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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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dritten, recht hübschen und wohlproportionirten, und
einem Magisterartig aussehenden Herren, mit langem
Gesicht und noch längerer Nase. Ich saß im Fond
zwischen den zwei schmächtigen Damen, und unter-
hielt mich mit der corpulenten, die sehr gesprächig
war. Sie erzählte unter andern, als ich eben ein
Fenster herunter ließ, wie sie neulich auch in diesem
Wagen gefahren, und beinahe seekrank darin gewor-
den wäre, denn eine ihr gegenübersitzende kränk-
liche
Dame hätte durchaus nicht zugeben wollen, daß
man ein Fenster öffne. Sie habe sich aber nicht ab-
schrecken lassen, und nach einer Viertelstunde Zure-
dens sey es ihr auch gelungen, die Dame zu vermö-
gen, einen Zoll breit Luft hereinzulassen, eine Vier-
telstunde später einen andern Zoll, dann wieder einen,
und so habe sie endlich das ganze Fenster herunter-
manövrirt. Vortrefflich, sagte ich, das ist grade die
Art, wie Weiber alles zu erlangen wissen -- erst ei-
nen
Zoll, und dann so viel als deren zu haben sind.
Ein französischer Geistlicher erzählt hiervon auch eine
sehr erbauliche Geschichte. (Der Mann mit der lan-
gen Nase verzog hier sein Gesicht wie ein Satyr.)
Wie verschieden agiren aber in gleichen Lagen die
Männer! fuhr ich fort. Ein englischer Schriftsteller
in seinem Handbuch für Reisende, empfiehlt: wenn
in der mail Jemand darauf bestehen sollte, alle Fen-
ster zuzuhalten, solle man sich ja in kein pourparler
mit dieser Person einlassen, sondern sofort, wie durch
Ungeschicklichkeit, ein Fenster einschlagen, dann um

Briese eines Verstorbenen. I. 19

dritten, recht hübſchen und wohlproportionirten, und
einem Magiſterartig ausſehenden Herren, mit langem
Geſicht und noch längerer Naſe. Ich ſaß im Fond
zwiſchen den zwei ſchmächtigen Damen, und unter-
hielt mich mit der corpulenten, die ſehr geſprächig
war. Sie erzählte unter andern, als ich eben ein
Fenſter herunter ließ, wie ſie neulich auch in dieſem
Wagen gefahren, und beinahe ſeekrank darin gewor-
den wäre, denn eine ihr gegenüberſitzende kränk-
liche
Dame hätte durchaus nicht zugeben wollen, daß
man ein Fenſter öffne. Sie habe ſich aber nicht ab-
ſchrecken laſſen, und nach einer Viertelſtunde Zure-
dens ſey es ihr auch gelungen, die Dame zu vermö-
gen, einen Zoll breit Luft hereinzulaſſen, eine Vier-
telſtunde ſpäter einen andern Zoll, dann wieder einen,
und ſo habe ſie endlich das ganze Fenſter herunter-
manövrirt. Vortrefflich, ſagte ich, das iſt grade die
Art, wie Weiber alles zu erlangen wiſſen — erſt ei-
nen
Zoll, und dann ſo viel als deren zu haben ſind.
Ein franzöſiſcher Geiſtlicher erzählt hiervon auch eine
ſehr erbauliche Geſchichte. (Der Mann mit der lan-
gen Naſe verzog hier ſein Geſicht wie ein Satyr.)
Wie verſchieden agiren aber in gleichen Lagen die
Männer! fuhr ich fort. Ein engliſcher Schriftſteller
in ſeinem Handbuch für Reiſende, empfiehlt: wenn
in der mail Jemand darauf beſtehen ſollte, alle Fen-
ſter zuzuhalten, ſolle man ſich ja in kein pourparler
mit dieſer Perſon einlaſſen, ſondern ſofort, wie durch
Ungeſchicklichkeit, ein Fenſter einſchlagen, dann um

Brieſe eines Verſtorbenen. I. 19
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[289/0313] dritten, recht hübſchen und wohlproportionirten, und einem Magiſterartig ausſehenden Herren, mit langem Geſicht und noch längerer Naſe. Ich ſaß im Fond zwiſchen den zwei ſchmächtigen Damen, und unter- hielt mich mit der corpulenten, die ſehr geſprächig war. Sie erzählte unter andern, als ich eben ein Fenſter herunter ließ, wie ſie neulich auch in dieſem Wagen gefahren, und beinahe ſeekrank darin gewor- den wäre, denn eine ihr gegenüberſitzende kränk- liche Dame hätte durchaus nicht zugeben wollen, daß man ein Fenſter öffne. Sie habe ſich aber nicht ab- ſchrecken laſſen, und nach einer Viertelſtunde Zure- dens ſey es ihr auch gelungen, die Dame zu vermö- gen, einen Zoll breit Luft hereinzulaſſen, eine Vier- telſtunde ſpäter einen andern Zoll, dann wieder einen, und ſo habe ſie endlich das ganze Fenſter herunter- manövrirt. Vortrefflich, ſagte ich, das iſt grade die Art, wie Weiber alles zu erlangen wiſſen — erſt ei- nen Zoll, und dann ſo viel als deren zu haben ſind. Ein franzöſiſcher Geiſtlicher erzählt hiervon auch eine ſehr erbauliche Geſchichte. (Der Mann mit der lan- gen Naſe verzog hier ſein Geſicht wie ein Satyr.) Wie verſchieden agiren aber in gleichen Lagen die Männer! fuhr ich fort. Ein engliſcher Schriftſteller in ſeinem Handbuch für Reiſende, empfiehlt: wenn in der mail Jemand darauf beſtehen ſollte, alle Fen- ſter zuzuhalten, ſolle man ſich ja in kein pourparler mit dieſer Perſon einlaſſen, ſondern ſofort, wie durch Ungeſchicklichkeit, ein Fenſter einſchlagen, dann um Brieſe eines Verſtorbenen. I. 19

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/313>, abgerufen am 27.11.2024.