müßte, ehe sie für sich geschrieben haben könnte, worüber wir in einen scherzhaften Streit geriethen, indem sie mir meine deutsche Pedanterie vorwarf, und behauptete, daß von jeher bonnet blanc und blanc bonnet einerlei gewesen sey, was ich lachend zugeben mußte. Das von ihr gewählte Motto war: Je n'enseigne pas, je raconte (Montaigne). Sie las mir Einiges vor, was ich vortrefflich fand. Mit der Feder in der Hand wird diese, sonst ziemlich su- perficiell erscheinende Frau, ein ganz andres Wesen. Man könnte sagen: der Perlmutter-Feder entfallen ächte Perlen, die Mutter bleibt als kalte Schale zurück.
Sie sagte mir, daß sie den Winter nach Paris ginge, und von da nach Deutschland reisen möchte, hatte aber eine große Furcht vor der österreichischen Polizei. Ich rieth ihr Berlin zu wählen. "Werde ich da nicht auch verfolgt werden?" rief sie lebhaft. Gott bewahre, tröstete ich, in Berlin betet man Ta- lente an, nur rathe ich Ihnen wenigstens Eine Ih- rer hübschen Freundinnen mitzunehmen, die gut und gern tanzt, damit Sie Beide auf die Hofbälle gebe- ten werden, und die liebenswürdige militairische Ju- gend kennen lernen, was der Mühe werth ist, und Ihnen sonst vielleicht nicht zu Theil werden würde. Hier kam der Mann hinzu, und bat mich sein philo- sophisches Buch doch in Deutschland übersetzen zu lassen, damit er, nicht blos als Adjudant seiner Frau, sondern mit eignen Flügeln angeflogen kom-
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müßte, ehe ſie für ſich geſchrieben haben könnte, worüber wir in einen ſcherzhaften Streit geriethen, indem ſie mir meine deutſche Pedanterie vorwarf, und behauptete, daß von jeher bonnet blanc und blanc bonnet einerlei geweſen ſey, was ich lachend zugeben mußte. Das von ihr gewählte Motto war: Je n’enseigne pas, je raconte (Montaigne). Sie las mir Einiges vor, was ich vortrefflich fand. Mit der Feder in der Hand wird dieſe, ſonſt ziemlich ſu- perficiell erſcheinende Frau, ein ganz andres Weſen. Man könnte ſagen: der Perlmutter-Feder entfallen ächte Perlen, die Mutter bleibt als kalte Schale zurück.
Sie ſagte mir, daß ſie den Winter nach Paris ginge, und von da nach Deutſchland reiſen möchte, hatte aber eine große Furcht vor der öſterreichiſchen Polizei. Ich rieth ihr Berlin zu wählen. „Werde ich da nicht auch verfolgt werden?“ rief ſie lebhaft. Gott bewahre, tröſtete ich, in Berlin betet man Ta- lente an, nur rathe ich Ihnen wenigſtens Eine Ih- rer hübſchen Freundinnen mitzunehmen, die gut und gern tanzt, damit Sie Beide auf die Hofbälle gebe- ten werden, und die liebenswürdige militairiſche Ju- gend kennen lernen, was der Mühe werth iſt, und Ihnen ſonſt vielleicht nicht zu Theil werden würde. Hier kam der Mann hinzu, und bat mich ſein philo- ſophiſches Buch doch in Deutſchland überſetzen zu laſſen, damit er, nicht blos als Adjudant ſeiner Frau, ſondern mit eignen Flügeln angeflogen kom-
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müßte, ehe ſie für ſich geſchrieben haben könnte,
worüber wir in einen ſcherzhaften Streit geriethen,
indem ſie mir meine deutſche Pedanterie vorwarf,
und behauptete, daß von jeher bonnet blanc und
blanc bonnet einerlei geweſen ſey, was ich lachend
zugeben mußte. Das von ihr gewählte Motto war:
Je n’enseigne pas, je raconte (Montaigne). Sie
las mir Einiges vor, was ich vortrefflich fand. Mit
der Feder in der Hand wird dieſe, ſonſt ziemlich ſu-
perficiell erſcheinende Frau, ein ganz andres Weſen.
Man könnte ſagen: der Perlmutter-Feder entfallen
ächte Perlen, die Mutter bleibt als kalte Schale
zurück.
Sie ſagte mir, daß ſie den Winter nach Paris
ginge, und von da nach Deutſchland reiſen möchte,
hatte aber eine große Furcht vor der öſterreichiſchen
Polizei. Ich rieth ihr Berlin zu wählen. „Werde
ich da nicht auch verfolgt werden?“ rief ſie lebhaft.
Gott bewahre, tröſtete ich, in Berlin betet man Ta-
lente an, nur rathe ich Ihnen wenigſtens Eine Ih-
rer hübſchen Freundinnen mitzunehmen, die gut und
gern tanzt, damit Sie Beide auf die Hofbälle gebe-
ten werden, und die liebenswürdige militairiſche Ju-
gend kennen lernen, was der Mühe werth iſt, und
Ihnen ſonſt vielleicht nicht zu Theil werden würde.
Hier kam der Mann hinzu, und bat mich ſein philo-
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laſſen, damit er, nicht blos als Adjudant ſeiner
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/201>, abgerufen am 25.11.2024.
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