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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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neen für die Erlaubniß: während seiner Spazier-
gänge soviel Blumen abzupflücken, als ihm beliebte.

Abends besuchte ich das Theater, und fand ein
recht hübsches Haus, darin aber ein desto schlechteres
Schauspiel. Man gab Rienzi, eine elende, moderne
Tragödie, die, bei der Uebertreibung und Unbehol-
fenheit der Spieler, weder Weinen noch Lachen, son-
dern nur Widerwillen und Langeweile erregte. Ich
verließ daher Melpomene's entweihten Tempel bald,
und besuchte meinen Freund, den Abteiküster, um
mir die Erlaubniß zu erbitten, die Kirche bei Mond-
schein zu besehen. Sobald er sie mir geöffnet, schickte
ich ihn fort, und wie ein einsamer Schatten unter
den Pfeilern und Gräbern noch lange umherschwär-
mend, ließ ich die ernstere Tragödie des Lebens vor
mir aufsteigen, von den Schauern der Nacht und des
Todes umweht.



Das Wetter ist noch immer so schlecht, und hängt
eine solche Drapperie über alle entfernte Dinge, daß
ich keine Exkursionen machen kann, und mich auf die
Stadt beschränken muß, die sich indeß, durch die
Menge und Mannichfaltigkeit ihrer Prospekte, ganz
zu den interessantesten Promenaden eignet. Mit
meiner Lieblings-Grabeskirche, fange ich jedesmal an,

neen für die Erlaubniß: während ſeiner Spazier-
gänge ſoviel Blumen abzupflücken, als ihm beliebte.

Abends beſuchte ich das Theater, und fand ein
recht hübſches Haus, darin aber ein deſto ſchlechteres
Schauſpiel. Man gab Rienzi, eine elende, moderne
Tragödie, die, bei der Uebertreibung und Unbehol-
fenheit der Spieler, weder Weinen noch Lachen, ſon-
dern nur Widerwillen und Langeweile erregte. Ich
verließ daher Melpomene’s entweihten Tempel bald,
und beſuchte meinen Freund, den Abteiküſter, um
mir die Erlaubniß zu erbitten, die Kirche bei Mond-
ſchein zu beſehen. Sobald er ſie mir geöffnet, ſchickte
ich ihn fort, und wie ein einſamer Schatten unter
den Pfeilern und Gräbern noch lange umherſchwär-
mend, ließ ich die ernſtere Tragödie des Lebens vor
mir aufſteigen, von den Schauern der Nacht und des
Todes umweht.



Das Wetter iſt noch immer ſo ſchlecht, und hängt
eine ſolche Drapperie über alle entfernte Dinge, daß
ich keine Exkurſionen machen kann, und mich auf die
Stadt beſchränken muß, die ſich indeß, durch die
Menge und Mannichfaltigkeit ihrer Proſpekte, ganz
zu den intereſſanteſten Promenaden eignet. Mit
meiner Lieblings-Grabeskirche, fange ich jedesmal an,

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[279/0301] neen für die Erlaubniß: während ſeiner Spazier- gänge ſoviel Blumen abzupflücken, als ihm beliebte. Abends beſuchte ich das Theater, und fand ein recht hübſches Haus, darin aber ein deſto ſchlechteres Schauſpiel. Man gab Rienzi, eine elende, moderne Tragödie, die, bei der Uebertreibung und Unbehol- fenheit der Spieler, weder Weinen noch Lachen, ſon- dern nur Widerwillen und Langeweile erregte. Ich verließ daher Melpomene’s entweihten Tempel bald, und beſuchte meinen Freund, den Abteiküſter, um mir die Erlaubniß zu erbitten, die Kirche bei Mond- ſchein zu beſehen. Sobald er ſie mir geöffnet, ſchickte ich ihn fort, und wie ein einſamer Schatten unter den Pfeilern und Gräbern noch lange umherſchwär- mend, ließ ich die ernſtere Tragödie des Lebens vor mir aufſteigen, von den Schauern der Nacht und des Todes umweht. Den 24ſten. Das Wetter iſt noch immer ſo ſchlecht, und hängt eine ſolche Drapperie über alle entfernte Dinge, daß ich keine Exkurſionen machen kann, und mich auf die Stadt beſchränken muß, die ſich indeß, durch die Menge und Mannichfaltigkeit ihrer Proſpekte, ganz zu den intereſſanteſten Promenaden eignet. Mit meiner Lieblings-Grabeskirche, fange ich jedesmal an,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/301>, abgerufen am 22.11.2024.