Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

"um im Meere zu ersaufen, oder, wenn man das
"vorziehen sollte, den Hals zu Lande zu brechen!"
Noch dacht ich's . . . . da stutzte plötzlich mein Pferd,
und drehte, scheuend, mit einem Satze um, den ich
der alten Mähre kaum zugetraut hätte. -- Ich be-
fand mich in einer engen Schlucht, es war noch hell
genug, mehrere Schritte ganz deutlich vor mir zu se-
hen, und ich konnte nicht begreifen, was die Ursach
dieses panischen Schreckens meines Gaules war. Wi-
derstrebend, und nur durch den gekauften Shileila
bezwungen, ging es endlich wieder vorwärts; nach
wenigen Schritten sah ich aber schon mit Staunen,
daß der hier ziemlich gebahnte Weg mitten im Meer
aufhörte, und beinahe glitt mir der Zügel aus der
Hand, als eine schäumende Welle, vom Sturm ge-
jagt, jetzt auf mich wie ein Ungeheuer zufuhr, und
weit hinein die enge Schlucht mit ihrem weißen Gei-
fer besprützte. Hier war guter Rath theuer! Schroffe
ungangbare Klippen starrten mich auf allen Seiten
an, vor mir brauste die See ... es blieb nur der
Rückweg offen. Aber war ich verirrt, wie ich vermu-
then mußte, so konnte ich, selbst beim Zurückreiten,
nicht darauf rechnen, meinen Führer wieder anzutref-
fen, und wo dann die Nacht zubringen? Außer O'Con-
nels unfindbarem alten Felsenschloß war auf zwan-
zig Meilen keine Spur eines Obdaches zu erwarten,
ich fieberte jetzt schon vor Nässe und Kälte, gewiß
hielt meine Natur den Bivouac einer solchen
Nacht nicht aus -- ich hatte in der That Ursache, be-
stürzt zu seyn. Was half jedoch alles Sinnen, ich

„um im Meere zu erſaufen, oder, wenn man das
„vorziehen ſollte, den Hals zu Lande zu brechen!“
Noch dacht ich’s . . . . da ſtutzte plötzlich mein Pferd,
und drehte, ſcheuend, mit einem Satze um, den ich
der alten Mähre kaum zugetraut hätte. — Ich be-
fand mich in einer engen Schlucht, es war noch hell
genug, mehrere Schritte ganz deutlich vor mir zu ſe-
hen, und ich konnte nicht begreifen, was die Urſach
dieſes paniſchen Schreckens meines Gaules war. Wi-
derſtrebend, und nur durch den gekauften Shileila
bezwungen, ging es endlich wieder vorwärts; nach
wenigen Schritten ſah ich aber ſchon mit Staunen,
daß der hier ziemlich gebahnte Weg mitten im Meer
aufhörte, und beinahe glitt mir der Zügel aus der
Hand, als eine ſchäumende Welle, vom Sturm ge-
jagt, jetzt auf mich wie ein Ungeheuer zufuhr, und
weit hinein die enge Schlucht mit ihrem weißen Gei-
fer beſprützte. Hier war guter Rath theuer! Schroffe
ungangbare Klippen ſtarrten mich auf allen Seiten
an, vor mir brauste die See … es blieb nur der
Rückweg offen. Aber war ich verirrt, wie ich vermu-
then mußte, ſo konnte ich, ſelbſt beim Zurückreiten,
nicht darauf rechnen, meinen Führer wieder anzutref-
fen, und wo dann die Nacht zubringen? Außer O’Con-
nels unfindbarem alten Felſenſchloß war auf zwan-
zig Meilen keine Spur eines Obdaches zu erwarten,
ich fieberte jetzt ſchon vor Näſſe und Kälte, gewiß
hielt meine Natur den Bivouac einer ſolchen
Nacht nicht aus — ich hatte in der That Urſache, be-
ſtürzt zu ſeyn. Was half jedoch alles Sinnen, ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0030" n="8"/>
&#x201E;um im Meere zu er&#x017F;aufen, oder, wenn man das<lb/>
&#x201E;vorziehen &#x017F;ollte, den Hals zu Lande zu brechen!&#x201C;<lb/>
Noch dacht ich&#x2019;s . . . . da &#x017F;tutzte plötzlich mein Pferd,<lb/>
und drehte, &#x017F;cheuend, mit einem Satze um, den ich<lb/>
der alten Mähre kaum zugetraut hätte. &#x2014; Ich be-<lb/>
fand mich in einer engen Schlucht, es war noch hell<lb/>
genug, mehrere Schritte ganz deutlich vor mir zu &#x017F;e-<lb/>
hen, und ich konnte nicht begreifen, was die Ur&#x017F;ach<lb/>
die&#x017F;es pani&#x017F;chen Schreckens meines Gaules war. Wi-<lb/>
der&#x017F;trebend, und nur durch den gekauften Shileila<lb/>
bezwungen, ging es endlich wieder vorwärts; nach<lb/>
wenigen Schritten &#x017F;ah ich aber &#x017F;chon mit Staunen,<lb/>
daß der hier ziemlich gebahnte Weg mitten im Meer<lb/>
aufhörte, und beinahe glitt mir der Zügel aus der<lb/>
Hand, als eine &#x017F;chäumende Welle, vom Sturm ge-<lb/>
jagt, jetzt auf mich wie ein Ungeheuer zufuhr, und<lb/>
weit hinein die enge Schlucht mit ihrem weißen Gei-<lb/>
fer be&#x017F;prützte. Hier war guter Rath theuer! Schroffe<lb/>
ungangbare Klippen &#x017F;tarrten mich auf allen Seiten<lb/>
an, vor mir brauste die See &#x2026; es blieb nur der<lb/>
Rückweg offen. Aber war ich verirrt, wie ich vermu-<lb/>
then mußte, &#x017F;o konnte ich, &#x017F;elb&#x017F;t beim Zurückreiten,<lb/>
nicht darauf rechnen, meinen Führer wieder anzutref-<lb/>
fen, und wo dann die Nacht zubringen? Außer O&#x2019;Con-<lb/>
nels unfindbarem alten Fel&#x017F;en&#x017F;chloß war auf zwan-<lb/>
zig Meilen keine Spur eines Obdaches zu erwarten,<lb/>
ich fieberte jetzt &#x017F;chon vor Nä&#x017F;&#x017F;e und Kälte, gewiß<lb/>
hielt meine Natur den Bivouac einer <hi rendition="#g">&#x017F;olchen</hi><lb/>
Nacht nicht aus &#x2014; ich hatte in der That Ur&#x017F;ache, be-<lb/>
&#x017F;türzt zu &#x017F;eyn. Was half jedoch alles Sinnen, ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0030] „um im Meere zu erſaufen, oder, wenn man das „vorziehen ſollte, den Hals zu Lande zu brechen!“ Noch dacht ich’s . . . . da ſtutzte plötzlich mein Pferd, und drehte, ſcheuend, mit einem Satze um, den ich der alten Mähre kaum zugetraut hätte. — Ich be- fand mich in einer engen Schlucht, es war noch hell genug, mehrere Schritte ganz deutlich vor mir zu ſe- hen, und ich konnte nicht begreifen, was die Urſach dieſes paniſchen Schreckens meines Gaules war. Wi- derſtrebend, und nur durch den gekauften Shileila bezwungen, ging es endlich wieder vorwärts; nach wenigen Schritten ſah ich aber ſchon mit Staunen, daß der hier ziemlich gebahnte Weg mitten im Meer aufhörte, und beinahe glitt mir der Zügel aus der Hand, als eine ſchäumende Welle, vom Sturm ge- jagt, jetzt auf mich wie ein Ungeheuer zufuhr, und weit hinein die enge Schlucht mit ihrem weißen Gei- fer beſprützte. Hier war guter Rath theuer! Schroffe ungangbare Klippen ſtarrten mich auf allen Seiten an, vor mir brauste die See … es blieb nur der Rückweg offen. Aber war ich verirrt, wie ich vermu- then mußte, ſo konnte ich, ſelbſt beim Zurückreiten, nicht darauf rechnen, meinen Führer wieder anzutref- fen, und wo dann die Nacht zubringen? Außer O’Con- nels unfindbarem alten Felſenſchloß war auf zwan- zig Meilen keine Spur eines Obdaches zu erwarten, ich fieberte jetzt ſchon vor Näſſe und Kälte, gewiß hielt meine Natur den Bivouac einer ſolchen Nacht nicht aus — ich hatte in der That Urſache, be- ſtürzt zu ſeyn. Was half jedoch alles Sinnen, ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/30
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/30>, abgerufen am 22.11.2024.