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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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zwar beständig, aber unter Lachen, mit Laune, Witz
und drolligen Worten, ohne Zudringlichkeit, wie ohne
rancune, wenn es nichts erhält. Auffallend ist gewiß,
bei dieser großen Armuth, die eben so große Ehrlich-
keit dieser Menschen -- vielleicht entsteht eben eine
aus der andern -- denn der Luxus macht erst begehr-
lich, und der Arme entbehrt das Nothwendige oft
leichter, als der Reiche das Ueberflüssige.

Wir sahen eine Menge Arbeiter, an der Chaussee
auf den Steinhaufen sitzend, wo sie die Steine zer-
schlugen, und a mesure daß diese Arbeit fortschritt,
erhöhte sich ihr Sitz. Mein Reisegefährte sagte: das
sind Eroberer -- sie zertrümmern nur, und steigen
doch durch Zerstörung. Indem stieß unser Kutscher
in sein Horn, ein Zeichen der Briefpost, dem, wie bei
uns, ausgewichen werden muß; der Ton kam aber
so schwierig heraus, und klang so jämmerlich, daß
alles darüber lachte. Ein hübscher, wie Glück und
Freude aussehender, obgleich fast nackter zwölfjähri-
ger Knabe, der auf einem der Steinhaufen, auch häm-
mernd, saß, jauchzte vor Muthwillen auf, und rief
dem sich vergebens ärgernden Kutscher nach: "Oho
Freund! Eure Trompete muß den Schnupfen bekom-
men haben, sie ist ja so heiser, wie meine alte Groß-
mutter. Curirt sie schnell mit einem Glase Potheen,
oder sie stirbt Euch an der Auszehrung, noch ehe Ihr
Gallway erreicht." Ein schallendes Gelächter aller
Arbeiter folgte als Chorus. "Sehen Sie, das ist
unser Volk", rief mein Begleiter: "Hungern und La-
chen -- das ist ihr Loos. Glauben Sie, daß bei der

zwar beſtändig, aber unter Lachen, mit Laune, Witz
und drolligen Worten, ohne Zudringlichkeit, wie ohne
rancune, wenn es nichts erhält. Auffallend iſt gewiß,
bei dieſer großen Armuth, die eben ſo große Ehrlich-
keit dieſer Menſchen — vielleicht entſteht eben eine
aus der andern — denn der Luxus macht erſt begehr-
lich, und der Arme entbehrt das Nothwendige oft
leichter, als der Reiche das Ueberflüſſige.

Wir ſahen eine Menge Arbeiter, an der Chauſſee
auf den Steinhaufen ſitzend, wo ſie die Steine zer-
ſchlugen, und à mesure daß dieſe Arbeit fortſchritt,
erhöhte ſich ihr Sitz. Mein Reiſegefährte ſagte: das
ſind Eroberer — ſie zertrümmern nur, und ſteigen
doch durch Zerſtörung. Indem ſtieß unſer Kutſcher
in ſein Horn, ein Zeichen der Briefpoſt, dem, wie bei
uns, ausgewichen werden muß; der Ton kam aber
ſo ſchwierig heraus, und klang ſo jämmerlich, daß
alles darüber lachte. Ein hübſcher, wie Glück und
Freude ausſehender, obgleich faſt nackter zwölfjähri-
ger Knabe, der auf einem der Steinhaufen, auch häm-
mernd, ſaß, jauchzte vor Muthwillen auf, und rief
dem ſich vergebens ärgernden Kutſcher nach: „Oho
Freund! Eure Trompete muß den Schnupfen bekom-
men haben, ſie iſt ja ſo heiſer, wie meine alte Groß-
mutter. Curirt ſie ſchnell mit einem Glaſe Potheen,
oder ſie ſtirbt Euch an der Auszehrung, noch ehe Ihr
Gallway erreicht.“ Ein ſchallendes Gelächter aller
Arbeiter folgte als Chorus. „Sehen Sie, das iſt
unſer Volk“, rief mein Begleiter: „Hungern und La-
chen — das iſt ihr Loos. Glauben Sie, daß bei der

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[266/0290] zwar beſtändig, aber unter Lachen, mit Laune, Witz und drolligen Worten, ohne Zudringlichkeit, wie ohne rancune, wenn es nichts erhält. Auffallend iſt gewiß, bei dieſer großen Armuth, die eben ſo große Ehrlich- keit dieſer Menſchen — vielleicht entſteht eben eine aus der andern — denn der Luxus macht erſt begehr- lich, und der Arme entbehrt das Nothwendige oft leichter, als der Reiche das Ueberflüſſige. Wir ſahen eine Menge Arbeiter, an der Chauſſee auf den Steinhaufen ſitzend, wo ſie die Steine zer- ſchlugen, und à mesure daß dieſe Arbeit fortſchritt, erhöhte ſich ihr Sitz. Mein Reiſegefährte ſagte: das ſind Eroberer — ſie zertrümmern nur, und ſteigen doch durch Zerſtörung. Indem ſtieß unſer Kutſcher in ſein Horn, ein Zeichen der Briefpoſt, dem, wie bei uns, ausgewichen werden muß; der Ton kam aber ſo ſchwierig heraus, und klang ſo jämmerlich, daß alles darüber lachte. Ein hübſcher, wie Glück und Freude ausſehender, obgleich faſt nackter zwölfjähri- ger Knabe, der auf einem der Steinhaufen, auch häm- mernd, ſaß, jauchzte vor Muthwillen auf, und rief dem ſich vergebens ärgernden Kutſcher nach: „Oho Freund! Eure Trompete muß den Schnupfen bekom- men haben, ſie iſt ja ſo heiſer, wie meine alte Groß- mutter. Curirt ſie ſchnell mit einem Glaſe Potheen, oder ſie ſtirbt Euch an der Auszehrung, noch ehe Ihr Gallway erreicht.“ Ein ſchallendes Gelächter aller Arbeiter folgte als Chorus. „Sehen Sie, das iſt unſer Volk“, rief mein Begleiter: „Hungern und La- chen — das iſt ihr Loos. Glauben Sie, daß bei der

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/290>, abgerufen am 25.11.2024.