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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Eindruck auf mich nur noch vermehrte. Das Schloß
hat vier weitläuftige Höfe nebst einer Kapelle, und
ist zum Theil noch gut erhalten. Hohe Nuß- und
Taxus-Bäume, Obstplantagen und schöner Rasen
zieren das Innere, wilde Wein- und Schlingpflan-
zen aller Art bedecken die Mauern. In dem am
besten conservirten Theile des Schloßes, wohnt eine
Frau mit ihrer Familie, die dem Besitzer, dem Her-
zog von Beaufort, eine Rente für die Erlaubniß
zahlt, die Ruine Fremden zu zeigen, welche einen
Schilling dafür erlegen müssen. Du siehst, qu'en
Angleterre on fait fleche de tout bois,
und daß
ein dortiger Herzog mit 60,000 Pf. St. Einkünste, weder
den Heller der Wittwe verschmäht, noch sich scheut,
Fremde regelmäßig in Contribution setzen zu lassen.
Es giebt zwar leider deutsche Souverainchen, die es
nicht anders machen.

Eben sowohl mit meinem durchlebten Tage zufrie-
den als müde vom Klettern, und durchnäßt vom
Regen, der sich in der letzten Stunde wieder einge-
stellt hatte, eilte ich in den Gasthof, in mein
Negligee, und zum Eßtisch. Da fühlte ich etwas
Ungewöhnliches in der Tasche meines Schlafrocks --
verwundert brachte ich es heraus, und beschämt be-
trachtete ich es -- die gestohlen geglaubte Börse nebst
Taschenbuch! jetzt erst fiel es mir bei, daß ich sie am
vorigen Abend an diesem ungewöhnlichen Ort ver-
wahrt, aus Besorgniß, sie später auf dem Tische zu
vergessen. Dies soll mir wenigstens eine Lehre seyn,

Eindruck auf mich nur noch vermehrte. Das Schloß
hat vier weitläuftige Höfe nebſt einer Kapelle, und
iſt zum Theil noch gut erhalten. Hohe Nuß- und
Taxus-Bäume, Obſtplantagen und ſchöner Raſen
zieren das Innere, wilde Wein- und Schlingpflan-
zen aller Art bedecken die Mauern. In dem am
beſten conſervirten Theile des Schloßes, wohnt eine
Frau mit ihrer Familie, die dem Beſitzer, dem Her-
zog von Beaufort, eine Rente für die Erlaubniß
zahlt, die Ruine Fremden zu zeigen, welche einen
Schilling dafür erlegen müſſen. Du ſiehſt, qu’en
Angleterre on fait flêche de tout bois,
und daß
ein dortiger Herzog mit 60,000 Pf. St. Einkünſte, weder
den Heller der Wittwe verſchmäht, noch ſich ſcheut,
Fremde regelmäßig in Contribution ſetzen zu laſſen.
Es giebt zwar leider deutſche Souverainchen, die es
nicht anders machen.

Eben ſowohl mit meinem durchlebten Tage zufrie-
den als müde vom Klettern, und durchnäßt vom
Regen, der ſich in der letzten Stunde wieder einge-
ſtellt hatte, eilte ich in den Gaſthof, in mein
Negligee, und zum Eßtiſch. Da fühlte ich etwas
Ungewöhnliches in der Taſche meines Schlafrocks —
verwundert brachte ich es heraus, und beſchämt be-
trachtete ich es — die geſtohlen geglaubte Börſe nebſt
Taſchenbuch! jetzt erſt fiel es mir bei, daß ich ſie am
vorigen Abend an dieſem ungewöhnlichen Ort ver-
wahrt, aus Beſorgniß, ſie ſpäter auf dem Tiſche zu
vergeſſen. Dies ſoll mir wenigſtens eine Lehre ſeyn,

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[258/0280] Eindruck auf mich nur noch vermehrte. Das Schloß hat vier weitläuftige Höfe nebſt einer Kapelle, und iſt zum Theil noch gut erhalten. Hohe Nuß- und Taxus-Bäume, Obſtplantagen und ſchöner Raſen zieren das Innere, wilde Wein- und Schlingpflan- zen aller Art bedecken die Mauern. In dem am beſten conſervirten Theile des Schloßes, wohnt eine Frau mit ihrer Familie, die dem Beſitzer, dem Her- zog von Beaufort, eine Rente für die Erlaubniß zahlt, die Ruine Fremden zu zeigen, welche einen Schilling dafür erlegen müſſen. Du ſiehſt, qu’en Angleterre on fait flêche de tout bois, und daß ein dortiger Herzog mit 60,000 Pf. St. Einkünſte, weder den Heller der Wittwe verſchmäht, noch ſich ſcheut, Fremde regelmäßig in Contribution ſetzen zu laſſen. Es giebt zwar leider deutſche Souverainchen, die es nicht anders machen. Eben ſowohl mit meinem durchlebten Tage zufrie- den als müde vom Klettern, und durchnäßt vom Regen, der ſich in der letzten Stunde wieder einge- ſtellt hatte, eilte ich in den Gaſthof, in mein Negligee, und zum Eßtiſch. Da fühlte ich etwas Ungewöhnliches in der Taſche meines Schlafrocks — verwundert brachte ich es heraus, und beſchämt be- trachtete ich es — die geſtohlen geglaubte Börſe nebſt Taſchenbuch! jetzt erſt fiel es mir bei, daß ich ſie am vorigen Abend an dieſem ungewöhnlichen Ort ver- wahrt, aus Beſorgniß, ſie ſpäter auf dem Tiſche zu vergeſſen. Dies ſoll mir wenigſtens eine Lehre ſeyn,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/280>, abgerufen am 22.11.2024.