nen Weibe rasch auf einer guten englischen Chaussee, zu fahren. Auch für mich ist es eine der angenehm- sten Empfindungen, in einem bequemen Wagen da- hin zu rollen, und mich gemächlich darin auszustrek- ken, während mein Auge sich an den, wie in der laterna magica, immer wechselnden Bildern ergötzt. Nachdem sie verschieden sind, erregen sie meine Fan- tasie bald ernst, bald heiter, tragisch oder komisch, und mit großem Vergnügen male ich dann in mir selbst die gegebenen Skizzen aus; und welche gigan- tische, launige, seltsame Gestalten nehmen sie dann oft mit Blitzesschnelle an, gleich Wolkenbildern vor meinem Geiste auf und nieder wogend! Findet sich jedoch die Fantasie einmal träge, so lese und schlafe ich Gottlob mit gleicher Leichtigkeit im Wagen. Meine Packerei ist keine Plackerei, um mit dem Ca- puziner zu reden, sondern so vortrefflich eingerichtet (durch lange Erfahrung) daß ich ohne embarras, und ohne meinen Dienern das Leben zu sauer zu machen, stets im Augenblick das Verlangte erhalten kann. Zuweilen, wenn das Wetter gut und die Gegend schön ist, spaziere ich auch wohl meilenweit zu Fuße, enfin ich erlange hier allein vollkommene Freiheit -- und als letztes endlich darf ich den Ge- nuß, über alles dies meiner Herzensfreundin in ei- ner Ruhestunde zu schreiben, auch nicht gering an- schlagen. Doch nun zur Sache! Ich fuhr die Nacht durch, nachdem ich am Abend noch ein seltsames Spiel am Himmel erlebt hatte. Auf der Höhe eines Berges glaubte ich vor mir ein riesenmäßiges schwar-
nen Weibe raſch auf einer guten engliſchen Chauſſee, zu fahren. Auch für mich iſt es eine der angenehm- ſten Empfindungen, in einem bequemen Wagen da- hin zu rollen, und mich gemächlich darin auszuſtrek- ken, während mein Auge ſich an den, wie in der laterna magica, immer wechſelnden Bildern ergötzt. Nachdem ſie verſchieden ſind, erregen ſie meine Fan- taſie bald ernſt, bald heiter, tragiſch oder komiſch, und mit großem Vergnügen male ich dann in mir ſelbſt die gegebenen Skizzen aus; und welche gigan- tiſche, launige, ſeltſame Geſtalten nehmen ſie dann oft mit Blitzesſchnelle an, gleich Wolkenbildern vor meinem Geiſte auf und nieder wogend! Findet ſich jedoch die Fantaſie einmal träge, ſo leſe und ſchlafe ich Gottlob mit gleicher Leichtigkeit im Wagen. Meine Packerei iſt keine Plackerei, um mit dem Ca- puziner zu reden, ſondern ſo vortrefflich eingerichtet (durch lange Erfahrung) daß ich ohne embarras, und ohne meinen Dienern das Leben zu ſauer zu machen, ſtets im Augenblick das Verlangte erhalten kann. Zuweilen, wenn das Wetter gut und die Gegend ſchön iſt, ſpaziere ich auch wohl meilenweit zu Fuße, enfin ich erlange hier allein vollkommene Freiheit — und als letztes endlich darf ich den Ge- nuß, über alles dies meiner Herzensfreundin in ei- ner Ruheſtunde zu ſchreiben, auch nicht gering an- ſchlagen. Doch nun zur Sache! Ich fuhr die Nacht durch, nachdem ich am Abend noch ein ſeltſames Spiel am Himmel erlebt hatte. Auf der Höhe eines Berges glaubte ich vor mir ein rieſenmäßiges ſchwar-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0038"n="14"/>
nen Weibe raſch auf einer guten engliſchen Chauſſee,<lb/>
zu fahren. Auch für mich iſt es eine der angenehm-<lb/>ſten Empfindungen, in einem bequemen Wagen da-<lb/>
hin zu rollen, und mich <choice><sic>gemȧchlich</sic><corr>gemächlich</corr></choice> darin auszuſtrek-<lb/>
ken, während mein Auge ſich an den, wie in der<lb/><hirendition="#aq">laterna magica,</hi> immer wechſelnden Bildern ergötzt.<lb/>
Nachdem ſie verſchieden ſind, erregen ſie meine Fan-<lb/>
taſie bald ernſt, bald heiter, tragiſch oder komiſch,<lb/>
und mit großem Vergnügen male ich dann in mir<lb/>ſelbſt die gegebenen Skizzen aus; und welche gigan-<lb/>
tiſche, launige, ſeltſame Geſtalten nehmen ſie dann<lb/>
oft mit Blitzesſchnelle an, gleich Wolkenbildern vor<lb/>
meinem Geiſte auf und nieder wogend! Findet ſich<lb/>
jedoch die Fantaſie einmal träge, ſo leſe und ſchlafe<lb/>
ich Gottlob mit gleicher Leichtigkeit im Wagen.<lb/>
Meine Packerei iſt keine Plackerei, um mit dem Ca-<lb/>
puziner zu reden, ſondern ſo vortrefflich eingerichtet<lb/>
(durch lange Erfahrung) daß ich ohne <hirendition="#aq">embarras,</hi><lb/>
und ohne meinen Dienern das Leben zu ſauer zu<lb/>
machen, ſtets im Augenblick das Verlangte erhalten<lb/>
kann. Zuweilen, wenn das Wetter gut und die<lb/>
Gegend ſchön iſt, ſpaziere ich auch wohl meilenweit<lb/>
zu Fuße, <hirendition="#aq">enfin</hi> ich erlange hier allein vollkommene<lb/>
Freiheit — und als letztes endlich darf ich den Ge-<lb/>
nuß, über alles dies meiner Herzensfreundin in ei-<lb/>
ner Ruheſtunde zu ſchreiben, auch nicht gering an-<lb/>ſchlagen. Doch nun zur Sache! Ich fuhr die Nacht<lb/>
durch, nachdem ich am Abend noch ein ſeltſames<lb/>
Spiel am Himmel erlebt hatte. Auf der Höhe eines<lb/>
Berges glaubte ich vor mir ein rieſenmäßiges ſchwar-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[14/0038]
nen Weibe raſch auf einer guten engliſchen Chauſſee,
zu fahren. Auch für mich iſt es eine der angenehm-
ſten Empfindungen, in einem bequemen Wagen da-
hin zu rollen, und mich gemächlich darin auszuſtrek-
ken, während mein Auge ſich an den, wie in der
laterna magica, immer wechſelnden Bildern ergötzt.
Nachdem ſie verſchieden ſind, erregen ſie meine Fan-
taſie bald ernſt, bald heiter, tragiſch oder komiſch,
und mit großem Vergnügen male ich dann in mir
ſelbſt die gegebenen Skizzen aus; und welche gigan-
tiſche, launige, ſeltſame Geſtalten nehmen ſie dann
oft mit Blitzesſchnelle an, gleich Wolkenbildern vor
meinem Geiſte auf und nieder wogend! Findet ſich
jedoch die Fantaſie einmal träge, ſo leſe und ſchlafe
ich Gottlob mit gleicher Leichtigkeit im Wagen.
Meine Packerei iſt keine Plackerei, um mit dem Ca-
puziner zu reden, ſondern ſo vortrefflich eingerichtet
(durch lange Erfahrung) daß ich ohne embarras,
und ohne meinen Dienern das Leben zu ſauer zu
machen, ſtets im Augenblick das Verlangte erhalten
kann. Zuweilen, wenn das Wetter gut und die
Gegend ſchön iſt, ſpaziere ich auch wohl meilenweit
zu Fuße, enfin ich erlange hier allein vollkommene
Freiheit — und als letztes endlich darf ich den Ge-
nuß, über alles dies meiner Herzensfreundin in ei-
ner Ruheſtunde zu ſchreiben, auch nicht gering an-
ſchlagen. Doch nun zur Sache! Ich fuhr die Nacht
durch, nachdem ich am Abend noch ein ſeltſames
Spiel am Himmel erlebt hatte. Auf der Höhe eines
Berges glaubte ich vor mir ein rieſenmäßiges ſchwar-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/38>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.