Alle gehen ab, und das Theater verwandelt sich in eine Bildergallerie mit einem anstoßenden prächtigen Saale, den man von einer zahlreichen Gesellschaft angefüllt, hinter einer Säulengallerie, erblickt. Der Graf im Vordergrunde unterhält sich noch mit den Regierungsbeamten, welche respektvoll Platz machen, als der Baron Steevens erscheint, um die Familie Vandryk vorzustellen, welche er laut die Wohlthäter der Provinz nennt. Der Graf, sich höflich gegen die Tochter verneigend, sagt mit Bedeutung: Eine solche Tugend ziert Jeden, und den Vater fixirend, setzt er hinzu -- von welchem Stande er auch sey -- wor- auf er ihm schnell den Rücken kehrt. Vandryk ver- räth ängstliche Verlegenheit, während der seitwärts stehende Vathek kein Auge von ihm verwendet, und seine Tochter ihn ängstlich fragt, ob ihm nicht wohl sey, da er so plötzlich erblasse? Nichts, nichts, stam- melt er, ich folge gleich, und legt ihre Hand in die Friedrichs, der sie zögernd in den Saal führt. Alle gehen ab, bis auf Vandryk, der, noch halb bewußt- los die Hand an die Stirne gehalten, stehen bleibt, und Vathek, der, in einen Winkel zurückgezogen, wie ein Tiger auf seine Beute zu lauern scheint. Plötzlich tritt der Ritter hervor, drückt den Hut auf den Kopf, und Vandryk auf die Schulter schlagend, ruft er mit lauter Stimme: Unverschämter! der erste Magistrat Hollands verbietet Euch, sich in seiner Gegenwart zu Tisch zu setzen. Diese Scene ist von ergreifender Wirkung. Der Unglückliche sinkt außer
Briefe eines Verstorbenen. II. 24
Alle gehen ab, und das Theater verwandelt ſich in eine Bildergallerie mit einem anſtoßenden prächtigen Saale, den man von einer zahlreichen Geſellſchaft angefüllt, hinter einer Säulengallerie, erblickt. Der Graf im Vordergrunde unterhält ſich noch mit den Regierungsbeamten, welche reſpektvoll Platz machen, als der Baron Steevens erſcheint, um die Familie Vandryk vorzuſtellen, welche er laut die Wohlthäter der Provinz nennt. Der Graf, ſich höflich gegen die Tochter verneigend, ſagt mit Bedeutung: Eine ſolche Tugend ziert Jeden, und den Vater fixirend, ſetzt er hinzu — von welchem Stande er auch ſey — wor- auf er ihm ſchnell den Rücken kehrt. Vandryk ver- räth ängſtliche Verlegenheit, während der ſeitwärts ſtehende Vathek kein Auge von ihm verwendet, und ſeine Tochter ihn ängſtlich fragt, ob ihm nicht wohl ſey, da er ſo plötzlich erblaſſe? Nichts, nichts, ſtam- melt er, ich folge gleich, und legt ihre Hand in die Friedrichs, der ſie zögernd in den Saal führt. Alle gehen ab, bis auf Vandryk, der, noch halb bewußt- los die Hand an die Stirne gehalten, ſtehen bleibt, und Vathek, der, in einen Winkel zurückgezogen, wie ein Tiger auf ſeine Beute zu lauern ſcheint. Plötzlich tritt der Ritter hervor, drückt den Hut auf den Kopf, und Vandryk auf die Schulter ſchlagend, ruft er mit lauter Stimme: Unverſchämter! der erſte Magiſtrat Hollands verbietet Euch, ſich in ſeiner Gegenwart zu Tiſch zu ſetzen. Dieſe Scene iſt von ergreifender Wirkung. Der Unglückliche ſinkt außer
Briefe eines Verſtorbenen. II. 24
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Alle gehen ab, und das Theater verwandelt ſich in
eine Bildergallerie mit einem anſtoßenden prächtigen
Saale, den man von einer zahlreichen Geſellſchaft
angefüllt, hinter einer Säulengallerie, erblickt. Der
Graf im Vordergrunde unterhält ſich noch mit den
Regierungsbeamten, welche reſpektvoll Platz machen,
als der Baron Steevens erſcheint, um die Familie
Vandryk vorzuſtellen, welche er laut die Wohlthäter
der Provinz nennt. Der Graf, ſich höflich gegen die
Tochter verneigend, ſagt mit Bedeutung: Eine ſolche
Tugend ziert Jeden, und den Vater fixirend, ſetzt
er hinzu — von welchem Stande er auch ſey — wor-
auf er ihm ſchnell den Rücken kehrt. Vandryk ver-
räth ängſtliche Verlegenheit, während der ſeitwärts
ſtehende Vathek kein Auge von ihm verwendet, und
ſeine Tochter ihn ängſtlich fragt, ob ihm nicht wohl
ſey, da er ſo plötzlich erblaſſe? Nichts, nichts, ſtam-
melt er, ich folge gleich, und legt ihre Hand in die
Friedrichs, der ſie zögernd in den Saal führt. Alle
gehen ab, bis auf Vandryk, der, noch halb bewußt-
los die Hand an die Stirne gehalten, ſtehen bleibt,
und Vathek, der, in einen Winkel zurückgezogen,
wie ein Tiger auf ſeine Beute zu lauern ſcheint.
Plötzlich tritt der Ritter hervor, drückt den Hut auf
den Kopf, und Vandryk auf die Schulter ſchlagend,
ruft er mit lauter Stimme: Unverſchämter! der erſte
Magiſtrat Hollands verbietet Euch, ſich in ſeiner
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/389>, abgerufen am 22.11.2024.
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