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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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Wir landeten nun bei der Abtei von Mucruß, in
dem Park des Herrn Herbert gelegen, aber dennoch
reichlich mit Schädeln und Gerippen ausgestattet.
Die Ruinen sind von bedeutendem Umfang, und voll
interessanter Einzelnheiten. So steht z. B. im Klo-
sterhofe einer der größten Taxusbäume, die es viel-
leicht in der Welt giebt, denn er überragt nicht nur
alle Gebäude, sondern beschattet und verdunkelt mit
seinen Aesten den ganzen Hof, wie ein darüber ge-
spanntes Zelt. Im zweiten Stockwerk bemerkte ich
einen Kamin, an dem zwei Epheustämme, einer auf
jeder Seite, die schönste regelmäßigste Verzierung bil-
deten, während ihre Blätter die darüber stehende
Feueresse so dicht umlaubten, daß sie einem Baume
glich. Unser Führer erzählte uns hier ein merkwür-
diges Beispiel von der unumschränkten Gewalt der
katholischen Priester über das hiesige gemeine Volk.
Zwei Partheien, die Moynihan's und die O' Donno-
hue's genannt, waren schon seit einem halben Jahr-
hundert in permanenter Fehde begriffen. Wo sie sich
daher in gehöriger Anzahl begegneten, entstand so-
gleich ein Shileilahkampf, bei welchem manches Leben
verloren ging. Da es nun, seit dem Bestehen der
katholischen Association, das Interesse der Priester
erheischt, Friede und Eintracht unter ihrer Heerde zu
Stande zu bringen, so verordneten sie voriges Jahr,
bei der letzten Schlägerei dieser Art, als Strafe für
alle Theile: daß die Moynihan's zwölf Meilen nord-
wärts marschiren, und dort ein Bußgebet verrichten;
die O' Donnohue's dasselbe südwärts ausführen;

Wir landeten nun bei der Abtei von Mucruß, in
dem Park des Herrn Herbert gelegen, aber dennoch
reichlich mit Schädeln und Gerippen ausgeſtattet.
Die Ruinen ſind von bedeutendem Umfang, und voll
intereſſanter Einzelnheiten. So ſteht z. B. im Klo-
ſterhofe einer der größten Taxusbäume, die es viel-
leicht in der Welt giebt, denn er überragt nicht nur
alle Gebäude, ſondern beſchattet und verdunkelt mit
ſeinen Aeſten den ganzen Hof, wie ein darüber ge-
ſpanntes Zelt. Im zweiten Stockwerk bemerkte ich
einen Kamin, an dem zwei Epheuſtämme, einer auf
jeder Seite, die ſchönſte regelmäßigſte Verzierung bil-
deten, während ihre Blätter die darüber ſtehende
Feuereſſe ſo dicht umlaubten, daß ſie einem Baume
glich. Unſer Führer erzählte uns hier ein merkwür-
diges Beiſpiel von der unumſchränkten Gewalt der
katholiſchen Prieſter über das hieſige gemeine Volk.
Zwei Partheien, die Moynihan’s und die O’ Donno-
hue’s genannt, waren ſchon ſeit einem halben Jahr-
hundert in permanenter Fehde begriffen. Wo ſie ſich
daher in gehöriger Anzahl begegneten, entſtand ſo-
gleich ein Shileilahkampf, bei welchem manches Leben
verloren ging. Da es nun, ſeit dem Beſtehen der
katholiſchen Aſſociation, das Intereſſe der Prieſter
erheiſcht, Friede und Eintracht unter ihrer Heerde zu
Stande zu bringen, ſo verordneten ſie voriges Jahr,
bei der letzten Schlägerei dieſer Art, als Strafe für
alle Theile: daß die Moynihan’s zwölf Meilen nord-
wärts marſchiren, und dort ein Bußgebet verrichten;
die O’ Donnohue’s daſſelbe ſüdwärts ausführen;

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[298/0322] Wir landeten nun bei der Abtei von Mucruß, in dem Park des Herrn Herbert gelegen, aber dennoch reichlich mit Schädeln und Gerippen ausgeſtattet. Die Ruinen ſind von bedeutendem Umfang, und voll intereſſanter Einzelnheiten. So ſteht z. B. im Klo- ſterhofe einer der größten Taxusbäume, die es viel- leicht in der Welt giebt, denn er überragt nicht nur alle Gebäude, ſondern beſchattet und verdunkelt mit ſeinen Aeſten den ganzen Hof, wie ein darüber ge- ſpanntes Zelt. Im zweiten Stockwerk bemerkte ich einen Kamin, an dem zwei Epheuſtämme, einer auf jeder Seite, die ſchönſte regelmäßigſte Verzierung bil- deten, während ihre Blätter die darüber ſtehende Feuereſſe ſo dicht umlaubten, daß ſie einem Baume glich. Unſer Führer erzählte uns hier ein merkwür- diges Beiſpiel von der unumſchränkten Gewalt der katholiſchen Prieſter über das hieſige gemeine Volk. Zwei Partheien, die Moynihan’s und die O’ Donno- hue’s genannt, waren ſchon ſeit einem halben Jahr- hundert in permanenter Fehde begriffen. Wo ſie ſich daher in gehöriger Anzahl begegneten, entſtand ſo- gleich ein Shileilahkampf, bei welchem manches Leben verloren ging. Da es nun, ſeit dem Beſtehen der katholiſchen Aſſociation, das Intereſſe der Prieſter erheiſcht, Friede und Eintracht unter ihrer Heerde zu Stande zu bringen, ſo verordneten ſie voriges Jahr, bei der letzten Schlägerei dieſer Art, als Strafe für alle Theile: daß die Moynihan’s zwölf Meilen nord- wärts marſchiren, und dort ein Bußgebet verrichten; die O’ Donnohue’s daſſelbe ſüdwärts ausführen;

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/322>, abgerufen am 28.11.2024.