prodige" wie sie auf dem Zettel genannt wurde, im Triumph herauf. Nach den ersten Liebkosungen ward die Kleine, von uns Allen, die aufmerksamste Zuschauerin des Schauspiels, obgleich man hätte glauben sollen, sie habe täglich genug daran. Nur eine Düte mit Süßigkeiten, die ich ihr präsentirte, konnte sie eine Zeit lang davon abwendig machen, und wir mußten alle über ihr naives und drolliges Benehmen herzlich lachen, als sie, auf Miß S.... Schooße sitzend, die Hälfte der Bonbons in ihren Busen schüttete, und dann wieder mit den Samt- händchen darnach langend, der sie Abwehrenden zu- rief: Let me alone, that is my favourite cake (Laß mich, das ist mein Lieblings-Bonbon) Miß S..... die über die Aeußerung und Beharrlichkeit der Klei- nen roth wurde, schob sie endlich mit etwas Ueber- eilung von sich, so daß das Kind sich an einer her- vorstehenden Nadel blutig stach. Wir fürchteten sie würde weinen, aber der Diminutiv-Napoleon wurde nur böse, schlug die Beleidigerin so derb als mög- lich, und rief entrüstet: Fy, for shame! You stung me like a bee! (Pfui, schäme Dich, hast mich wie eine Biene gestochen) und damit voltigirte sie auf den Schoos der Schwester, legte ihre Aermchen über das Logenbrett, und sah von neuem mit ungestörter Aufmerksamkeit der Belagerung von Saragossa zu. Im Entreacte sagte ihr Lady C..... (auf das lä- cherliche qui pro quo in Limerick anspielend, das ich ihr erzählt hatte) ich sey Napoleon's Sohn. Sie sah mich schnell an, fixirte mich eine Weile, und rief
prodige“ wie ſie auf dem Zettel genannt wurde, im Triumph herauf. Nach den erſten Liebkoſungen ward die Kleine, von uns Allen, die aufmerkſamſte Zuſchauerin des Schauſpiels, obgleich man hätte glauben ſollen, ſie habe täglich genug daran. Nur eine Düte mit Süßigkeiten, die ich ihr präſentirte, konnte ſie eine Zeit lang davon abwendig machen, und wir mußten alle über ihr naives und drolliges Benehmen herzlich lachen, als ſie, auf Miß S.... Schooße ſitzend, die Hälfte der Bonbons in ihren Buſen ſchüttete, und dann wieder mit den Samt- händchen darnach langend, der ſie Abwehrenden zu- rief: Let me alone, that is my favourite cake (Laß mich, das iſt mein Lieblings-Bonbon) Miß S..... die über die Aeußerung und Beharrlichkeit der Klei- nen roth wurde, ſchob ſie endlich mit etwas Ueber- eilung von ſich, ſo daß das Kind ſich an einer her- vorſtehenden Nadel blutig ſtach. Wir fürchteten ſie würde weinen, aber der Diminutiv-Napoleon wurde nur böſe, ſchlug die Beleidigerin ſo derb als mög- lich, und rief entrüſtet: Fy, for shame! You stung me like a bee! (Pfui, ſchäme Dich, haſt mich wie eine Biene geſtochen) und damit voltigirte ſie auf den Schoos der Schweſter, legte ihre Aermchen über das Logenbrett, und ſah von neuem mit ungeſtörter Aufmerkſamkeit der Belagerung von Saragoſſa zu. Im Entreacte ſagte ihr Lady C..... (auf das lä- cherliche qui pro quo in Limerick anſpielend, das ich ihr erzählt hatte) ich ſey Napoleon’s Sohn. Sie ſah mich ſchnell an, fixirte mich eine Weile, und rief
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prodige“ wie ſie auf dem Zettel genannt wurde,
im Triumph herauf. Nach den erſten Liebkoſungen
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Zuſchauerin des Schauſpiels, obgleich man hätte
glauben ſollen, ſie habe täglich genug daran. Nur
eine Düte mit Süßigkeiten, die ich ihr präſentirte,
konnte ſie eine Zeit lang davon abwendig machen,
und wir mußten alle über ihr naives und drolliges
Benehmen herzlich lachen, als ſie, auf Miß S....
Schooße ſitzend, die Hälfte der Bonbons in ihren
Buſen ſchüttete, und dann wieder mit den Samt-
händchen darnach langend, der ſie Abwehrenden zu-
rief: Let me alone, that is my favourite cake (Laß
mich, das iſt mein Lieblings-Bonbon) Miß S.....
die über die Aeußerung und Beharrlichkeit der Klei-
nen roth wurde, ſchob ſie endlich mit etwas Ueber-
eilung von ſich, ſo daß das Kind ſich an einer her-
vorſtehenden Nadel blutig ſtach. Wir fürchteten ſie
würde weinen, aber der Diminutiv-Napoleon wurde
nur böſe, ſchlug die Beleidigerin ſo derb als mög-
lich, und rief entrüſtet: Fy, for shame! You stung
me like a bee! (Pfui, ſchäme Dich, haſt mich wie
eine Biene geſtochen) und damit voltigirte ſie auf
den Schoos der Schweſter, legte ihre Aermchen über
das Logenbrett, und ſah von neuem mit ungeſtörter
Aufmerkſamkeit der Belagerung von Saragoſſa zu.
Im Entreacte ſagte ihr Lady C..... (auf das lä-
cherliche qui pro quo in Limerick anſpielend, das ich
ihr erzählt hatte) ich ſey Napoleon’s Sohn. Sie ſah
mich ſchnell an, fixirte mich eine Weile, und rief
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/203>, abgerufen am 25.11.2024.
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