hielten eine derbe Merkuriale, und fuhren dann mit Kitty ab, so daß Alles pünktlich eintraf, wie die Alte es, der Himmel weiß, auf welche Weise, in den Linien der Hand gelesen.
Den 15ten.
Ich war gestern ein wenig hypochondrisch, meine Seele war matt -- mais j'ai pris medecine, elle a operee, und die Seele ist wieder kurirt worden. Ich bin von neuem heiter und daher von viel men- schenfreundlicheren Gesinnungen, tugendhaft über- dies, feute d'occasion de pecher, und lustig, indem ich über mich selbst lache, faute de trouver quelque chose de plas ridicule.
Unterdessen hat sich die Scene hier geändert. Die schöne Afrikanerin ist angekommen -- und wir haben schon einen gemeinschaftlichen Spazierritt, zehn Per- sonen stark, unternommen, wobei uns der alte Hauptmann seine Bruchkulturen und Bewässe- rungen, mit der Liebhaberei eines Jünglings, zeigte. Er war von seinen Kartoffelbeeten nicht we- niger entzückt, als ich von meiner Begleiterin. In der trostlosesten Gegend auf ein gut wachsendes Knollenfeld hinweisend, rief er mit Enthusiasmus: Ist das nicht ein prachtvoller Anblick? und gewiß kam es ihm nicht in den Sinn, daß wir an andere Dinge denken könnten, und ihm nur aus Höflichkeit
hielten eine derbe Merkuriale, und fuhren dann mit Kitty ab, ſo daß Alles pünktlich eintraf, wie die Alte es, der Himmel weiß, auf welche Weiſe, in den Linien der Hand geleſen.
Den 15ten.
Ich war geſtern ein wenig hypochondriſch, meine Seele war matt — mais j’ai pris medecine, elle a operée, und die Seele iſt wieder kurirt worden. Ich bin von neuem heiter und daher von viel men- ſchenfreundlicheren Geſinnungen, tugendhaft über- dies, feute d’occasion de pêcher, und luſtig, indem ich über mich ſelbſt lache, faute de trouver quelque chose de plas ridicule.
Unterdeſſen hat ſich die Scene hier geändert. Die ſchöne Afrikanerin iſt angekommen — und wir haben ſchon einen gemeinſchaftlichen Spazierritt, zehn Per- ſonen ſtark, unternommen, wobei uns der alte Hauptmann ſeine Bruchkulturen und Bewäſſe- rungen, mit der Liebhaberei eines Jünglings, zeigte. Er war von ſeinen Kartoffelbeeten nicht we- niger entzückt, als ich von meiner Begleiterin. In der troſtloſeſten Gegend auf ein gut wachſendes Knollenfeld hinweiſend, rief er mit Enthuſiasmus: Iſt das nicht ein prachtvoller Anblick? und gewiß kam es ihm nicht in den Sinn, daß wir an andere Dinge denken könnten, und ihm nur aus Höflichkeit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0277"n="253"/>
hielten eine derbe Merkuriale, und fuhren dann mit<lb/>
Kitty ab, ſo daß Alles pünktlich eintraf, wie die<lb/>
Alte es, der Himmel weiß, auf welche Weiſe, in den<lb/>
Linien der Hand geleſen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 15<hirendition="#sup">ten.</hi></hi></dateline></opener><lb/><p>Ich war geſtern ein wenig hypochondriſch, meine<lb/>
Seele war matt —<hirendition="#aq">mais j’ai pris medecine, elle<lb/>
a operée,</hi> und die Seele iſt wieder kurirt worden.<lb/>
Ich bin von neuem heiter und daher von viel men-<lb/>ſchenfreundlicheren Geſinnungen, tugendhaft über-<lb/>
dies, <hirendition="#aq">feute d’occasion de pêcher,</hi> und luſtig, indem<lb/>
ich über mich ſelbſt lache, <hirendition="#aq">faute de trouver quelque<lb/>
chose de plas ridicule</hi>.</p><lb/><p>Unterdeſſen hat ſich die Scene hier geändert. Die<lb/>ſchöne Afrikanerin iſt angekommen — und wir haben<lb/>ſchon einen gemeinſchaftlichen Spazierritt, zehn Per-<lb/>ſonen ſtark, unternommen, wobei uns der alte<lb/>
Hauptmann ſeine <hirendition="#g">Bruchkulturen</hi> und <hirendition="#g"><choice><sic>Bewȧſſe</sic><corr>Bewäſſe</corr></choice>-<lb/>
rungen</hi>, mit der Liebhaberei eines Jünglings,<lb/>
zeigte. Er war von ſeinen Kartoffelbeeten nicht we-<lb/>
niger entzückt, als ich von meiner Begleiterin. In<lb/>
der troſtloſeſten Gegend auf ein gut wachſendes<lb/>
Knollenfeld hinweiſend, rief er mit Enthuſiasmus:<lb/>
Iſt das nicht ein prachtvoller Anblick? und gewiß<lb/>
kam es ihm nicht in den Sinn, daß wir an andere<lb/>
Dinge denken könnten, und ihm nur aus Höflichkeit<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[253/0277]
hielten eine derbe Merkuriale, und fuhren dann mit
Kitty ab, ſo daß Alles pünktlich eintraf, wie die
Alte es, der Himmel weiß, auf welche Weiſe, in den
Linien der Hand geleſen.
Den 15ten.
Ich war geſtern ein wenig hypochondriſch, meine
Seele war matt — mais j’ai pris medecine, elle
a operée, und die Seele iſt wieder kurirt worden.
Ich bin von neuem heiter und daher von viel men-
ſchenfreundlicheren Geſinnungen, tugendhaft über-
dies, feute d’occasion de pêcher, und luſtig, indem
ich über mich ſelbſt lache, faute de trouver quelque
chose de plas ridicule.
Unterdeſſen hat ſich die Scene hier geändert. Die
ſchöne Afrikanerin iſt angekommen — und wir haben
ſchon einen gemeinſchaftlichen Spazierritt, zehn Per-
ſonen ſtark, unternommen, wobei uns der alte
Hauptmann ſeine Bruchkulturen und Bewäſſe-
rungen, mit der Liebhaberei eines Jünglings,
zeigte. Er war von ſeinen Kartoffelbeeten nicht we-
niger entzückt, als ich von meiner Begleiterin. In
der troſtloſeſten Gegend auf ein gut wachſendes
Knollenfeld hinweiſend, rief er mit Enthuſiasmus:
Iſt das nicht ein prachtvoller Anblick? und gewiß
kam es ihm nicht in den Sinn, daß wir an andere
Dinge denken könnten, und ihm nur aus Höflichkeit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/277>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.