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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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wie ein coat eigentlich aussehen müsse, oder ob der
lange Aufenthalt in Calais, nebst dem herannahen-
den Alter, den Anzug des ehemaligen Königs der
Mode weniger classisch gemacht haben -- denn ich
fand ihn bei meinem Besuch noch bei der zweiten
Toilette (drei sind deren früh nöthig) im geblümten
Schlafrocke, einer Samtmütze mit Goldquasten auf
dem Kopf, und türkischen Pantoffeln an den Füßen,
sich selbst rasirend, und nachher, mit den beliebten
rothen Wurzelstückchen, sorgfältig die Reste seiner
Zähne putzend. Das Ameublement um ihn her war
ziemlich elegant, ja zum Theil noch ganz reich zu
nennen, wiewohl bedeutend fanirt, und ich kann
nicht läugnen, sein ganzes Benehmen schien mir da-
mit übereinzustimmen. Obgleich gedrückt von seiner
jetzigen Lage, zeigte er indeß noch immer einen ziem-
lichen Fond von Humor und Gutmüthigkeit. Sein
Benehmen war das der guten Gesellschaft, einfach
und natürlich, und von größerer Urbanität als die
jetzigen Dandees aufzuweisen im Stande sind. Lä-
chelnd zeigte er mir seine Pariser Perücke, die er sehr
auf Kosten der englischen rühmte, und nannte sich
selbst: le cidevant jeune homme, qui passe sa vie
entre Paris et Londres
. Er schien hinsichtlich
meiner etwas neugierig, frug mich über gesellschaft-
liche Verhältnisse in London aus, ohne jedoch die
gute Lebensart durch irgend eine Art von Zudring-
lichkeit irgend zu verläugnen, und ließ es sich dann
sichtlich angelegen seyn, mich zu überzeugen, daß er
noch immer von allem, was in der englischen Mode-

Briefe eines Verstorbenen. II. 21

wie ein coat eigentlich ausſehen müſſe, oder ob der
lange Aufenthalt in Calais, nebſt dem herannahen-
den Alter, den Anzug des ehemaligen Königs der
Mode weniger claſſiſch gemacht haben — denn ich
fand ihn bei meinem Beſuch noch bei der zweiten
Toilette (drei ſind deren früh nöthig) im geblümten
Schlafrocke, einer Samtmütze mit Goldquaſten auf
dem Kopf, und türkiſchen Pantoffeln an den Füßen,
ſich ſelbſt raſirend, und nachher, mit den beliebten
rothen Wurzelſtückchen, ſorgfältig die Reſte ſeiner
Zähne putzend. Das Ameublement um ihn her war
ziemlich elegant, ja zum Theil noch ganz reich zu
nennen, wiewohl bedeutend fanirt, und ich kann
nicht läugnen, ſein ganzes Benehmen ſchien mir da-
mit übereinzuſtimmen. Obgleich gedrückt von ſeiner
jetzigen Lage, zeigte er indeß noch immer einen ziem-
lichen Fond von Humor und Gutmüthigkeit. Sein
Benehmen war das der guten Geſellſchaft, einfach
und natürlich, und von größerer Urbanität als die
jetzigen Dandees aufzuweiſen im Stande ſind. Lä-
chelnd zeigte er mir ſeine Pariſer Perücke, die er ſehr
auf Koſten der engliſchen rühmte, und nannte ſich
ſelbſt: le cidevant jeune homme, qui passe sa vie
entre Paris et Londres
. Er ſchien hinſichtlich
meiner etwas neugierig, frug mich über geſellſchaft-
liche Verhältniſſe in London aus, ohne jedoch die
gute Lebensart durch irgend eine Art von Zudring-
lichkeit irgend zu verläugnen, und ließ es ſich dann
ſichtlich angelegen ſeyn, mich zu überzeugen, daß er
noch immer von allem, was in der engliſchen Mode-

Briefe eines Verſtorbenen. II. 21
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[319/0341] wie ein coat eigentlich ausſehen müſſe, oder ob der lange Aufenthalt in Calais, nebſt dem herannahen- den Alter, den Anzug des ehemaligen Königs der Mode weniger claſſiſch gemacht haben — denn ich fand ihn bei meinem Beſuch noch bei der zweiten Toilette (drei ſind deren früh nöthig) im geblümten Schlafrocke, einer Samtmütze mit Goldquaſten auf dem Kopf, und türkiſchen Pantoffeln an den Füßen, ſich ſelbſt raſirend, und nachher, mit den beliebten rothen Wurzelſtückchen, ſorgfältig die Reſte ſeiner Zähne putzend. Das Ameublement um ihn her war ziemlich elegant, ja zum Theil noch ganz reich zu nennen, wiewohl bedeutend fanirt, und ich kann nicht läugnen, ſein ganzes Benehmen ſchien mir da- mit übereinzuſtimmen. Obgleich gedrückt von ſeiner jetzigen Lage, zeigte er indeß noch immer einen ziem- lichen Fond von Humor und Gutmüthigkeit. Sein Benehmen war das der guten Geſellſchaft, einfach und natürlich, und von größerer Urbanität als die jetzigen Dandees aufzuweiſen im Stande ſind. Lä- chelnd zeigte er mir ſeine Pariſer Perücke, die er ſehr auf Koſten der engliſchen rühmte, und nannte ſich ſelbſt: le cidevant jeune homme, qui passe sa vie entre Paris et Londres. Er ſchien hinſichtlich meiner etwas neugierig, frug mich über geſellſchaft- liche Verhältniſſe in London aus, ohne jedoch die gute Lebensart durch irgend eine Art von Zudring- lichkeit irgend zu verläugnen, und ließ es ſich dann ſichtlich angelegen ſeyn, mich zu überzeugen, daß er noch immer von allem, was in der engliſchen Mode- Briefe eines Verſtorbenen. II. 21

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/341>, abgerufen am 22.11.2024.