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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Schornsteine rauchten freudig, denn His Lordship
waren eben angekommen, präparirten sich aber auch
schon wieder zu einer neuen Badereise. In der
Kirche, meinte mein Führer, sähe man den Herrn
Bischoff kaum zwei bis dreimal des Jahres. Predi-
gen thäten Hochdieselben nie. Ihr heiliges Geschäft
bestehe blos darin, 15,000 Pf. St. mit so viel Ge-
schmack zu verzehren, als Ihnen der liebe Gott ver-
liehen habe -- die Arbeit aber werde hinlänglich von
Subalternen verrichtet. Diese schöne Einrichtung ist
das Einzige was uns noch auf dem Continent fehlt,
um ganz glücklich zu seyn, das Einzige was der
Mühe werth wäre, aus England nachzuahmen. Auf
dem Rückweg spazierte ich in dem dämmernden Dome
noch eine Weile, unter den herrlichen Monumenten
und den alten Rittern umher, die meine Einbildungs-
kraft von Neuem aus ihren Gräbern citirte -- denn
alles dies, gute Julie, haben wir ja auch früher mit-
erlebt, und betrachten jetzt mit Verwunderung unsre
eignen alten Bilder, wie wir einst als Nachkommen,
in tausend Jahren, wieder die jetzigen anstaunen
werden. --

Ich hatte Sorge getragen, mir für heute einen so-
lideren Wagen als den gestrigen zu verschaffen, und
fuhr nun in diesem recht gemächlich nach Wilton,
dem schönen Schlosse des Grafen Pembroke. Hier
ist eine werthvolle Antiken-Sammlung, die von dem
verstorbnen, kunstliebenden Grafen sehr geschmackvoll
aufgestellt worden ist. Sie befindet sich in einer brei-

Schornſteine rauchten freudig, denn His Lordship
waren eben angekommen, präparirten ſich aber auch
ſchon wieder zu einer neuen Badereiſe. In der
Kirche, meinte mein Führer, ſähe man den Herrn
Biſchoff kaum zwei bis dreimal des Jahres. Predi-
gen thäten Hochdieſelben nie. Ihr heiliges Geſchäft
beſtehe blos darin, 15,000 Pf. St. mit ſo viel Ge-
ſchmack zu verzehren, als Ihnen der liebe Gott ver-
liehen habe — die Arbeit aber werde hinlänglich von
Subalternen verrichtet. Dieſe ſchöne Einrichtung iſt
das Einzige was uns noch auf dem Continent fehlt,
um ganz glücklich zu ſeyn, das Einzige was der
Mühe werth wäre, aus England nachzuahmen. Auf
dem Rückweg ſpazierte ich in dem dämmernden Dome
noch eine Weile, unter den herrlichen Monumenten
und den alten Rittern umher, die meine Einbildungs-
kraft von Neuem aus ihren Gräbern citirte — denn
alles dies, gute Julie, haben wir ja auch früher mit-
erlebt, und betrachten jetzt mit Verwunderung unſre
eignen alten Bilder, wie wir einſt als Nachkommen,
in tauſend Jahren, wieder die jetzigen anſtaunen
werden. —

Ich hatte Sorge getragen, mir für heute einen ſo-
lideren Wagen als den geſtrigen zu verſchaffen, und
fuhr nun in dieſem recht gemächlich nach Wilton,
dem ſchönen Schloſſe des Grafen Pembroke. Hier
iſt eine werthvolle Antiken-Sammlung, die von dem
verſtorbnen, kunſtliebenden Grafen ſehr geſchmackvoll
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[297/0319] Schornſteine rauchten freudig, denn His Lordship waren eben angekommen, präparirten ſich aber auch ſchon wieder zu einer neuen Badereiſe. In der Kirche, meinte mein Führer, ſähe man den Herrn Biſchoff kaum zwei bis dreimal des Jahres. Predi- gen thäten Hochdieſelben nie. Ihr heiliges Geſchäft beſtehe blos darin, 15,000 Pf. St. mit ſo viel Ge- ſchmack zu verzehren, als Ihnen der liebe Gott ver- liehen habe — die Arbeit aber werde hinlänglich von Subalternen verrichtet. Dieſe ſchöne Einrichtung iſt das Einzige was uns noch auf dem Continent fehlt, um ganz glücklich zu ſeyn, das Einzige was der Mühe werth wäre, aus England nachzuahmen. Auf dem Rückweg ſpazierte ich in dem dämmernden Dome noch eine Weile, unter den herrlichen Monumenten und den alten Rittern umher, die meine Einbildungs- kraft von Neuem aus ihren Gräbern citirte — denn alles dies, gute Julie, haben wir ja auch früher mit- erlebt, und betrachten jetzt mit Verwunderung unſre eignen alten Bilder, wie wir einſt als Nachkommen, in tauſend Jahren, wieder die jetzigen anſtaunen werden. — Ich hatte Sorge getragen, mir für heute einen ſo- lideren Wagen als den geſtrigen zu verſchaffen, und fuhr nun in dieſem recht gemächlich nach Wilton, dem ſchönen Schloſſe des Grafen Pembroke. Hier iſt eine werthvolle Antiken-Sammlung, die von dem verſtorbnen, kunſtliebenden Grafen ſehr geſchmackvoll aufgeſtellt worden iſt. Sie befindet ſich in einer brei-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/319>, abgerufen am 22.11.2024.