bestand darin, daß der Delinquent in eine seichte Stelle des Flusses geworfen, und dort zwei Stunden, mit mehrmaligem Untertauchen, festgehalten wurde.
Am andern Tage hatte ich noch mehr Gelegenheit, O'Connel zu beobachten. Im Ganzen übertraf er meine Erwartung. Sein Aeußeres ist einnehmend, und der Ausdruck von geistvoller Güte in seinem Gesicht, mit Entschlossenheit und Klugheit gepaart, äußerst gewinnend. Er hat vielleicht noch mehr Suada, als wahre großartige Veredsamkeit, und man bemerkt oft zuviel Absicht und Manier in seinen Worten, demohngeachtet muß man der Kraft seiner Argumente mit Interesse folgen, an seinem martia- lischen Anstand Gefallen finden, und oft über seinen Witz lachen. Gewiß ist es, daß er weit eher einem General aus Napoleons regime, als einem Dubliner Advokaten ähnlich sieht. Diese Aehnlichkeit wird da- durch noch auffallender, daß er vortrefflich französisch spricht, denn er ist in den Jesuiter-Collegien zu Do- nai und St. Omer erzogen. Seine Familie ist alt, und wahrscheinlich früher sehr bedeutend im Lande gewesen. Seine Freunde behaupten sogar, er stamme von den ehemaligen Königen von Kerry ab, und beim Volke vermehrt dies ohne Zweifel sein Ansehn. Er selbst erzählte mir, nicht ganz ohne Prätension, daß einer seiner Vettern, Comte O'Connel und Cor- don rouge in Frankreich sey, der andere, Baron in Oesterreich, General und kaiserlicher Kammerherr, er aber sey der Chef der Familie. Soviel ich sehen
beſtand darin, daß der Delinquent in eine ſeichte Stelle des Fluſſes geworfen, und dort zwei Stunden, mit mehrmaligem Untertauchen, feſtgehalten wurde.
Am andern Tage hatte ich noch mehr Gelegenheit, O’Connel zu beobachten. Im Ganzen übertraf er meine Erwartung. Sein Aeußeres iſt einnehmend, und der Ausdruck von geiſtvoller Güte in ſeinem Geſicht, mit Entſchloſſenheit und Klugheit gepaart, äußerſt gewinnend. Er hat vielleicht noch mehr Suada, als wahre großartige Veredſamkeit, und man bemerkt oft zuviel Abſicht und Manier in ſeinen Worten, demohngeachtet muß man der Kraft ſeiner Argumente mit Intereſſe folgen, an ſeinem martia- liſchen Anſtand Gefallen finden, und oft über ſeinen Witz lachen. Gewiß iſt es, daß er weit eher einem General aus Napoléons régime, als einem Dubliner Advokaten ähnlich ſieht. Dieſe Aehnlichkeit wird da- durch noch auffallender, daß er vortrefflich franzöſiſch ſpricht, denn er iſt in den Jeſuiter-Collegien zu Do- nai und St. Omer erzogen. Seine Familie iſt alt, und wahrſcheinlich früher ſehr bedeutend im Lande geweſen. Seine Freunde behaupten ſogar, er ſtamme von den ehemaligen Königen von Kerry ab, und beim Volke vermehrt dies ohne Zweifel ſein Anſehn. Er ſelbſt erzählte mir, nicht ganz ohne Prätenſion, daß einer ſeiner Vettern, Comte O’Connel und Cor- don rouge in Frankreich ſey, der andere, Baron in Oeſterreich, General und kaiſerlicher Kammerherr, er aber ſey der Chef der Familie. Soviel ich ſehen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0037"n="15"/>
beſtand darin, daß der Delinquent in eine ſeichte<lb/>
Stelle des Fluſſes geworfen, und dort zwei Stunden,<lb/>
mit mehrmaligem Untertauchen, feſtgehalten wurde.</p><lb/><p>Am andern Tage hatte ich noch mehr Gelegenheit,<lb/>
O’Connel zu beobachten. Im Ganzen übertraf er<lb/>
meine Erwartung. Sein Aeußeres iſt einnehmend,<lb/>
und der Ausdruck von geiſtvoller Güte in ſeinem<lb/>
Geſicht, mit Entſchloſſenheit und Klugheit gepaart,<lb/>
äußerſt gewinnend. Er hat vielleicht noch mehr<lb/>
Suada, als wahre großartige Veredſamkeit, und man<lb/>
bemerkt oft zuviel Abſicht und Manier in ſeinen<lb/>
Worten, demohngeachtet muß man der Kraft ſeiner<lb/>
Argumente mit Intereſſe folgen, an ſeinem martia-<lb/>
liſchen Anſtand Gefallen finden, und oft über ſeinen<lb/>
Witz lachen. Gewiß iſt es, daß er weit eher einem<lb/>
General aus <hirendition="#aq">Napoléons régime,</hi> als einem Dubliner<lb/>
Advokaten ähnlich ſieht. Dieſe Aehnlichkeit wird da-<lb/>
durch noch auffallender, daß er vortrefflich franzöſiſch<lb/>ſpricht, denn er iſt in den Jeſuiter-Collegien zu Do-<lb/>
nai und St. Omer erzogen. Seine Familie iſt alt,<lb/>
und wahrſcheinlich früher ſehr bedeutend im Lande<lb/>
geweſen. Seine Freunde behaupten ſogar, er ſtamme<lb/>
von den ehemaligen Königen von Kerry ab, und<lb/>
beim Volke vermehrt dies ohne Zweifel ſein Anſehn.<lb/>
Er ſelbſt erzählte mir, nicht ganz ohne Prätenſion,<lb/>
daß einer ſeiner Vettern, Comte O’Connel und Cor-<lb/>
don rouge in Frankreich ſey, der andere, Baron in<lb/><hirendition="#g">Oeſterreich</hi>, General und kaiſerlicher Kammerherr,<lb/>
er aber ſey der Chef der Familie. Soviel ich ſehen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[15/0037]
beſtand darin, daß der Delinquent in eine ſeichte
Stelle des Fluſſes geworfen, und dort zwei Stunden,
mit mehrmaligem Untertauchen, feſtgehalten wurde.
Am andern Tage hatte ich noch mehr Gelegenheit,
O’Connel zu beobachten. Im Ganzen übertraf er
meine Erwartung. Sein Aeußeres iſt einnehmend,
und der Ausdruck von geiſtvoller Güte in ſeinem
Geſicht, mit Entſchloſſenheit und Klugheit gepaart,
äußerſt gewinnend. Er hat vielleicht noch mehr
Suada, als wahre großartige Veredſamkeit, und man
bemerkt oft zuviel Abſicht und Manier in ſeinen
Worten, demohngeachtet muß man der Kraft ſeiner
Argumente mit Intereſſe folgen, an ſeinem martia-
liſchen Anſtand Gefallen finden, und oft über ſeinen
Witz lachen. Gewiß iſt es, daß er weit eher einem
General aus Napoléons régime, als einem Dubliner
Advokaten ähnlich ſieht. Dieſe Aehnlichkeit wird da-
durch noch auffallender, daß er vortrefflich franzöſiſch
ſpricht, denn er iſt in den Jeſuiter-Collegien zu Do-
nai und St. Omer erzogen. Seine Familie iſt alt,
und wahrſcheinlich früher ſehr bedeutend im Lande
geweſen. Seine Freunde behaupten ſogar, er ſtamme
von den ehemaligen Königen von Kerry ab, und
beim Volke vermehrt dies ohne Zweifel ſein Anſehn.
Er ſelbſt erzählte mir, nicht ganz ohne Prätenſion,
daß einer ſeiner Vettern, Comte O’Connel und Cor-
don rouge in Frankreich ſey, der andere, Baron in
Oeſterreich, General und kaiſerlicher Kammerherr,
er aber ſey der Chef der Familie. Soviel ich ſehen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/37>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.