Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

denn nachdem wir früh Calais verlassen, machten wir
um ein Uhr Halt zum Essen, um ein Uhr in der
Nacht soupirten wir; den andern Tag ward eben-
falls Frühstück und Dine um ein Uhr in Beauvais
vereinigt, wo uns ein hübsches Mädchen, die servirte,
und ein Freund Bolivar's der uns viel von der Un-
eigennützigkeit des Befreiers erzählte, die schnelle Ab-
reise regrettiren machten -- und wiederum um ein
Uhr in der Nacht hatten wir endlich auf der Douane
in Paris um unsre Sachen zu kämpfen. Mein Be-
dienter lud dann die meinigen auf eine Charette, die
ein Mensch vor uns herzog, und uns zugleich durch
die dunkeln und schmutzigen Straßen den Weg nach
dem Hotel St. Maurice zeigte, wo ich jetzt in einer
kleinen Stube schreibe, die ich mir bescheiden gewählt,
und wo der kalte Wind durch alle Thüren und Fen-
ster saust, so daß das lodernde Kaminfeuer mich nur
auf einer Seite erwärmen kann. Die seidnen Tape-
ten, so wie der sie bedeckende Schmutz, die vielen
Spiegel und die großen Holzstücken am Kamin auf-
geschichtet, so wie das Ziegel-Parquet -- alles erin-
nert mich lebhaft, daß ich in Frankreich, und nicht
mehr in England bin.

Ein Paar Tage will ich mich hier ausruhen und
meine Empletten machen, dann eile ich in Deine
Arme, ohne wo möglich hier auch nur einen Be-
kannten zu sehen, car cela m'entrainerait trop. Er-
warte daher auch nichts Neues von mir über das
alte Paris zu hören. Ein Paar detachirte Tagebuch-
Bemerkungen wird alles seyn, was ich Dir bieten
kann.


denn nachdem wir früh Calais verlaſſen, machten wir
um ein Uhr Halt zum Eſſen, um ein Uhr in der
Nacht ſoupirten wir; den andern Tag ward eben-
falls Frühſtück und Diné um ein Uhr in Beauvais
vereinigt, wo uns ein hübſches Mädchen, die ſervirte,
und ein Freund Bolivar’s der uns viel von der Un-
eigennützigkeit des Befreiers erzählte, die ſchnelle Ab-
reiſe regrettiren machten — und wiederum um ein
Uhr in der Nacht hatten wir endlich auf der Douane
in Paris um unſre Sachen zu kämpfen. Mein Be-
dienter lud dann die meinigen auf eine Charette, die
ein Menſch vor uns herzog, und uns zugleich durch
die dunkeln und ſchmutzigen Straßen den Weg nach
dem Hôtel St. Maurice zeigte, wo ich jetzt in einer
kleinen Stube ſchreibe, die ich mir beſcheiden gewählt,
und wo der kalte Wind durch alle Thüren und Fen-
ſter ſaust, ſo daß das lodernde Kaminfeuer mich nur
auf einer Seite erwärmen kann. Die ſeidnen Tape-
ten, ſo wie der ſie bedeckende Schmutz, die vielen
Spiegel und die großen Holzſtücken am Kamin auf-
geſchichtet, ſo wie das Ziegel-Parquet — alles erin-
nert mich lebhaft, daß ich in Frankreich, und nicht
mehr in England bin.

Ein Paar Tage will ich mich hier ausruhen und
meine Empletten machen, dann eile ich in Deine
Arme, ohne wo möglich hier auch nur einen Be-
kannten zu ſehen, car cela m’entrainerait trop. Er-
warte daher auch nichts Neues von mir über das
alte Paris zu hören. Ein Paar detachirte Tagebuch-
Bemerkungen wird alles ſeyn, was ich Dir bieten
kann.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0349" n="327"/>
denn nachdem wir früh Calais verla&#x017F;&#x017F;en, machten wir<lb/>
um ein Uhr Halt zum E&#x017F;&#x017F;en, um ein Uhr in der<lb/>
Nacht &#x017F;oupirten wir; den andern Tag ward eben-<lb/>
falls Früh&#x017F;tück und Din<hi rendition="#aq">é</hi> um ein Uhr in Beauvais<lb/>
vereinigt, wo uns ein hüb&#x017F;ches Mädchen, die &#x017F;ervirte,<lb/>
und ein Freund Bolivar&#x2019;s der uns viel von der Un-<lb/>
eigennützigkeit des Befreiers erzählte, die &#x017F;chnelle Ab-<lb/>
rei&#x017F;e regrettiren machten &#x2014; und wiederum um ein<lb/>
Uhr in der Nacht hatten wir endlich auf der Douane<lb/>
in Paris um un&#x017F;re Sachen zu <choice><sic>ka&#x0307;mpfen</sic><corr>kämpfen</corr></choice>. Mein Be-<lb/>
dienter lud dann die meinigen auf eine Charette, die<lb/>
ein Men&#x017F;ch vor uns herzog, und uns zugleich durch<lb/>
die dunkeln und &#x017F;chmutzigen Straßen den Weg nach<lb/>
dem H<hi rendition="#aq">ô</hi>tel St. Maurice zeigte, wo ich jetzt in einer<lb/>
kleinen Stube &#x017F;chreibe, die ich mir be&#x017F;cheiden gewählt,<lb/>
und wo der kalte Wind durch alle Thüren und Fen-<lb/>
&#x017F;ter &#x017F;aust, &#x017F;o daß das lodernde Kaminfeuer mich nur<lb/>
auf einer Seite erwärmen kann. Die &#x017F;eidnen Tape-<lb/>
ten, &#x017F;o wie der &#x017F;ie bedeckende Schmutz, die vielen<lb/>
Spiegel und die großen Holz&#x017F;tücken am Kamin auf-<lb/>
ge&#x017F;chichtet, &#x017F;o wie das Ziegel-Parquet &#x2014; alles erin-<lb/>
nert mich lebhaft, daß ich in Frankreich, und nicht<lb/>
mehr in England bin.</p><lb/>
          <p>Ein Paar Tage will ich mich hier ausruhen und<lb/>
meine Empletten machen, dann eile ich in Deine<lb/>
Arme, ohne wo möglich hier auch nur <hi rendition="#g">einen</hi> Be-<lb/>
kannten zu &#x017F;ehen, <hi rendition="#aq">car cela m&#x2019;entrainerait trop</hi>. Er-<lb/>
warte daher auch nichts Neues von mir über das<lb/>
alte Paris zu hören. Ein Paar detachirte Tagebuch-<lb/>
Bemerkungen wird alles &#x017F;eyn, was ich Dir bieten<lb/>
kann.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[327/0349] denn nachdem wir früh Calais verlaſſen, machten wir um ein Uhr Halt zum Eſſen, um ein Uhr in der Nacht ſoupirten wir; den andern Tag ward eben- falls Frühſtück und Diné um ein Uhr in Beauvais vereinigt, wo uns ein hübſches Mädchen, die ſervirte, und ein Freund Bolivar’s der uns viel von der Un- eigennützigkeit des Befreiers erzählte, die ſchnelle Ab- reiſe regrettiren machten — und wiederum um ein Uhr in der Nacht hatten wir endlich auf der Douane in Paris um unſre Sachen zu kämpfen. Mein Be- dienter lud dann die meinigen auf eine Charette, die ein Menſch vor uns herzog, und uns zugleich durch die dunkeln und ſchmutzigen Straßen den Weg nach dem Hôtel St. Maurice zeigte, wo ich jetzt in einer kleinen Stube ſchreibe, die ich mir beſcheiden gewählt, und wo der kalte Wind durch alle Thüren und Fen- ſter ſaust, ſo daß das lodernde Kaminfeuer mich nur auf einer Seite erwärmen kann. Die ſeidnen Tape- ten, ſo wie der ſie bedeckende Schmutz, die vielen Spiegel und die großen Holzſtücken am Kamin auf- geſchichtet, ſo wie das Ziegel-Parquet — alles erin- nert mich lebhaft, daß ich in Frankreich, und nicht mehr in England bin. Ein Paar Tage will ich mich hier ausruhen und meine Empletten machen, dann eile ich in Deine Arme, ohne wo möglich hier auch nur einen Be- kannten zu ſehen, car cela m’entrainerait trop. Er- warte daher auch nichts Neues von mir über das alte Paris zu hören. Ein Paar detachirte Tagebuch- Bemerkungen wird alles ſeyn, was ich Dir bieten kann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/349
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/349>, abgerufen am 22.11.2024.