gekräftigt gegen den schwächlichen Seelenzustand ge- halten, in dem ich Dich verließ, und da dies mehr werth ist, als äußere Dinge, so sah ich, nach vollen- detem Selbstverhör, der unbekannten Zukunft heiter entgegen, und ergötzte mich sogleich behaglich an der Gegenwart. Diese bestand vor der Hand in dem vollsten Jagen des halbbetrunkenen Postillons; denn einem hohen Meerdamme entlang, im blassen Mon- denlicht gings "hop, hop, hop, dahin im sausenden Gallop" bis wir einen sehr eleganten Gasthof in Howth erreichten, wo ich die Nacht schlief. Ein schö- ner, ungeheurer New Foundland Hund leistete mir Abends beim Theetrinken Gesellschaft, und frühstückte am andern Morgen desgleichen mit mir. Ganz weiß, mit einer schwarzen Schnauze, sah das colossale Thier einem Eisbär ganz ähnlich, der (wie im Bär und Bassa) aus Distraktion den schwarzen Kopf eines Landbären aufgesetzt hat. Ich wollte ihn kaufen, er war aber dem Wirth durchaus nicht feil.
In der Nacht hatte ich einen sonderbaren Traum. Ich fand mich in politische Affairen verwickelt, in Folge deren man meiner Person nachstellte, und mein Leben auf alle Weise bedrohte. Zuerst entging ich auf einer großen Jagd mit genauer Noth dem Tode, indem vier bis fünf verkleidete Jäger mich mitten im dichtesten Walde anfielen und ihre Büchsen auf mich abfeuerten, ohne mich jedoch treffen zu kön- nen. Nachher versuchte man mich zu vergiften, und schon hatte ich das grüne Pulver, welches mir als
gekräftigt gegen den ſchwächlichen Seelenzuſtand ge- halten, in dem ich Dich verließ, und da dies mehr werth iſt, als äußere Dinge, ſo ſah ich, nach vollen- detem Selbſtverhör, der unbekannten Zukunft heiter entgegen, und ergötzte mich ſogleich behaglich an der Gegenwart. Dieſe beſtand vor der Hand in dem vollſten Jagen des halbbetrunkenen Poſtillons; denn einem hohen Meerdamme entlang, im blaſſen Mon- denlicht gings „hop, hop, hop, dahin im ſauſenden Gallop“ bis wir einen ſehr eleganten Gaſthof in Howth erreichten, wo ich die Nacht ſchlief. Ein ſchö- ner, ungeheurer New Foundland Hund leiſtete mir Abends beim Theetrinken Geſellſchaft, und frühſtückte am andern Morgen desgleichen mit mir. Ganz weiß, mit einer ſchwarzen Schnauze, ſah das coloſſale Thier einem Eisbär ganz ähnlich, der (wie im Bär und Baſſa) aus Diſtraktion den ſchwarzen Kopf eines Landbären aufgeſetzt hat. Ich wollte ihn kaufen, er war aber dem Wirth durchaus nicht feil.
In der Nacht hatte ich einen ſonderbaren Traum. Ich fand mich in politiſche Affairen verwickelt, in Folge deren man meiner Perſon nachſtellte, und mein Leben auf alle Weiſe bedrohte. Zuerſt entging ich auf einer großen Jagd mit genauer Noth dem Tode, indem vier bis fünf verkleidete Jäger mich mitten im dichteſten Walde anfielen und ihre Büchſen auf mich abfeuerten, ohne mich jedoch treffen zu kön- nen. Nachher verſuchte man mich zu vergiften, und ſchon hatte ich das grüne Pulver, welches mir als
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0259"n="237"/>
gekräftigt gegen den ſchwächlichen Seelenzuſtand ge-<lb/>
halten, in dem ich Dich verließ, und da dies mehr<lb/>
werth iſt, als äußere Dinge, ſo ſah ich, nach vollen-<lb/>
detem Selbſtverhör, der unbekannten Zukunft heiter<lb/>
entgegen, und ergötzte mich ſogleich behaglich an der<lb/>
Gegenwart. Dieſe beſtand vor der Hand in dem<lb/>
vollſten Jagen des halbbetrunkenen Poſtillons; denn<lb/>
einem hohen Meerdamme entlang, im blaſſen Mon-<lb/>
denlicht gings „hop, hop, hop, dahin im ſauſenden<lb/>
Gallop“ bis wir einen ſehr eleganten Gaſthof in<lb/>
Howth erreichten, wo ich die Nacht ſchlief. Ein ſchö-<lb/>
ner, ungeheurer New Foundland Hund leiſtete mir<lb/>
Abends beim Theetrinken Geſellſchaft, und frühſtückte<lb/>
am andern Morgen desgleichen mit mir. Ganz weiß,<lb/>
mit einer ſchwarzen Schnauze, ſah das coloſſale Thier<lb/>
einem Eisbär ganz ähnlich, der (wie im Bär und<lb/>
Baſſa) aus Diſtraktion den ſchwarzen Kopf eines<lb/>
Landbären aufgeſetzt hat. Ich wollte ihn kaufen, er<lb/>
war aber dem Wirth durchaus nicht feil.</p><lb/><p>In der Nacht hatte ich einen ſonderbaren Traum.<lb/>
Ich fand mich in politiſche Affairen verwickelt, in<lb/>
Folge deren man meiner Perſon nachſtellte, und mein<lb/>
Leben auf alle Weiſe bedrohte. Zuerſt entging ich<lb/>
auf einer großen Jagd mit genauer Noth dem Tode,<lb/>
indem vier bis fünf verkleidete Jäger mich mitten<lb/>
im dichteſten Walde anfielen und ihre Büchſen auf<lb/>
mich abfeuerten, ohne mich jedoch <hirendition="#g">treffen</hi> zu kön-<lb/>
nen. Nachher verſuchte man mich zu vergiften, und<lb/>ſchon hatte ich das grüne Pulver, welches mir als<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[237/0259]
gekräftigt gegen den ſchwächlichen Seelenzuſtand ge-
halten, in dem ich Dich verließ, und da dies mehr
werth iſt, als äußere Dinge, ſo ſah ich, nach vollen-
detem Selbſtverhör, der unbekannten Zukunft heiter
entgegen, und ergötzte mich ſogleich behaglich an der
Gegenwart. Dieſe beſtand vor der Hand in dem
vollſten Jagen des halbbetrunkenen Poſtillons; denn
einem hohen Meerdamme entlang, im blaſſen Mon-
denlicht gings „hop, hop, hop, dahin im ſauſenden
Gallop“ bis wir einen ſehr eleganten Gaſthof in
Howth erreichten, wo ich die Nacht ſchlief. Ein ſchö-
ner, ungeheurer New Foundland Hund leiſtete mir
Abends beim Theetrinken Geſellſchaft, und frühſtückte
am andern Morgen desgleichen mit mir. Ganz weiß,
mit einer ſchwarzen Schnauze, ſah das coloſſale Thier
einem Eisbär ganz ähnlich, der (wie im Bär und
Baſſa) aus Diſtraktion den ſchwarzen Kopf eines
Landbären aufgeſetzt hat. Ich wollte ihn kaufen, er
war aber dem Wirth durchaus nicht feil.
In der Nacht hatte ich einen ſonderbaren Traum.
Ich fand mich in politiſche Affairen verwickelt, in
Folge deren man meiner Perſon nachſtellte, und mein
Leben auf alle Weiſe bedrohte. Zuerſt entging ich
auf einer großen Jagd mit genauer Noth dem Tode,
indem vier bis fünf verkleidete Jäger mich mitten
im dichteſten Walde anfielen und ihre Büchſen auf
mich abfeuerten, ohne mich jedoch treffen zu kön-
nen. Nachher verſuchte man mich zu vergiften, und
ſchon hatte ich das grüne Pulver, welches mir als
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/259>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.