Ich fürchtete mich vor Capua's Verweichlichung, und vor Afrikanischer Sclaverei. J'aime a effleurer les choses, mais pas les approfondir. Ich bin also, wichtige Nachrichten vorschützend, geflohen. Daß ich nicht ohne Rührung von so herzlichen Freunden, von so reizenden Freundinnen, mich losreißen konnte, magst Du Dir wohl denken, es geschah aber mit Standhaftigkeit. Da ich auf die Postpferde, die aus der nahen Stadt erst geholt werden mußten, nicht warten mochte, so ritt ich mit James, der mich, glaube ich, recht vergnügt begleitete, zum letztenmal, auf dem Doctor, seinem vortrefflichen Jagdpferde, nach Tuam, meinem Kammerdiener die Sorge für alles Uebrige überlassend. In Tuam wollte ich mit der Mail weiter reisen, es war aber nicht ihr Tag, und kein andres Fuhrwerk nach Gallway zu bekom- men, als die ordinaire Briefpost, ein bloßer auf zwei Rädern stehender, offner Karren, mit einem Pferde bespannt, und Platz für zwei Passagiere, außer dem Kutscher. Ich besann mich nicht lange, sondern sprang, James zum letztenmal die Hand drückend, herzhaft in das gebrechliche Vehikel, und clopin clopant rasselte der alte Gaul damit über die Straße. Der andere Passagier war ein junger, rüstiger Mann, in ziem- lich eleganter Kleidung, mit dem ich bald in eine in- teressante Unterhaltung, über die Sehenswürdigkeiten seines Vaterlandes, und den Charakter seiner Lands- leute, gerieth. Von der Herzlichkeit und Dienstfertig- keit dieser, gab er mir sogleich selbst einen Beweis. Ich war sehr leicht angezogen, dabei warm vom Rei-
Ich fürchtete mich vor Capua’s Verweichlichung, und vor Afrikaniſcher Sclaverei. J’aime à effleurer les choses, mais pas les approfondir. Ich bin alſo, wichtige Nachrichten vorſchützend, geflohen. Daß ich nicht ohne Rührung von ſo herzlichen Freunden, von ſo reizenden Freundinnen, mich losreißen konnte, magſt Du Dir wohl denken, es geſchah aber mit Standhaftigkeit. Da ich auf die Poſtpferde, die aus der nahen Stadt erſt geholt werden mußten, nicht warten mochte, ſo ritt ich mit James, der mich, glaube ich, recht vergnügt begleitete, zum letztenmal, auf dem Doctor, ſeinem vortrefflichen Jagdpferde, nach Tuam, meinem Kammerdiener die Sorge für alles Uebrige überlaſſend. In Tuam wollte ich mit der Mail weiter reiſen, es war aber nicht ihr Tag, und kein andres Fuhrwerk nach Gallway zu bekom- men, als die ordinaire Briefpoſt, ein bloßer auf zwei Rädern ſtehender, offner Karren, mit einem Pferde beſpannt, und Platz für zwei Paſſagiere, außer dem Kutſcher. Ich beſann mich nicht lange, ſondern ſprang, James zum letztenmal die Hand drückend, herzhaft in das gebrechliche Vehikel, und clopin clopant raſſelte der alte Gaul damit über die Straße. Der andere Paſſagier war ein junger, rüſtiger Mann, in ziem- lich eleganter Kleidung, mit dem ich bald in eine in- tereſſante Unterhaltung, über die Sehenswürdigkeiten ſeines Vaterlandes, und den Charakter ſeiner Lands- leute, gerieth. Von der Herzlichkeit und Dienſtfertig- keit dieſer, gab er mir ſogleich ſelbſt einen Beweis. Ich war ſehr leicht angezogen, dabei warm vom Rei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0288"n="264"/>
Ich fürchtete mich vor Capua’s Verweichlichung, und<lb/>
vor Afrikaniſcher Sclaverei. <hirendition="#aq">J’aime à effleurer les<lb/>
choses, mais pas les approfondir</hi>. Ich bin alſo,<lb/>
wichtige Nachrichten vorſchützend, <hirendition="#g">geflohen</hi>. Daß<lb/>
ich nicht ohne Rührung von ſo herzlichen Freunden,<lb/>
von ſo reizenden Freundinnen, mich losreißen konnte,<lb/>
magſt Du Dir wohl denken, es geſchah aber mit<lb/>
Standhaftigkeit. Da ich auf die Poſtpferde, die aus<lb/>
der nahen Stadt erſt geholt werden mußten, nicht<lb/>
warten mochte, ſo ritt ich mit James, der mich,<lb/>
glaube ich, recht vergnügt begleitete, zum letztenmal,<lb/>
auf dem Doctor, ſeinem vortrefflichen Jagdpferde,<lb/>
nach Tuam, meinem Kammerdiener die Sorge für<lb/>
alles Uebrige überlaſſend. In Tuam wollte ich mit<lb/>
der Mail weiter reiſen, es war aber nicht ihr Tag,<lb/>
und kein andres Fuhrwerk nach Gallway zu bekom-<lb/>
men, als die ordinaire Briefpoſt, ein bloßer auf zwei<lb/>
Rädern ſtehender, offner Karren, mit einem Pferde<lb/>
beſpannt, und Platz für zwei Paſſagiere, außer dem<lb/>
Kutſcher. Ich beſann mich nicht lange, ſondern ſprang,<lb/>
James zum letztenmal die Hand drückend, herzhaft in<lb/>
das gebrechliche Vehikel, und <hirendition="#aq">clopin clopant</hi> raſſelte<lb/>
der alte Gaul damit über die Straße. Der andere<lb/>
Paſſagier war ein junger, rüſtiger Mann, in ziem-<lb/>
lich eleganter Kleidung, mit dem ich bald in eine in-<lb/>
tereſſante Unterhaltung, über die Sehenswürdigkeiten<lb/>ſeines Vaterlandes, und den Charakter ſeiner Lands-<lb/>
leute, gerieth. Von der Herzlichkeit und Dienſtfertig-<lb/>
keit dieſer, gab er mir ſogleich ſelbſt einen Beweis.<lb/>
Ich war ſehr leicht angezogen, dabei warm vom Rei-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[264/0288]
Ich fürchtete mich vor Capua’s Verweichlichung, und
vor Afrikaniſcher Sclaverei. J’aime à effleurer les
choses, mais pas les approfondir. Ich bin alſo,
wichtige Nachrichten vorſchützend, geflohen. Daß
ich nicht ohne Rührung von ſo herzlichen Freunden,
von ſo reizenden Freundinnen, mich losreißen konnte,
magſt Du Dir wohl denken, es geſchah aber mit
Standhaftigkeit. Da ich auf die Poſtpferde, die aus
der nahen Stadt erſt geholt werden mußten, nicht
warten mochte, ſo ritt ich mit James, der mich,
glaube ich, recht vergnügt begleitete, zum letztenmal,
auf dem Doctor, ſeinem vortrefflichen Jagdpferde,
nach Tuam, meinem Kammerdiener die Sorge für
alles Uebrige überlaſſend. In Tuam wollte ich mit
der Mail weiter reiſen, es war aber nicht ihr Tag,
und kein andres Fuhrwerk nach Gallway zu bekom-
men, als die ordinaire Briefpoſt, ein bloßer auf zwei
Rädern ſtehender, offner Karren, mit einem Pferde
beſpannt, und Platz für zwei Paſſagiere, außer dem
Kutſcher. Ich beſann mich nicht lange, ſondern ſprang,
James zum letztenmal die Hand drückend, herzhaft in
das gebrechliche Vehikel, und clopin clopant raſſelte
der alte Gaul damit über die Straße. Der andere
Paſſagier war ein junger, rüſtiger Mann, in ziem-
lich eleganter Kleidung, mit dem ich bald in eine in-
tereſſante Unterhaltung, über die Sehenswürdigkeiten
ſeines Vaterlandes, und den Charakter ſeiner Lands-
leute, gerieth. Von der Herzlichkeit und Dienſtfertig-
keit dieſer, gab er mir ſogleich ſelbſt einen Beweis.
Ich war ſehr leicht angezogen, dabei warm vom Rei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/288>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.