Um dies ad oculos zu demonstriren, wurde die vor- derste kleine Kanone von der Lavette gehoben, und dem ersten Soldaten sein Degengehenke abgenom- men, welches als hinlänglicher Beweis für die ge- machte Angabe galt. Ah, bien! vous allez mainte- nant, Messieurs, voir manoeuvres cette petite ar- mee, comme sur le champ de bataille. Chaque sol- dat, et chaque cheval feront separement les mou- vemens propres, voyez .... Hier geschah nun wei- ter nichts als daß sämmtliche Püppchen, die im er- sten Akt wahrscheinlich aus Respekt vor dem Fürsten Poniatowsky, sich nicht gerührt hatten, beim Lärm einer Trommel, die ein kleiner Junge unter dem Tische schlug, nun gemeinschaftlich zwei anhaltende, taktförmige Bewegungen machten, die bei den Sol- daten im Heben und wieder Niederfallen ihrer Arme, bei den Pferden im Bäumen und Ausschlagen be- standen. Unterdessen rezitirte der Erklärer mit ver- mehrtem Pathos das französische Bulletin jener Af- faire, worauf der zweite Akt schloß. Ich glaubte daß es kaum mehr besser kommen könnte, und da unterdessen einige Zuschauer mehr eingetreten waren, ich auch den üblen Geruch zweier ausgegangenen Lampen nicht länger ertragen mochte, so flüchtete ich für meine Person vom Schlachtfelde, und allen seinen Wundern. Tragisch war es aber doch, dem sich einst so heroisch aufopfernden Helden jetzt so mitspielen zu sehen!
In der Oper vergnügte ich mich sehr am Comte Ory, den der jüngere Nourrit sang. Die Kenner
Um dies ad oculos zu demonſtriren, wurde die vor- derſte kleine Kanone von der Lavette gehoben, und dem erſten Soldaten ſein Degengehenke abgenom- men, welches als hinlänglicher Beweis für die ge- machte Angabe galt. Ah, bien! vous allez mainte- nant, Messieurs, voir manoeuvres cette petite ar- mée, comme sur le champ de bataille. Chaque sol- dat, et chaque cheval feront séparément les mou- vemens propres, voyez .... Hier geſchah nun wei- ter nichts als daß ſämmtliche Püppchen, die im er- ſten Akt wahrſcheinlich aus Reſpekt vor dem Fürſten Poniatowsky, ſich nicht gerührt hatten, beim Lärm einer Trommel, die ein kleiner Junge unter dem Tiſche ſchlug, nun gemeinſchaftlich zwei anhaltende, taktförmige Bewegungen machten, die bei den Sol- daten im Heben und wieder Niederfallen ihrer Arme, bei den Pferden im Bäumen und Ausſchlagen be- ſtanden. Unterdeſſen rezitirte der Erklärer mit ver- mehrtem Pathos das franzöſiſche Bulletin jener Af- faire, worauf der zweite Akt ſchloß. Ich glaubte daß es kaum mehr beſſer kommen könnte, und da unterdeſſen einige Zuſchauer mehr eingetreten waren, ich auch den üblen Geruch zweier ausgegangenen Lampen nicht länger ertragen mochte, ſo flüchtete ich für meine Perſon vom Schlachtfelde, und allen ſeinen Wundern. Tragiſch war es aber doch, dem ſich einſt ſo heroiſch aufopfernden Helden jetzt ſo mitſpielen zu ſehen!
In der Oper vergnügte ich mich ſehr am Comte Ory, den der jüngere Nourrit ſang. Die Kenner
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0360"n="338"/>
Um dies <hirendition="#aq">ad oculos</hi> zu demonſtriren, wurde die vor-<lb/>
derſte kleine Kanone von der Lavette gehoben, und<lb/>
dem erſten Soldaten ſein Degengehenke abgenom-<lb/>
men, welches als <choice><sic>hinlȧnglicher</sic><corr>hinlänglicher</corr></choice> Beweis für die ge-<lb/>
machte Angabe galt. <hirendition="#aq">Ah, bien! vous allez mainte-<lb/>
nant, Messieurs, voir manoeuvres cette petite ar-<lb/>
mée, comme sur le champ de bataille. Chaque sol-<lb/>
dat, et chaque cheval feront séparément les mou-<lb/>
vemens propres, voyez ....</hi> Hier geſchah nun wei-<lb/>
ter nichts als daß ſämmtliche Püppchen, die im er-<lb/>ſten Akt wahrſcheinlich aus Reſpekt vor dem Fürſten<lb/>
Poniatowsky, ſich nicht gerührt hatten, beim Lärm<lb/>
einer Trommel, die ein kleiner Junge unter dem<lb/>
Tiſche ſchlug, nun gemeinſchaftlich zwei anhaltende,<lb/>
taktförmige Bewegungen machten, die bei den Sol-<lb/>
daten im Heben und wieder Niederfallen ihrer Arme,<lb/>
bei den Pferden im Bäumen und Ausſchlagen be-<lb/>ſtanden. Unterdeſſen rezitirte der <choice><sic>Erklȧrer</sic><corr>Erklärer</corr></choice> mit ver-<lb/>
mehrtem Pathos das franzöſiſche Bulletin jener Af-<lb/>
faire, worauf der zweite Akt ſchloß. Ich glaubte<lb/>
daß es kaum mehr beſſer kommen könnte, und da<lb/>
unterdeſſen einige Zuſchauer mehr eingetreten waren, ich<lb/>
auch den üblen Geruch zweier ausgegangenen Lampen<lb/>
nicht <choice><sic>lȧnger</sic><corr>länger</corr></choice> ertragen mochte, ſo flüchtete ich für meine<lb/>
Perſon vom Schlachtfelde, und allen ſeinen Wundern.<lb/>
Tragiſch war es aber doch, dem ſich einſt ſo heroiſch<lb/>
aufopfernden Helden jetzt ſo mitſpielen zu ſehen!</p><lb/><p>In der Oper vergnügte ich mich ſehr am Comte<lb/>
Ory, den der jüngere Nourrit ſang. Die Kenner<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[338/0360]
Um dies ad oculos zu demonſtriren, wurde die vor-
derſte kleine Kanone von der Lavette gehoben, und
dem erſten Soldaten ſein Degengehenke abgenom-
men, welches als hinlänglicher Beweis für die ge-
machte Angabe galt. Ah, bien! vous allez mainte-
nant, Messieurs, voir manoeuvres cette petite ar-
mée, comme sur le champ de bataille. Chaque sol-
dat, et chaque cheval feront séparément les mou-
vemens propres, voyez .... Hier geſchah nun wei-
ter nichts als daß ſämmtliche Püppchen, die im er-
ſten Akt wahrſcheinlich aus Reſpekt vor dem Fürſten
Poniatowsky, ſich nicht gerührt hatten, beim Lärm
einer Trommel, die ein kleiner Junge unter dem
Tiſche ſchlug, nun gemeinſchaftlich zwei anhaltende,
taktförmige Bewegungen machten, die bei den Sol-
daten im Heben und wieder Niederfallen ihrer Arme,
bei den Pferden im Bäumen und Ausſchlagen be-
ſtanden. Unterdeſſen rezitirte der Erklärer mit ver-
mehrtem Pathos das franzöſiſche Bulletin jener Af-
faire, worauf der zweite Akt ſchloß. Ich glaubte
daß es kaum mehr beſſer kommen könnte, und da
unterdeſſen einige Zuſchauer mehr eingetreten waren, ich
auch den üblen Geruch zweier ausgegangenen Lampen
nicht länger ertragen mochte, ſo flüchtete ich für meine
Perſon vom Schlachtfelde, und allen ſeinen Wundern.
Tragiſch war es aber doch, dem ſich einſt ſo heroiſch
aufopfernden Helden jetzt ſo mitſpielen zu ſehen!
In der Oper vergnügte ich mich ſehr am Comte
Ory, den der jüngere Nourrit ſang. Die Kenner
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/360>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.