chen eine immer mehr sich verlierende Sprache, die reich und poetisch ist, ohne daß sie doch eine Litera- tur in derselben besitzen; beide verehren unter sich noch immer die Abkömmlinge ihrer alten Fürsten, und haben den Grundsatz, daß: was nicht aufgege- ben ist, auch noch nicht ganz verloren sey; beide sind abergläubisch, schlau, und in ihren Erzählungen zur Uebertreibung geneigt, revolutionair wo sie können, aber etwas kriechend gegen decidirte Macht; beide gehen gern zerlumpt, wenn sie sich auch besser klei- den könnten, und endlich sind beide bei elendem Le- ben, dennoch großer Anstrengung fähig, obgleich sie am liebsten faullenzen, und dabei auch beide gleich fruchtbarer Natur, welches ein wendisches Sprüch- wort: den Braten der armen Leute, nennt. Die bessern Eigenschaften besitzen die Irländer allein.
Ich benutzte die heute gemachten Bekanntschaften, um mich noch näher von dem hier herrschenden Ver- hältniß zwischen Katholiken und Protestanten zu un- terrichten, wobei ich alles früher Gehörte völlig be- stätigt fand, und noch einige Details mehr erhielt. Unter andern, die offizielle Liste eines Theils der ge- genwärtigen Pfarreien und Gemeinden in der Diö- ces von Cashel, die zu merkwürdig ist, um sie Dir nicht mitzutheilen, wenn gleich der Gegenstand zu den trocknen gehört, und fast zu pedantisch für unsre Correspondenz scheinen dürfte.
chen eine immer mehr ſich verlierende Sprache, die reich und poetiſch iſt, ohne daß ſie doch eine Litera- tur in derſelben beſitzen; beide verehren unter ſich noch immer die Abkömmlinge ihrer alten Fürſten, und haben den Grundſatz, daß: was nicht aufgege- ben iſt, auch noch nicht ganz verloren ſey; beide ſind abergläubiſch, ſchlau, und in ihren Erzählungen zur Uebertreibung geneigt, revolutionair wo ſie können, aber etwas kriechend gegen decidirte Macht; beide gehen gern zerlumpt, wenn ſie ſich auch beſſer klei- den könnten, und endlich ſind beide bei elendem Le- ben, dennoch großer Anſtrengung fähig, obgleich ſie am liebſten faullenzen, und dabei auch beide gleich fruchtbarer Natur, welches ein wendiſches Sprüch- wort: den Braten der armen Leute, nennt. Die beſſern Eigenſchaften beſitzen die Irländer allein.
Ich benutzte die heute gemachten Bekanntſchaften, um mich noch näher von dem hier herrſchenden Ver- hältniß zwiſchen Katholiken und Proteſtanten zu un- terrichten, wobei ich alles früher Gehörte völlig be- ſtätigt fand, und noch einige Details mehr erhielt. Unter andern, die offizielle Liſte eines Theils der ge- genwärtigen Pfarreien und Gemeinden in der Diö- ces von Caſhel, die zu merkwürdig iſt, um ſie Dir nicht mitzutheilen, wenn gleich der Gegenſtand zu den trocknen gehört, und faſt zu pedantiſch für unſre Correſpondenz ſcheinen dürfte.
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chen eine immer mehr ſich verlierende Sprache, die
reich und poetiſch iſt, ohne daß ſie doch eine Litera-
tur in derſelben beſitzen; beide verehren unter ſich
noch immer die Abkömmlinge ihrer alten Fürſten,
und haben den Grundſatz, daß: was nicht aufgege-
ben iſt, auch noch nicht ganz verloren ſey; beide ſind
abergläubiſch, ſchlau, und in ihren Erzählungen zur
Uebertreibung geneigt, revolutionair wo ſie können,
aber etwas kriechend gegen decidirte Macht; beide
gehen gern zerlumpt, wenn ſie ſich auch beſſer klei-
den könnten, und endlich ſind beide bei elendem Le-
ben, dennoch großer Anſtrengung fähig, obgleich ſie
am liebſten faullenzen, und dabei auch beide gleich
fruchtbarer Natur, welches ein wendiſches Sprüch-
wort: den Braten der armen Leute, nennt. Die
beſſern Eigenſchaften beſitzen die Irländer allein.
Ich benutzte die heute gemachten Bekanntſchaften,
um mich noch näher von dem hier herrſchenden Ver-
hältniß zwiſchen Katholiken und Proteſtanten zu un-
terrichten, wobei ich alles früher Gehörte völlig be-
ſtätigt fand, und noch einige Details mehr erhielt.
Unter andern, die offizielle Liſte eines Theils der ge-
genwärtigen Pfarreien und Gemeinden in der Diö-
ces von Caſhel, die zu merkwürdig iſt, um ſie Dir
nicht mitzutheilen, wenn gleich der Gegenſtand zu
den trocknen gehört, und faſt zu pedantiſch für unſre
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/120>, abgerufen am 24.11.2024.
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