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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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Welt, noch zu nah' mit Pflanzen und Thieren ver-
wandt, oder hast du die hiesigen Formen schon in
früherem Daseyn ausgewachsen, und fühlst dich un-
behaglich in dem zu engen Gewande? Wenn dann
auf dem stillen See der melancholische Klang des
Bugleman Hornes wieder in leisen Tönen über den
Wellen zitterte, und meinen Phantasieen, wie durch
unsichtbare Geisterstimme, die Worte einer fremden
Sprache gab -- da war mir's oft wie dem Fischer
zu Muthe, und als sollte ich jetzt sanft hinabgleiten,
um O'Donnohue in seinen Korallengrotten aufzusuchen.

Ehe wir landeten, fand noch eine eigenthümliche
Ceremonie statt. Die Bootsleute, der junge "Son-
tag" an ihrer Spitze, welcher mich wegen eines reich-
licher von mir erhaltenen Trinkgeldes immer "seinen
Gentlemann" nannte, baten um Erlaubniß, an einer
kleinen Insel anlegen, und diese nach mir taufen zu
dürfen, welches nur bei Mondenschein statt finden
könne. Ich mußte mich hierauf auf einen vorragen-
den Felsen stellen, die sechs Bootsmänner auf ihre Ru-
der gestützt, bildeten einen Zirkel um mich, und der
Alte sagte feierlich eine Beschwörungsformel in einer
Art Rhythmus her, was in der wilden Umgebung
und Nacht ganz schauerlich klang. Dann brach Son-
tag einen großen Arbutuszweig ab, und erst mir,
dann jeden der im Schiff Sitzenden, einen Büschel
reichend, den wir an unsre Hüte befestigten, theilte
er die übrigen an seine Cameraden aus, und fragte
nun ehrerbietig und ernst, welchen Namen die Insel,

Briefe eines Verstorbenen. I. 20

Welt, noch zu nah’ mit Pflanzen und Thieren ver-
wandt, oder haſt du die hieſigen Formen ſchon in
früherem Daſeyn ausgewachſen, und fühlſt dich un-
behaglich in dem zu engen Gewande? Wenn dann
auf dem ſtillen See der melancholiſche Klang des
Bugleman Hornes wieder in leiſen Tönen über den
Wellen zitterte, und meinen Phantaſieen, wie durch
unſichtbare Geiſterſtimme, die Worte einer fremden
Sprache gab — da war mir’s oft wie dem Fiſcher
zu Muthe, und als ſollte ich jetzt ſanft hinabgleiten,
um O’Donnohue in ſeinen Korallengrotten aufzuſuchen.

Ehe wir landeten, fand noch eine eigenthümliche
Ceremonie ſtatt. Die Bootsleute, der junge „Son-
tag“ an ihrer Spitze, welcher mich wegen eines reich-
licher von mir erhaltenen Trinkgeldes immer „ſeinen
Gentlemann“ nannte, baten um Erlaubniß, an einer
kleinen Inſel anlegen, und dieſe nach mir taufen zu
dürfen, welches nur bei Mondenſchein ſtatt finden
könne. Ich mußte mich hierauf auf einen vorragen-
den Felſen ſtellen, die ſechs Bootsmänner auf ihre Ru-
der geſtützt, bildeten einen Zirkel um mich, und der
Alte ſagte feierlich eine Beſchwörungsformel in einer
Art Rhythmus her, was in der wilden Umgebung
und Nacht ganz ſchauerlich klang. Dann brach Son-
tag einen großen Arbutuszweig ab, und erſt mir,
dann jeden der im Schiff Sitzenden, einen Büſchel
reichend, den wir an unſre Hüte befeſtigten, theilte
er die übrigen an ſeine Cameraden aus, und fragte
nun ehrerbietig und ernſt, welchen Namen die Inſel,

Briefe eines Verſtorbenen. I. 20
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[305/0329] Welt, noch zu nah’ mit Pflanzen und Thieren ver- wandt, oder haſt du die hieſigen Formen ſchon in früherem Daſeyn ausgewachſen, und fühlſt dich un- behaglich in dem zu engen Gewande? Wenn dann auf dem ſtillen See der melancholiſche Klang des Bugleman Hornes wieder in leiſen Tönen über den Wellen zitterte, und meinen Phantaſieen, wie durch unſichtbare Geiſterſtimme, die Worte einer fremden Sprache gab — da war mir’s oft wie dem Fiſcher zu Muthe, und als ſollte ich jetzt ſanft hinabgleiten, um O’Donnohue in ſeinen Korallengrotten aufzuſuchen. Ehe wir landeten, fand noch eine eigenthümliche Ceremonie ſtatt. Die Bootsleute, der junge „Son- tag“ an ihrer Spitze, welcher mich wegen eines reich- licher von mir erhaltenen Trinkgeldes immer „ſeinen Gentlemann“ nannte, baten um Erlaubniß, an einer kleinen Inſel anlegen, und dieſe nach mir taufen zu dürfen, welches nur bei Mondenſchein ſtatt finden könne. Ich mußte mich hierauf auf einen vorragen- den Felſen ſtellen, die ſechs Bootsmänner auf ihre Ru- der geſtützt, bildeten einen Zirkel um mich, und der Alte ſagte feierlich eine Beſchwörungsformel in einer Art Rhythmus her, was in der wilden Umgebung und Nacht ganz ſchauerlich klang. Dann brach Son- tag einen großen Arbutuszweig ab, und erſt mir, dann jeden der im Schiff Sitzenden, einen Büſchel reichend, den wir an unſre Hüte befeſtigten, theilte er die übrigen an ſeine Cameraden aus, und fragte nun ehrerbietig und ernſt, welchen Namen die Inſel, Briefe eines Verſtorbenen. I. 20

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/329>, abgerufen am 29.11.2024.