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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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ganzes Haus untersuchen lassen -- dann aber setzte
er höhnisch hinzu, vergessen Sie nicht, daß auch Ihre
Sachen bis auf die größte Kleinigkeit untersucht
werden müssen, und wenn man bei uns nichts fin-
det, Sie die Kosten, und mir Entschädigung bezahlen
werden. Qu'allai-je faire dans cette galere! dachte
ich, und sah wohl, das Beste sey, meinen Verlust,
von ohngefähr zehn Pfund, zu verschmerzen, und ab-
zuziehen. Ich nahm daher frische Noten aus mei-
nem Mantelsack, bezahlte die ziemlich billige Rech-
nung, und glaubte bei dem mir herausgegebenen
Gelde, ganz deutlich einen meiner eignen Sovereigns
wieder zu erkennen, der einen kleinen Riß über das
allerhöchste Auge Georg des IV. hatte. Ueberzeugt
daß Wirth und Kellner unter einer Decke steckten,
schüttelte ich den Staub von meinen Füßen, und
hatte, als ich das Haus in einer Postchaise verließ,
das Gefühl eines Menschen, der eben einer Räuber-
höhle entronnen ist.

Um aber doch künftigen Reisenden einen Dienst zu
erzeigen, ließ ich den Wagen, so wie ich um die Ecke
war, halten, und ging zu Fuß zu dem gestern er-
wähnten Buchhändler, ihm mein Mißgeschick mitzu-
theilen. Das Erstaunen und Bedauern Aller war
gleich groß -- bald darauf fingen die Töchter indeß
an mit der Mutter zu zischeln, machten sich Zeichen,
nahmen dann den Vater bei Seite, und nach kurzer
Deliberation kam die Jüngste wieder verlegen auf
mich zu, und fragte erröthend: ob der eben gehabte

ganzes Haus unterſuchen laſſen — dann aber ſetzte
er höhniſch hinzu, vergeſſen Sie nicht, daß auch Ihre
Sachen bis auf die größte Kleinigkeit unterſucht
werden müſſen, und wenn man bei uns nichts fin-
det, Sie die Koſten, und mir Entſchädigung bezahlen
werden. Qu’allai-je faire dans cette galère! dachte
ich, und ſah wohl, das Beſte ſey, meinen Verluſt,
von ohngefähr zehn Pfund, zu verſchmerzen, und ab-
zuziehen. Ich nahm daher friſche Noten aus mei-
nem Mantelſack, bezahlte die ziemlich billige Rech-
nung, und glaubte bei dem mir herausgegebenen
Gelde, ganz deutlich einen meiner eignen Sovereigns
wieder zu erkennen, der einen kleinen Riß über das
allerhöchſte Auge Georg des IV. hatte. Ueberzeugt
daß Wirth und Kellner unter einer Decke ſteckten,
ſchüttelte ich den Staub von meinen Füßen, und
hatte, als ich das Haus in einer Poſtchaiſe verließ,
das Gefühl eines Menſchen, der eben einer Räuber-
höhle entronnen iſt.

Um aber doch künftigen Reiſenden einen Dienſt zu
erzeigen, ließ ich den Wagen, ſo wie ich um die Ecke
war, halten, und ging zu Fuß zu dem geſtern er-
wähnten Buchhändler, ihm mein Mißgeſchick mitzu-
theilen. Das Erſtaunen und Bedauern Aller war
gleich groß — bald darauf fingen die Töchter indeß
an mit der Mutter zu ziſcheln, machten ſich Zeichen,
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Deliberation kam die Jüngſte wieder verlegen auf
mich zu, und fragte erröthend: ob der eben gehabte

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[252/0274] ganzes Haus unterſuchen laſſen — dann aber ſetzte er höhniſch hinzu, vergeſſen Sie nicht, daß auch Ihre Sachen bis auf die größte Kleinigkeit unterſucht werden müſſen, und wenn man bei uns nichts fin- det, Sie die Koſten, und mir Entſchädigung bezahlen werden. Qu’allai-je faire dans cette galère! dachte ich, und ſah wohl, das Beſte ſey, meinen Verluſt, von ohngefähr zehn Pfund, zu verſchmerzen, und ab- zuziehen. Ich nahm daher friſche Noten aus mei- nem Mantelſack, bezahlte die ziemlich billige Rech- nung, und glaubte bei dem mir herausgegebenen Gelde, ganz deutlich einen meiner eignen Sovereigns wieder zu erkennen, der einen kleinen Riß über das allerhöchſte Auge Georg des IV. hatte. Ueberzeugt daß Wirth und Kellner unter einer Decke ſteckten, ſchüttelte ich den Staub von meinen Füßen, und hatte, als ich das Haus in einer Poſtchaiſe verließ, das Gefühl eines Menſchen, der eben einer Räuber- höhle entronnen iſt. Um aber doch künftigen Reiſenden einen Dienſt zu erzeigen, ließ ich den Wagen, ſo wie ich um die Ecke war, halten, und ging zu Fuß zu dem geſtern er- wähnten Buchhändler, ihm mein Mißgeſchick mitzu- theilen. Das Erſtaunen und Bedauern Aller war gleich groß — bald darauf fingen die Töchter indeß an mit der Mutter zu ziſcheln, machten ſich Zeichen, nahmen dann den Vater bei Seite, und nach kurzer Deliberation kam die Jüngſte wieder verlegen auf mich zu, und fragte erröthend: ob der eben gehabte

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/274>, abgerufen am 22.11.2024.