Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.seyn will, und "Edelgeboren" eine empfindliche Be- Um in solcher willkührlichen Titelertheilung und *) Ich kenne übrigens Züge von diesem Künstler, die
manchem industriellen Edelmann unserer Zeit zur Ehre gereichen würden, z. B. der, daß er seine Rechnungen nur alle fünf Jahre einschickt, und der großmüthigste Gläubiger aller Isolani's der Armen ist. Avis aux lecteurs! ſeyn will, und „Edelgeboren“ eine empfindliche Be- Um in ſolcher willkührlichen Titelertheilung und *) Ich kenne übrigens Züge von dieſem Künſtler, die
manchem induſtriellen Edelmann unſerer Zeit zur Ehre gereichen würden, z. B. der, daß er ſeine Rechnungen nur alle fünf Jahre einſchickt, und der großmüthigſte Gläubiger aller Iſolani’s der Armen iſt. Avis aux lecteurs! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0055" n="31"/> ſeyn will, und „Edelgeboren“ eine empfindliche Be-<lb/> leidigung für die unteren, ſo wie „Wohlgeboren“<lb/> für die obern, auch nicht adlichen, Staatsbeamten<lb/> zu werden anfängt. Ich für meine Perſon ſchrieb<lb/> hier ſtets an meinen Schneider: Hochwohlgeborner<lb/> Herr. Es war dies allerdings ein berühmter Mann,<lb/> ein Nachkomme des bekannten Freundes Robinſon<lb/> Cruſo<hi rendition="#aq">ë</hi>s, der durch den kühnen und unnachahmlichen<lb/> Schnitt ſeiner Uniformen eine welthiſtoriſche Wichtig-<lb/> keit erlangt hat. Er war alſo auf alle Weiſe <hi rendition="#g">we-<lb/> nigſtens</hi> des Verdienſtadels würdig. <note place="foot" n="*)">Ich kenne übrigens Züge von dieſem Künſtler, die<lb/> manchem induſtriellen Edelmann unſerer Zeit zur Ehre<lb/> gereichen würden, z. B. der, daß er ſeine Rechnungen<lb/> nur alle fünf Jahre einſchickt, und der großmüthigſte<lb/> Gläubiger aller Iſolani’s der Armen iſt.<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Avis aux lecteurs!</hi></hi></note></p><lb/> <p>Um in ſolcher willkührlichen Titelertheilung und<lb/> Empfangung nicht genirt zu ſeyn, iſt es hier auch ſo<lb/> vortheilhaft eingerichtet, daß bei der größten Rang-<lb/> Sucht doch eine wirkliche bindende <hi rendition="#g">Rang-Ord-<lb/> nung</hi> gar nicht exiſtirt, weder bei Hofe, noch durch<lb/> die Geburt beſtimmt, oder durch geſetzwerdende Mei-<lb/> nung und Gewohnheit in der Nation begründet.<lb/> Zuweilen iſt es Geburt, öfter das Amt, bald Ver-<lb/> dienſt, bald Gunſt, bald auch nur unwiderſtebliche<lb/> Impertinenz, welche den Vorrang gewährt, wie es<lb/> Zufall und <choice><sic>Umſtȧnde</sic><corr>Umſtände</corr></choice> fügen. Dies giebt nun zu be-<lb/> ſondern Anomalieen Anlaß, die einem alten Edel-<lb/> manne, wie ich bin, einen Baron von Tunderden-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [31/0055]
ſeyn will, und „Edelgeboren“ eine empfindliche Be-
leidigung für die unteren, ſo wie „Wohlgeboren“
für die obern, auch nicht adlichen, Staatsbeamten
zu werden anfängt. Ich für meine Perſon ſchrieb
hier ſtets an meinen Schneider: Hochwohlgeborner
Herr. Es war dies allerdings ein berühmter Mann,
ein Nachkomme des bekannten Freundes Robinſon
Cruſoës, der durch den kühnen und unnachahmlichen
Schnitt ſeiner Uniformen eine welthiſtoriſche Wichtig-
keit erlangt hat. Er war alſo auf alle Weiſe we-
nigſtens des Verdienſtadels würdig. *)
Um in ſolcher willkührlichen Titelertheilung und
Empfangung nicht genirt zu ſeyn, iſt es hier auch ſo
vortheilhaft eingerichtet, daß bei der größten Rang-
Sucht doch eine wirkliche bindende Rang-Ord-
nung gar nicht exiſtirt, weder bei Hofe, noch durch
die Geburt beſtimmt, oder durch geſetzwerdende Mei-
nung und Gewohnheit in der Nation begründet.
Zuweilen iſt es Geburt, öfter das Amt, bald Ver-
dienſt, bald Gunſt, bald auch nur unwiderſtebliche
Impertinenz, welche den Vorrang gewährt, wie es
Zufall und Umſtände fügen. Dies giebt nun zu be-
ſondern Anomalieen Anlaß, die einem alten Edel-
manne, wie ich bin, einen Baron von Tunderden-
*) Ich kenne übrigens Züge von dieſem Künſtler, die
manchem induſtriellen Edelmann unſerer Zeit zur Ehre
gereichen würden, z. B. der, daß er ſeine Rechnungen
nur alle fünf Jahre einſchickt, und der großmüthigſte
Gläubiger aller Iſolani’s der Armen iſt.
Avis aux lecteurs!
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