Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

ich (mich schnell acht hundert Jahre zurückversetzend)
nach den Ueberresten der alten Abtei, von der nur
noch die schöne Kirche erhalten und im Gebrauch ist.
Die Glasfenster darin sind, wie überall in England,
von den verrückten Fanatikern unter Cromwell zer-
stört, aber hier mit neugemaltem Glas außerordent-
lich gut restaurirt worden. Der Erbauer dieser Abtei,
Rodger Montgomery, erster Graf von Shrewsbury,
und einer der Feldherren Wilhelm des Eroberers,
liegt in der Kirche, unter einem schönen Monumente
begraben. Daneben ein Templer, ganz dem in Wor-
cester ähnlich, nur nicht in Farben. Er liegt auch
mit übergeschlagenen Beinen auf dem Steine ausge-
streckt, wie jener, welche besondere Stellung eine Ei-
genthümlichkeit auf den Gräbern der Templer gewe-
sen zu seyn scheint. Der Graf von Shrewsbury
baute nicht nur die Abtei und dotirte sie, sondern
starb auch selbst als Mönch darin, um seine Sünden
zu büßen. So wußte die Elastizität des menschlichen
Verstandes der rohen Gewalt der Ritter mit über-
legener Schlauheit bald geistlichen Zaum und Gebiß
anzulegen.

Die Stadt ist sehr merkwürdig wegen der Menge
ihrer alten Privathäuser, alle von der seltsamsten
Form und Bauart. Ich blieb oft in den Straßen
stehen, um einige auf meiner Schreibtafel abzuzeich-
nen, was immer eine Menge Volks um mich ver-
sammelte, das mir verwundert zusah -- und mich
nicht selten störte. Die Engländer dürfen sich also

16*

ich (mich ſchnell acht hundert Jahre zurückverſetzend)
nach den Ueberreſten der alten Abtei, von der nur
noch die ſchöne Kirche erhalten und im Gebrauch iſt.
Die Glasfenſter darin ſind, wie überall in England,
von den verrückten Fanatikern unter Cromwell zer-
ſtört, aber hier mit neugemaltem Glas außerordent-
lich gut reſtaurirt worden. Der Erbauer dieſer Abtei,
Rodger Montgomery, erſter Graf von Shrewsbury,
und einer der Feldherren Wilhelm des Eroberers,
liegt in der Kirche, unter einem ſchönen Monumente
begraben. Daneben ein Templer, ganz dem in Wor-
ceſter ähnlich, nur nicht in Farben. Er liegt auch
mit übergeſchlagenen Beinen auf dem Steine ausge-
ſtreckt, wie jener, welche beſondere Stellung eine Ei-
genthümlichkeit auf den Gräbern der Templer gewe-
ſen zu ſeyn ſcheint. Der Graf von Shrewsbury
baute nicht nur die Abtei und dotirte ſie, ſondern
ſtarb auch ſelbſt als Mönch darin, um ſeine Sünden
zu büßen. So wußte die Elaſtizität des menſchlichen
Verſtandes der rohen Gewalt der Ritter mit über-
legener Schlauheit bald geiſtlichen Zaum und Gebiß
anzulegen.

Die Stadt iſt ſehr merkwürdig wegen der Menge
ihrer alten Privathäuſer, alle von der ſeltſamſten
Form und Bauart. Ich blieb oft in den Straßen
ſtehen, um einige auf meiner Schreibtafel abzuzeich-
nen, was immer eine Menge Volks um mich ver-
ſammelte, das mir verwundert zuſah — und mich
nicht ſelten ſtörte. Die Engländer dürfen ſich alſo

16*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0265" n="243"/>
ich (mich &#x017F;chnell acht hundert Jahre zurückver&#x017F;etzend)<lb/>
nach den Ueberre&#x017F;ten der alten Abtei, von der nur<lb/>
noch die &#x017F;chöne Kirche erhalten und im Gebrauch i&#x017F;t.<lb/>
Die Glasfen&#x017F;ter darin &#x017F;ind, wie überall in England,<lb/>
von den verrückten Fanatikern unter Cromwell zer-<lb/>
&#x017F;tört, aber hier mit neugemaltem Glas außerordent-<lb/>
lich gut re&#x017F;taurirt worden. Der Erbauer die&#x017F;er Abtei,<lb/>
Rodger Montgomery, er&#x017F;ter Graf von Shrewsbury,<lb/>
und einer der Feldherren Wilhelm des Eroberers,<lb/>
liegt in der Kirche, unter einem &#x017F;chönen Monumente<lb/>
begraben. Daneben ein Templer, ganz dem in Wor-<lb/>
ce&#x017F;ter ähnlich, nur nicht in Farben. Er liegt auch<lb/>
mit überge&#x017F;chlagenen Beinen auf dem Steine ausge-<lb/>
&#x017F;treckt, wie jener, welche be&#x017F;ondere Stellung eine Ei-<lb/>
genthümlichkeit auf den Gräbern der Templer gewe-<lb/>
&#x017F;en zu &#x017F;eyn &#x017F;cheint. Der Graf von Shrewsbury<lb/>
baute nicht nur die Abtei und dotirte &#x017F;ie, &#x017F;ondern<lb/>
&#x017F;tarb auch &#x017F;elb&#x017F;t als Mönch darin, um &#x017F;eine Sünden<lb/>
zu büßen. So wußte die <choice><sic>Ela&#x017F;tizita&#x0307;t</sic><corr>Ela&#x017F;tizität</corr></choice> des men&#x017F;chlichen<lb/>
Ver&#x017F;tandes der rohen Gewalt der Ritter mit über-<lb/>
legener Schlauheit bald gei&#x017F;tlichen Zaum und Gebiß<lb/>
anzulegen.</p><lb/>
          <p>Die Stadt i&#x017F;t &#x017F;ehr merkwürdig wegen der Menge<lb/>
ihrer alten Privathäu&#x017F;er, alle von der &#x017F;elt&#x017F;am&#x017F;ten<lb/>
Form und Bauart. Ich blieb oft in den Straßen<lb/>
&#x017F;tehen, um einige auf meiner Schreibtafel abzuzeich-<lb/>
nen, was immer eine Menge Volks um mich ver-<lb/>
&#x017F;ammelte, das mir verwundert zu&#x017F;ah &#x2014; und mich<lb/>
nicht &#x017F;elten &#x017F;törte. Die Engländer dürfen &#x017F;ich al&#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">16*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0265] ich (mich ſchnell acht hundert Jahre zurückverſetzend) nach den Ueberreſten der alten Abtei, von der nur noch die ſchöne Kirche erhalten und im Gebrauch iſt. Die Glasfenſter darin ſind, wie überall in England, von den verrückten Fanatikern unter Cromwell zer- ſtört, aber hier mit neugemaltem Glas außerordent- lich gut reſtaurirt worden. Der Erbauer dieſer Abtei, Rodger Montgomery, erſter Graf von Shrewsbury, und einer der Feldherren Wilhelm des Eroberers, liegt in der Kirche, unter einem ſchönen Monumente begraben. Daneben ein Templer, ganz dem in Wor- ceſter ähnlich, nur nicht in Farben. Er liegt auch mit übergeſchlagenen Beinen auf dem Steine ausge- ſtreckt, wie jener, welche beſondere Stellung eine Ei- genthümlichkeit auf den Gräbern der Templer gewe- ſen zu ſeyn ſcheint. Der Graf von Shrewsbury baute nicht nur die Abtei und dotirte ſie, ſondern ſtarb auch ſelbſt als Mönch darin, um ſeine Sünden zu büßen. So wußte die Elaſtizität des menſchlichen Verſtandes der rohen Gewalt der Ritter mit über- legener Schlauheit bald geiſtlichen Zaum und Gebiß anzulegen. Die Stadt iſt ſehr merkwürdig wegen der Menge ihrer alten Privathäuſer, alle von der ſeltſamſten Form und Bauart. Ich blieb oft in den Straßen ſtehen, um einige auf meiner Schreibtafel abzuzeich- nen, was immer eine Menge Volks um mich ver- ſammelte, das mir verwundert zuſah — und mich nicht ſelten ſtörte. Die Engländer dürfen ſich alſo 16*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/265
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/265>, abgerufen am 25.11.2024.