Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

endlos überall, außer an der englischen Küste, deren
Daseyn ein schwarzes Wolken-Gebürge, (wahrschein-
lich die compact gewordnen Nebel jener Insel) ver-
rieth. Ich folgte der jettee (einer Art Holzdamm)
die wohl eine Viertelstunde in die See hineinführt,
und fand mich am Ende derselben bald ganz allein,
nichts Lebendes mehr erblickend, als einen Wasser-
vogel, der mit Blitzesschnelle vor mir in der Silber-
fluth umherschwamm, oft plötzlich untertauchte und
dann, erst nach Minuten, an einer weit entferntern
Stelle wieder zum Vorschein kam. Dies Spiel setzte
er lange fort, und so gewandt und lustig war das
Thier dabei, daß man hätte glauben sollen, es wolle
mir absichtlich alle seine Künste vormachen. Ich war
schon im Begriff, allerhand Phantasieen an dies
Schauspiel zu knüpfen -- da hörte ich aber die Tritte
und das Gespräch einer englischen Familie hinter
mir, und schnell entflohen wir beide, der Vogel
und ich.

Auf dem Stadtwall begegnete ich einem franzö-
sischen Hausmädchen mit zwei wunderhübschen eng-
lischen Kindern, sehr elegant in Coquelicot Cache-
mire und weiß gekleidet. Die Kleinste hatte sich fest
an einen Baum geklammert, und refüsirte, mit eng-
lischer Freiheitsliebe, auf das bestimmteste, zu Hause
zu gehen. Die arme Französin radebrechte umsonst
alle englische Schmeicheleien und Drohungen, deren
sie nur habhaft werden konnte, alles blieb vergebens:
Mon darling come allons, rief sie wehmüthig.

endlos überall, außer an der engliſchen Küſte, deren
Daſeyn ein ſchwarzes Wolken-Gebürge, (wahrſchein-
lich die compact gewordnen Nebel jener Inſel) ver-
rieth. Ich folgte der jettée (einer Art Holzdamm)
die wohl eine Viertelſtunde in die See hineinführt,
und fand mich am Ende derſelben bald ganz allein,
nichts Lebendes mehr erblickend, als einen Waſſer-
vogel, der mit Blitzesſchnelle vor mir in der Silber-
fluth umherſchwamm, oft plötzlich untertauchte und
dann, erſt nach Minuten, an einer weit entferntern
Stelle wieder zum Vorſchein kam. Dies Spiel ſetzte
er lange fort, und ſo gewandt und luſtig war das
Thier dabei, daß man hätte glauben ſollen, es wolle
mir abſichtlich alle ſeine Künſte vormachen. Ich war
ſchon im Begriff, allerhand Phantaſieen an dies
Schauſpiel zu knüpfen — da hörte ich aber die Tritte
und das Geſpräch einer engliſchen Familie hinter
mir, und ſchnell entflohen wir beide, der Vogel
und ich.

Auf dem Stadtwall begegnete ich einem franzö-
ſiſchen Hausmädchen mit zwei wunderhübſchen eng-
liſchen Kindern, ſehr elegant in Coquelicot Cache-
mire und weiß gekleidet. Die Kleinſte hatte ſich feſt
an einen Baum geklammert, und refüſirte, mit eng-
liſcher Freiheitsliebe, auf das beſtimmteſte, zu Hauſe
zu gehen. Die arme Franzöſin radebrechte umſonſt
alle engliſche Schmeicheleien und Drohungen, deren
ſie nur habhaft werden konnte, alles blieb vergebens:
Mon darling come allons, rief ſie wehmüthig.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0334" n="312"/>
endlos überall, außer an der engli&#x017F;chen Kü&#x017F;te, deren<lb/>
Da&#x017F;eyn ein &#x017F;chwarzes Wolken-Gebürge, (wahr&#x017F;chein-<lb/>
lich die compact gewordnen Nebel jener In&#x017F;el) ver-<lb/>
rieth. Ich folgte der <hi rendition="#aq">jettée</hi> (einer Art Holzdamm)<lb/>
die wohl eine Viertel&#x017F;tunde in die See hineinführt,<lb/>
und fand mich am Ende der&#x017F;elben bald ganz allein,<lb/>
nichts Lebendes mehr erblickend, als einen Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
vogel, der mit Blitzes&#x017F;chnelle vor mir in der Silber-<lb/>
fluth umher&#x017F;chwamm, oft plötzlich untertauchte und<lb/>
dann, er&#x017F;t nach Minuten, an einer weit entferntern<lb/>
Stelle wieder zum Vor&#x017F;chein kam. Dies Spiel &#x017F;etzte<lb/>
er lange fort, und &#x017F;o gewandt und lu&#x017F;tig war das<lb/>
Thier dabei, daß man hätte glauben &#x017F;ollen, es wolle<lb/>
mir ab&#x017F;ichtlich alle &#x017F;eine Kün&#x017F;te vormachen. Ich war<lb/>
&#x017F;chon im Begriff, allerhand Phanta&#x017F;ieen an dies<lb/>
Schau&#x017F;piel zu knüpfen &#x2014; da hörte ich aber die Tritte<lb/>
und das Ge&#x017F;präch einer engli&#x017F;chen Familie hinter<lb/>
mir, und &#x017F;chnell entflohen wir beide, der Vogel<lb/>
und ich.</p><lb/>
          <p>Auf dem Stadtwall begegnete ich einem franzö-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;chen Hausmädchen mit zwei wunderhüb&#x017F;chen eng-<lb/>
li&#x017F;chen Kindern, &#x017F;ehr elegant in Coquelicot Cache-<lb/>
mire und weiß gekleidet. Die Klein&#x017F;te hatte &#x017F;ich fe&#x017F;t<lb/>
an einen Baum geklammert, und refü&#x017F;irte, mit eng-<lb/>
li&#x017F;cher Freiheitsliebe, auf das be&#x017F;timmte&#x017F;te, zu Hau&#x017F;e<lb/>
zu gehen. Die arme Franzö&#x017F;in radebrechte um&#x017F;on&#x017F;t<lb/>
alle engli&#x017F;che Schmeicheleien und Drohungen, deren<lb/>
&#x017F;ie nur habhaft werden konnte, alles blieb vergebens:<lb/><hi rendition="#aq">Mon darling come allons,</hi> rief &#x017F;ie wehmüthig.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0334] endlos überall, außer an der engliſchen Küſte, deren Daſeyn ein ſchwarzes Wolken-Gebürge, (wahrſchein- lich die compact gewordnen Nebel jener Inſel) ver- rieth. Ich folgte der jettée (einer Art Holzdamm) die wohl eine Viertelſtunde in die See hineinführt, und fand mich am Ende derſelben bald ganz allein, nichts Lebendes mehr erblickend, als einen Waſſer- vogel, der mit Blitzesſchnelle vor mir in der Silber- fluth umherſchwamm, oft plötzlich untertauchte und dann, erſt nach Minuten, an einer weit entferntern Stelle wieder zum Vorſchein kam. Dies Spiel ſetzte er lange fort, und ſo gewandt und luſtig war das Thier dabei, daß man hätte glauben ſollen, es wolle mir abſichtlich alle ſeine Künſte vormachen. Ich war ſchon im Begriff, allerhand Phantaſieen an dies Schauſpiel zu knüpfen — da hörte ich aber die Tritte und das Geſpräch einer engliſchen Familie hinter mir, und ſchnell entflohen wir beide, der Vogel und ich. Auf dem Stadtwall begegnete ich einem franzö- ſiſchen Hausmädchen mit zwei wunderhübſchen eng- liſchen Kindern, ſehr elegant in Coquelicot Cache- mire und weiß gekleidet. Die Kleinſte hatte ſich feſt an einen Baum geklammert, und refüſirte, mit eng- liſcher Freiheitsliebe, auf das beſtimmteſte, zu Hauſe zu gehen. Die arme Franzöſin radebrechte umſonſt alle engliſche Schmeicheleien und Drohungen, deren ſie nur habhaft werden konnte, alles blieb vergebens: Mon darling come allons, rief ſie wehmüthig.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/334
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/334>, abgerufen am 25.11.2024.