt. Als Hauptpointe erſcheint ein alter Herr,
der, kurz vor der Hochzeit, das Verhältniß mit ſeiner
jungen Braut abbricht, und als er, vor dem jungen
Mädchen und ihrer Freundin, darüber vom Bruder
zur Rede geſtellt wird, ganz einfach antwortet: C’est
tout simple, j’ai peur d’être Cocû,
worauf er ein
Paar Hundert Verſe rezitirt, die dieſes Thema ins
grellſte Licht ſetzen. Das Stück ſchließt mit der
Aufgabe eines Räthſels. Niemand kann es errathen,
der Autor enthüllt es alſo ſelbſt. Was iſt es? un
pêt. Ah,
ruft die junge Dame, il fallait avoir bon
néz pour deviner cela
— und mit dieſem claſſiſchen
Witz fällt der Vorhang. Ce pauvre pêt me semblait,
en vérité, le dernier souffle du théâtre français!

Abgerechnet „que tous les genres sont bon hors
le genre ennuyeux,
möchte der Inhalt dieſer letzten
Pieçe ſich doch wohl beſſer für ein Winkelgäßchen der
Vorſtadt geſchickt haben. Was aber noch merkwür-
diger erſcheint, iſt, daß auf dieſem hochtrabenden,
claſſiſchen Nationaltheater ſelbſt nothgedrungen jetzt
auch Melodramen, (wenigſtens dem Inhalt nach,
wenn auch ohne Muſik), gegeben werden, und nur
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dermalige Caſſenſtück, der Spion, zur Genüge beweist.

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[378/0400] vergangene Zeit, in der dieſes Stück ſpielt, eben ſo ſehr, als es die Unbehülflichkeit that, mit der dieſe Tracht von den neuen Schauſpielern getragen wurde. Die Damen hatten es ſich dagegen bequem gemacht, und waren nach der neueſten heutigen Mode geklei- det. Die Comödie iſt ganz ohne Intrigue, nur ein damaliges Gelegenheitsſtück, das jetzt zu geben faſt abſurd iſt. Als Hauptpointe erſcheint ein alter Herr, der, kurz vor der Hochzeit, das Verhältniß mit ſeiner jungen Braut abbricht, und als er, vor dem jungen Mädchen und ihrer Freundin, darüber vom Bruder zur Rede geſtellt wird, ganz einfach antwortet: C’est tout simple, j’ai peur d’être Cocû, worauf er ein Paar Hundert Verſe rezitirt, die dieſes Thema ins grellſte Licht ſetzen. Das Stück ſchließt mit der Aufgabe eines Räthſels. Niemand kann es errathen, der Autor enthüllt es alſo ſelbſt. Was iſt es? un pêt. Ah, ruft die junge Dame, il fallait avoir bon néz pour deviner cela — und mit dieſem claſſiſchen Witz fällt der Vorhang. Ce pauvre pêt me semblait, en vérité, le dernier souffle du théâtre français! Abgerechnet „que tous les genres sont bon hors le genre ennuyeux, möchte der Inhalt dieſer letzten Pieçe ſich doch wohl beſſer für ein Winkelgäßchen der Vorſtadt geſchickt haben. Was aber noch merkwür- diger erſcheint, iſt, daß auf dieſem hochtrabenden, claſſiſchen Nationaltheater ſelbſt nothgedrungen jetzt auch Melodramen, (wenigſtens dem Inhalt nach, wenn auch ohne Muſik), gegeben werden, und nur dieſe noch Zuſchauer herbeiziehen, wie das einzige dermalige Caſſenſtück, der Spion, zur Genüge beweist.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/400>, abgerufen am 26.11.2024.