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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Weltmann höhnend die Achseln zuckt, das uns aber
in aller seiner Einfachheit das Herz bewegt!

Lord H. ist einer von den irländischen Vornehmen,
die zwar ihre Revenuen nicht ganz ihrem Vaterlande
entziehen, und zuweilen daselbst residiren, aber doch
ihren eignen Vortheil so übel verstehen, daß sie sich
mit dem Volk in Opposition setzen, statt sich an
seine Spitze zu stellen. Der Erfolg bleibt nicht aus.
Der Earl of Landaff, auch ein Protestant, ist ge-
liebt, Lord H ... gehaßt, obgleich er persönlich
es mir durchaus nicht zu verdienen scheint. Man
erzählte mir zwar viel von seinen, gegen Catholiken
ausgeübten Grausamkeiten, und ich war selbst Zeuge
seiner leidenschaftlichen Stimmung in dieser Hinsicht,
glaube aber, daß hier, wie so oft in der Welt, eine
bloße Aenderung der eignen Ansicht
auch die ganzen Verhältnisse verändern
würde
. Dies ist eine Hauptregel praktischer Le-
bensphilosophie, und der Effekt sicher, denn die Ob-
jekte sind nur Stoff; wie sie das Subjekt versteht
und formt, darauf kömmt Alles an. Wie manche
Lage kann man auf diese Weise aus schwarz in ro-
senroth übergehen sehen, sobald man nur durch Wil-
lenskraft entweder die schwarze Brille abnimmt, oder
die rosenrothe aufsetzt. -- Mit welcher Brille wirst
Du meinen Brief lesen? -- ich höre die Antwort
von hier, und küsse Dich dafür. Der Himmel behüte
Dich, und erhalte Dir diese Gesinnungen.

Dein treu ergebner L . . . .


8*

Weltmann höhnend die Achſeln zuckt, das uns aber
in aller ſeiner Einfachheit das Herz bewegt!

Lord H. iſt einer von den irländiſchen Vornehmen,
die zwar ihre Revenuen nicht ganz ihrem Vaterlande
entziehen, und zuweilen daſelbſt reſidiren, aber doch
ihren eignen Vortheil ſo übel verſtehen, daß ſie ſich
mit dem Volk in Oppoſition ſetzen, ſtatt ſich an
ſeine Spitze zu ſtellen. Der Erfolg bleibt nicht aus.
Der Earl of Landaff, auch ein Proteſtant, iſt ge-
liebt, Lord H … gehaßt, obgleich er perſönlich
es mir durchaus nicht zu verdienen ſcheint. Man
erzählte mir zwar viel von ſeinen, gegen Catholiken
ausgeübten Grauſamkeiten, und ich war ſelbſt Zeuge
ſeiner leidenſchaftlichen Stimmung in dieſer Hinſicht,
glaube aber, daß hier, wie ſo oft in der Welt, eine
bloße Aenderung der eignen Anſicht
auch die ganzen Verhältniſſe verändern
würde
. Dies iſt eine Hauptregel praktiſcher Le-
bensphiloſophie, und der Effekt ſicher, denn die Ob-
jekte ſind nur Stoff; wie ſie das Subjekt verſteht
und formt, darauf kömmt Alles an. Wie manche
Lage kann man auf dieſe Weiſe aus ſchwarz in ro-
ſenroth übergehen ſehen, ſobald man nur durch Wil-
lenskraft entweder die ſchwarze Brille abnimmt, oder
die roſenrothe aufſetzt. — Mit welcher Brille wirſt
Du meinen Brief leſen? — ich höre die Antwort
von hier, und küſſe Dich dafür. Der Himmel behüte
Dich, und erhalte Dir dieſe Geſinnungen.

Dein treu ergebner L . . . .


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[115/0137] Weltmann höhnend die Achſeln zuckt, das uns aber in aller ſeiner Einfachheit das Herz bewegt! Lord H. iſt einer von den irländiſchen Vornehmen, die zwar ihre Revenuen nicht ganz ihrem Vaterlande entziehen, und zuweilen daſelbſt reſidiren, aber doch ihren eignen Vortheil ſo übel verſtehen, daß ſie ſich mit dem Volk in Oppoſition ſetzen, ſtatt ſich an ſeine Spitze zu ſtellen. Der Erfolg bleibt nicht aus. Der Earl of Landaff, auch ein Proteſtant, iſt ge- liebt, Lord H … gehaßt, obgleich er perſönlich es mir durchaus nicht zu verdienen ſcheint. Man erzählte mir zwar viel von ſeinen, gegen Catholiken ausgeübten Grauſamkeiten, und ich war ſelbſt Zeuge ſeiner leidenſchaftlichen Stimmung in dieſer Hinſicht, glaube aber, daß hier, wie ſo oft in der Welt, eine bloße Aenderung der eignen Anſicht auch die ganzen Verhältniſſe verändern würde. Dies iſt eine Hauptregel praktiſcher Le- bensphiloſophie, und der Effekt ſicher, denn die Ob- jekte ſind nur Stoff; wie ſie das Subjekt verſteht und formt, darauf kömmt Alles an. Wie manche Lage kann man auf dieſe Weiſe aus ſchwarz in ro- ſenroth übergehen ſehen, ſobald man nur durch Wil- lenskraft entweder die ſchwarze Brille abnimmt, oder die roſenrothe aufſetzt. — Mit welcher Brille wirſt Du meinen Brief leſen? — ich höre die Antwort von hier, und küſſe Dich dafür. Der Himmel behüte Dich, und erhalte Dir dieſe Geſinnungen. Dein treu ergebner L . . . . 8*

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/137>, abgerufen am 24.11.2024.