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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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bei den verschiedenen respectiven Höfen der Hauptstadt
zu dienen; immer noch ohne Zweifel ein benei-
denswerthes Loos. --

Diese letztere Wahrheit wird auch gebührend von
Vielen erkannt, und manches Geistreiche darüber, be-
sonders von einer berühmten Schriftstellerin als Vor-
fechterin, ausgesprochen, die seit geraumer Zeit mit
ihrem Gemahl in einer Art gemeinschaftlichen Ro-
manenwettlauf begriffen war, welcher jede Leipziger
Messe dem erfreuten Publikum zwei bis drei derglei-
chen Produkte, zu eben so viel Bänden das Stück,
zu liefern pflegte. Das Merkwürdigste dabei war,
daß die Werke des Mannes von der überschwänk-
lichen Zartheit einer weiblichen Feder, die der
Frau hingegen von etwas schwerfälliger männlicher
Vielwisserei herzurühren schienen, ein Blei, das selbst
die alchymistische Hand eines liebenswürdigen und
geistreichen Prinzen nicht in Gold verwandeln konnte.
Beide Schriften, besonders die erstern, haben indeß
ihre vogue erlebt, bis endlich die anmuthig anzu-
sehenden, und naiv kindlichen Nordlandshelden des
edlen Ritters, die sich mit Zärtlichkeit duellirten, und
mit klaren blauen Augen dem todtgestochnen Freunde
den Friedenskuß aufdrückten, eben so wie seine wun-
derbaren Rosse, die über Felsenzacken gallopirten und
durch Meere ihren Herren nachschwammen, ohnge-
achtet aller dieser wundervollen Gaben, Walter Scotts
unbehosten Bergschotten weichen mußten.

Die poetischen Kammerjunker und gelehrten Thee-
zirkel der gnädigen Frau waren bereits schon lange

bei den verſchiedenen reſpectiven Höfen der Hauptſtadt
zu dienen; immer noch ohne Zweifel ein benei-
denswerthes Loos. —

Dieſe letztere Wahrheit wird auch gebührend von
Vielen erkannt, und manches Geiſtreiche darüber, be-
ſonders von einer berühmten Schriftſtellerin als Vor-
fechterin, ausgeſprochen, die ſeit geraumer Zeit mit
ihrem Gemahl in einer Art gemeinſchaftlichen Ro-
manenwettlauf begriffen war, welcher jede Leipziger
Meſſe dem erfreuten Publikum zwei bis drei derglei-
chen Produkte, zu eben ſo viel Bänden das Stück,
zu liefern pflegte. Das Merkwürdigſte dabei war,
daß die Werke des Mannes von der überſchwänk-
lichen Zartheit einer weiblichen Feder, die der
Frau hingegen von etwas ſchwerfälliger männlicher
Vielwiſſerei herzurühren ſchienen, ein Blei, das ſelbſt
die alchymiſtiſche Hand eines liebenswürdigen und
geiſtreichen Prinzen nicht in Gold verwandeln konnte.
Beide Schriften, beſonders die erſtern, haben indeß
ihre vogue erlebt, bis endlich die anmuthig anzu-
ſehenden, und naiv kindlichen Nordlandshelden des
edlen Ritters, die ſich mit Zärtlichkeit duellirten, und
mit klaren blauen Augen dem todtgeſtochnen Freunde
den Friedenskuß aufdrückten, eben ſo wie ſeine wun-
derbaren Roſſe, die über Felſenzacken gallopirten und
durch Meere ihren Herren nachſchwammen, ohnge-
achtet aller dieſer wundervollen Gaben, Walter Scotts
unbehosten Bergſchotten weichen mußten.

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zirkel der gnädigen Frau waren bereits ſchon lange

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[37/0061] bei den verſchiedenen reſpectiven Höfen der Hauptſtadt zu dienen; immer noch ohne Zweifel ein benei- denswerthes Loos. — Dieſe letztere Wahrheit wird auch gebührend von Vielen erkannt, und manches Geiſtreiche darüber, be- ſonders von einer berühmten Schriftſtellerin als Vor- fechterin, ausgeſprochen, die ſeit geraumer Zeit mit ihrem Gemahl in einer Art gemeinſchaftlichen Ro- manenwettlauf begriffen war, welcher jede Leipziger Meſſe dem erfreuten Publikum zwei bis drei derglei- chen Produkte, zu eben ſo viel Bänden das Stück, zu liefern pflegte. Das Merkwürdigſte dabei war, daß die Werke des Mannes von der überſchwänk- lichen Zartheit einer weiblichen Feder, die der Frau hingegen von etwas ſchwerfälliger männlicher Vielwiſſerei herzurühren ſchienen, ein Blei, das ſelbſt die alchymiſtiſche Hand eines liebenswürdigen und geiſtreichen Prinzen nicht in Gold verwandeln konnte. Beide Schriften, beſonders die erſtern, haben indeß ihre vogue erlebt, bis endlich die anmuthig anzu- ſehenden, und naiv kindlichen Nordlandshelden des edlen Ritters, die ſich mit Zärtlichkeit duellirten, und mit klaren blauen Augen dem todtgeſtochnen Freunde den Friedenskuß aufdrückten, eben ſo wie ſeine wun- derbaren Roſſe, die über Felſenzacken gallopirten und durch Meere ihren Herren nachſchwammen, ohnge- achtet aller dieſer wundervollen Gaben, Walter Scotts unbehosten Bergſchotten weichen mußten. Die poetiſchen Kammerjunker und gelehrten Thee- zirkel der gnädigen Frau waren bereits ſchon lange

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/61>, abgerufen am 24.11.2024.