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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Restaurateurs, die mir, wenn ich nach dem Beliebte-
sten, den ich heute besuchte, urtheilen darf, etwas
degenerirt scheinen. Ihre, schon sonst ziemlich langen
Carten, haben sich zwar seitdem in elegant gebundne
Bücher verwandelt, aber die Qualität der Gerichte
und Weine hat in demselben Maße abgenommen.
Ich eilte nach dieser traurigen Erfahrung zu dem
ehemals berühmten Rocher de Cancale. Aber auch
"Baleine" ist ins Meer der Ewigkeit zurückgeschwom-
men, und wer sich künftig auf den Cancalischen Fel-
sen verläßt, hat auf Sand gebaut. Sic transit glo-
ria mundi!

Alles Lob mußte ich dagegen dem Theatre de Ma-
dame
spenden, wo ich meinen Abend zubrachte, Leon-
tine Fay ist eine allerliebste Schauspielerin, und ein
besseres ensemble kann nirgends gefunden werden.
Da ich grade von England kam, so frappirte mich
um so mehr die Natürlichkeit, mit der Leontine Fay,
in Malvina, die in England erzogne Französin mei-
sterhaft wiedergab, ohne daß durch diese Nüance dem
übrigen Charakter der mindeste Abbruch geschah. In
ihrem künstlerischen Spiel ist keine Copie der Made-
moiselle Mars zu entdecken, und dennoch sieht man,
auf andre Weise, ein eben so treues und zartes Na-
turbild dargestellt. Das zweite Stück, eine Posse,
wo ein provinzieller Onkel seine kleine Stadt, in der
er eben zum Mitgliede eines Tugendvereins
aufgenommen werden soll, schleunig verläßt, um sei-
nen Neffen in Paris, über den er die beunruhigend-

Reſtaurateurs, die mir, wenn ich nach dem Beliebte-
ſten, den ich heute beſuchte, urtheilen darf, etwas
degenerirt ſcheinen. Ihre, ſchon ſonſt ziemlich langen
Carten, haben ſich zwar ſeitdem in elegant gebundne
Bücher verwandelt, aber die Qualität der Gerichte
und Weine hat in demſelben Maße abgenommen.
Ich eilte nach dieſer traurigen Erfahrung zu dem
ehemals berühmten Rocher de Cancale. Aber auch
„Baleine“ iſt ins Meer der Ewigkeit zurückgeſchwom-
men, und wer ſich künftig auf den Cancaliſchen Fel-
ſen verläßt, hat auf Sand gebaut. Sic transit glo-
ria mundi!

Alles Lob mußte ich dagegen dem Theatre de Ma-
dame
ſpenden, wo ich meinen Abend zubrachte, Leon-
tine Fay iſt eine allerliebſte Schauſpielerin, und ein
beſſeres ensemble kann nirgends gefunden werden.
Da ich grade von England kam, ſo frappirte mich
um ſo mehr die Natürlichkeit, mit der Leontine Fay,
in Malvina, die in England erzogne Franzöſin mei-
ſterhaft wiedergab, ohne daß durch dieſe Nüance dem
übrigen Charakter der mindeſte Abbruch geſchah. In
ihrem künſtleriſchen Spiel iſt keine Copie der Made-
moiſelle Mars zu entdecken, und dennoch ſieht man,
auf andre Weiſe, ein eben ſo treues und zartes Na-
turbild dargeſtellt. Das zweite Stück, eine Poſſe,
wo ein provinzieller Onkel ſeine kleine Stadt, in der
er eben zum Mitgliede eines Tugendvereins
aufgenommen werden ſoll, ſchleunig verläßt, um ſei-
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[330/0352] Reſtaurateurs, die mir, wenn ich nach dem Beliebte- ſten, den ich heute beſuchte, urtheilen darf, etwas degenerirt ſcheinen. Ihre, ſchon ſonſt ziemlich langen Carten, haben ſich zwar ſeitdem in elegant gebundne Bücher verwandelt, aber die Qualität der Gerichte und Weine hat in demſelben Maße abgenommen. Ich eilte nach dieſer traurigen Erfahrung zu dem ehemals berühmten Rocher de Cancale. Aber auch „Baleine“ iſt ins Meer der Ewigkeit zurückgeſchwom- men, und wer ſich künftig auf den Cancaliſchen Fel- ſen verläßt, hat auf Sand gebaut. Sic transit glo- ria mundi! Alles Lob mußte ich dagegen dem Theatre de Ma- dame ſpenden, wo ich meinen Abend zubrachte, Leon- tine Fay iſt eine allerliebſte Schauſpielerin, und ein beſſeres ensemble kann nirgends gefunden werden. Da ich grade von England kam, ſo frappirte mich um ſo mehr die Natürlichkeit, mit der Leontine Fay, in Malvina, die in England erzogne Franzöſin mei- ſterhaft wiedergab, ohne daß durch dieſe Nüance dem übrigen Charakter der mindeſte Abbruch geſchah. In ihrem künſtleriſchen Spiel iſt keine Copie der Made- moiſelle Mars zu entdecken, und dennoch ſieht man, auf andre Weiſe, ein eben ſo treues und zartes Na- turbild dargeſtellt. Das zweite Stück, eine Poſſe, wo ein provinzieller Onkel ſeine kleine Stadt, in der er eben zum Mitgliede eines Tugendvereins aufgenommen werden ſoll, ſchleunig verläßt, um ſei- nen Neffen in Paris, über den er die beunruhigend-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/352>, abgerufen am 26.11.2024.