das Bewußtseyn seines Elends *) ihm nie einen Augenblick Ruhe gegönnt.
Alle diese Details erfahren wir in einer Unterredung Vandryk's mit seinem alten Diener, im verschloßnen Hause, wo er Alles zur Flucht vorbereitet. Seine Tochter erscheint in Thränen, und beschwört ihren Vater um Erklärung aller Räthsel, die sie umgeben. Die Scene, welche sehr erschütternd ist, endet mit dem Geständniß, das der Vater nicht auszusprechen Kraft findet, und auf ein Blatt Pavier schreibt. Mit Zittern ergreift es die Tochter, öffnet es langsam, und das furchtbare Wort lesend, ruft sie erst, seine Füße umklammernd, in Schmerzenstönen, Vater! dann zusammensinkend stammelt sie bewußtlos: Henker! und fällt ohnmächtig zu Boden. Ihr Vater, der den Anblick nicht ertragen kann, entflieht durch die Thür. Als sie in den Armen des treuen Dieners wieder zu sich kömmt, winkt sie ihm, sie allein zu lassen. Sie betet, wirft sich dann auf einen Stuhl, stützt den Kopf in beide Hände, und weint bitterlich. Ein starkes Geräusch am Fenster schreckt sie von Neuem auf. Mit Erstaunen sieht sie einen Mann, in einen rothen Mantel vermummt, herabspringen. Es ist Vathek. Sie will um Hülfe rufen, doch dieser bittet ehrfurchtsvoll nur um einen Augenblick Gehör, um ihres Vaters willen. Eine feurige Liebeserklärung folgt, er erbietet sich mit ihr zu fliehen, sie und
*) Gewissen --?
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das Bewußtſeyn ſeines Elends *) ihm nie einen Augenblick Ruhe gegönnt.
Alle dieſe Details erfahren wir in einer Unterredung Vandryk’s mit ſeinem alten Diener, im verſchloßnen Hauſe, wo er Alles zur Flucht vorbereitet. Seine Tochter erſcheint in Thränen, und beſchwört ihren Vater um Erklärung aller Räthſel, die ſie umgeben. Die Scene, welche ſehr erſchütternd iſt, endet mit dem Geſtändniß, das der Vater nicht auszuſprechen Kraft findet, und auf ein Blatt Pavier ſchreibt. Mit Zittern ergreift es die Tochter, öffnet es langſam, und das furchtbare Wort leſend, ruft ſie erſt, ſeine Füße umklammernd, in Schmerzenstönen, Vater! dann zuſammenſinkend ſtammelt ſie bewußtlos: Henker! und fällt ohnmächtig zu Boden. Ihr Vater, der den Anblick nicht ertragen kann, entflieht durch die Thür. Als ſie in den Armen des treuen Dieners wieder zu ſich kömmt, winkt ſie ihm, ſie allein zu laſſen. Sie betet, wirft ſich dann auf einen Stuhl, ſtützt den Kopf in beide Hände, und weint bitterlich. Ein ſtarkes Geräuſch am Fenſter ſchreckt ſie von Neuem auf. Mit Erſtaunen ſieht ſie einen Mann, in einen rothen Mantel vermummt, herabſpringen. Es iſt Vathek. Sie will um Hülfe rufen, doch dieſer bittet ehrfurchtsvoll nur um einen Augenblick Gehör, um ihres Vaters willen. Eine feurige Liebeserklärung folgt, er erbietet ſich mit ihr zu fliehen, ſie und
*) Gewiſſen —?
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das Bewußtſeyn ſeines Elends *) ihm nie einen
Augenblick Ruhe gegönnt.
Alle dieſe Details erfahren wir in einer Unterredung
Vandryk’s mit ſeinem alten Diener, im verſchloßnen
Hauſe, wo er Alles zur Flucht vorbereitet. Seine
Tochter erſcheint in Thränen, und beſchwört ihren
Vater um Erklärung aller Räthſel, die ſie umgeben.
Die Scene, welche ſehr erſchütternd iſt, endet mit
dem Geſtändniß, das der Vater nicht auszuſprechen
Kraft findet, und auf ein Blatt Pavier ſchreibt. Mit
Zittern ergreift es die Tochter, öffnet es langſam,
und das furchtbare Wort leſend, ruft ſie erſt, ſeine
Füße umklammernd, in Schmerzenstönen, Vater! dann
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und fällt ohnmächtig zu Boden. Ihr Vater, der den
Anblick nicht ertragen kann, entflieht durch die Thür.
Als ſie in den Armen des treuen Dieners wieder zu
ſich kömmt, winkt ſie ihm, ſie allein zu laſſen. Sie
betet, wirft ſich dann auf einen Stuhl, ſtützt den
Kopf in beide Hände, und weint bitterlich. Ein
ſtarkes Geräuſch am Fenſter ſchreckt ſie von Neuem
auf. Mit Erſtaunen ſieht ſie einen Mann, in einen
rothen Mantel vermummt, herabſpringen. Es iſt
Vathek. Sie will um Hülfe rufen, doch dieſer bittet
ehrfurchtsvoll nur um einen Augenblick Gehör, um
ihres Vaters willen. Eine feurige Liebeserklärung
folgt, er erbietet ſich mit ihr zu fliehen, ſie und
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/391>, abgerufen am 22.11.2024.
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