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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Ankömmlinge um das Landschaftsparadies, das sich
vor ihnen erschließt. Auf dem Abendbilde ver-
goldet die sinkende Sonne prächtige Ruinen verwach-
sener Tempel und Pallaste, die eine einsame, ver-
wilderte Gegend umgiebt. Auf- und Untergang des
römischen Reichs sollten dadurch allegorisch darge-
stellt werden. Wasser, Wolken, Himmel, Bäume,
die durchsichtige zitternde Sonnenatmosphäre -- es ist,
wie immer bei Claude, die Natur selbst, die man nur
wie neu geschaffen sieht. Es ist gewiß schwer zu begrei-
fen, wie ein Mann im fünf und dreißigsten Jahre noch
Koch und Farbenreiber seyn, und im fünf und vierzig-
sten die Welt mit solchen nie erreichten Meisterstücken
beschenken konnte! Der wunderschöne Kopf einer Mag-
dalena von Guido, deren thränende Augen, und
heißer, halb geöffneter Rosenmund freilich mehr zu
tausend Küssen als zur Reue einladen, eine in aller
Pracht des Colorits glänzende Santa famiglia von
Andrea del Sarto, und mehrere andere Meister-
stücke andrer gefeierter Meister hielten mich noch meh-
rere Stunden hier fest. Ein Portrait des Grafen Eg-
mont hätte schlecht zum Titelkupfer vor Göthes Tra-
gödie gepaßt, denn der lebenslustige Schwärmer er-
schien hier als ein ziemlich corpulenter Vierziger mit
einer Platte auf dem Kopf, und einer wahren All-
tags-Physiognomie auf dem Gesicht. Ein ganz an-
ders geistvolles Antlitz zeigte sein neben ihm hängen-
der Freund von Oranien. Zwischen Beiden saß der
finstere, die Grausamkeit als Luxus treibende, Alba
zu Pferde.

Ankömmlinge um das Landſchaftsparadies, das ſich
vor ihnen erſchließt. Auf dem Abendbilde ver-
goldet die ſinkende Sonne prächtige Ruinen verwach-
ſener Tempel und Pallaſte, die eine einſame, ver-
wilderte Gegend umgiebt. Auf- und Untergang des
römiſchen Reichs ſollten dadurch allegoriſch darge-
ſtellt werden. Waſſer, Wolken, Himmel, Bäume,
die durchſichtige zitternde Sonnenatmosphäre — es iſt,
wie immer bei Claude, die Natur ſelbſt, die man nur
wie neu geſchaffen ſieht. Es iſt gewiß ſchwer zu begrei-
fen, wie ein Mann im fünf und dreißigſten Jahre noch
Koch und Farbenreiber ſeyn, und im fünf und vierzig-
ſten die Welt mit ſolchen nie erreichten Meiſterſtücken
beſchenken konnte! Der wunderſchöne Kopf einer Mag-
dalena von Guido, deren thränende Augen, und
heißer, halb geöffneter Roſenmund freilich mehr zu
tauſend Küſſen als zur Reue einladen, eine in aller
Pracht des Colorits glänzende Santa famiglia von
Andrea del Sarto, und mehrere andere Meiſter-
ſtücke andrer gefeierter Meiſter hielten mich noch meh-
rere Stunden hier feſt. Ein Portrait des Grafen Eg-
mont hätte ſchlecht zum Titelkupfer vor Göthes Tra-
gödie gepaßt, denn der lebensluſtige Schwärmer er-
ſchien hier als ein ziemlich corpulenter Vierziger mit
einer Platte auf dem Kopf, und einer wahren All-
tags-Phyſiognomie auf dem Geſicht. Ein ganz an-
ders geiſtvolles Antlitz zeigte ſein neben ihm hängen-
der Freund von Oranien. Zwiſchen Beiden ſaß der
finſtere, die Grauſamkeit als Luxus treibende, Alba
zu Pferde.

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[301/0323] Ankömmlinge um das Landſchaftsparadies, das ſich vor ihnen erſchließt. Auf dem Abendbilde ver- goldet die ſinkende Sonne prächtige Ruinen verwach- ſener Tempel und Pallaſte, die eine einſame, ver- wilderte Gegend umgiebt. Auf- und Untergang des römiſchen Reichs ſollten dadurch allegoriſch darge- ſtellt werden. Waſſer, Wolken, Himmel, Bäume, die durchſichtige zitternde Sonnenatmosphäre — es iſt, wie immer bei Claude, die Natur ſelbſt, die man nur wie neu geſchaffen ſieht. Es iſt gewiß ſchwer zu begrei- fen, wie ein Mann im fünf und dreißigſten Jahre noch Koch und Farbenreiber ſeyn, und im fünf und vierzig- ſten die Welt mit ſolchen nie erreichten Meiſterſtücken beſchenken konnte! Der wunderſchöne Kopf einer Mag- dalena von Guido, deren thränende Augen, und heißer, halb geöffneter Roſenmund freilich mehr zu tauſend Küſſen als zur Reue einladen, eine in aller Pracht des Colorits glänzende Santa famiglia von Andrea del Sarto, und mehrere andere Meiſter- ſtücke andrer gefeierter Meiſter hielten mich noch meh- rere Stunden hier feſt. Ein Portrait des Grafen Eg- mont hätte ſchlecht zum Titelkupfer vor Göthes Tra- gödie gepaßt, denn der lebensluſtige Schwärmer er- ſchien hier als ein ziemlich corpulenter Vierziger mit einer Platte auf dem Kopf, und einer wahren All- tags-Phyſiognomie auf dem Geſicht. Ein ganz an- ders geiſtvolles Antlitz zeigte ſein neben ihm hängen- der Freund von Oranien. Zwiſchen Beiden ſaß der finſtere, die Grauſamkeit als Luxus treibende, Alba zu Pferde.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/323>, abgerufen am 25.11.2024.