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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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nen. Am Ende des Thales wendet sich der Pfad,
über Wiesen, nach einer bedeutenden Anhöhe, vor der
eine der überraschendsten Aussichten sich erschließt.
Fast mit Heimwehgefühlen erblickte ich hier wieder,
im blauen Duft über dem Meer, die Berge von
Wales.

Nachdem ich mich in einem ländlichen Gasthofe ein
wenig mit Milch und Brod erfrischt, setzte ich meinen
Weg nach the devil's glen, (der Teufelsschlucht) fort,
die ihren Namen mit Recht trägt. Die wilde Natur-
scene beginnt mit einem gothischen Schloß, dessen von
Rauch geschwärzte Mauern aus dem Walde hervor-
ragen, dann vertieft man sich seitwärts in ein Thal,
dessen Wände nach und nach immer höher werden,
sich immer dichter zusammenziehen, während im dunk-
len Dickicht der pfeifende Luftzug heftiger, und das
Brausen des Stroms immer furchtbarer wird. Müh-
sam auf dem schlüpfrigen Boden fortreitend, und un-
aufhörlich von den überhängenden Aesten belästigt
sieht man plötzlich den Weg durch eine prachtvolle
Cascade geschlossen, die, gleich einem weißen Unge-
heuer, über hohe Absätze sich niederstürzt, und in der
Tiefe wühlend verschwindet. Ist es nicht der Teufel
selbst, so ist es wenigstens Kühleborn.

Zu einer sehr angenehmen Abwechselung dient es,
daß auf diese schauervolle Schlucht das liebliche idylli-
sche Thal von Rosanna folgt, wo ich unter dem
Schatten hoher Eschen mein Mittagsmahl einnahm.
Ich fand noch zwei regulaire englische Touristen hier,

nen. Am Ende des Thales wendet ſich der Pfad,
über Wieſen, nach einer bedeutenden Anhöhe, vor der
eine der überraſchendſten Ausſichten ſich erſchließt.
Faſt mit Heimwehgefühlen erblickte ich hier wieder,
im blauen Duft über dem Meer, die Berge von
Wales.

Nachdem ich mich in einem ländlichen Gaſthofe ein
wenig mit Milch und Brod erfriſcht, ſetzte ich meinen
Weg nach the devil’s glen, (der Teufelsſchlucht) fort,
die ihren Namen mit Recht trägt. Die wilde Natur-
ſcene beginnt mit einem gothiſchen Schloß, deſſen von
Rauch geſchwärzte Mauern aus dem Walde hervor-
ragen, dann vertieft man ſich ſeitwärts in ein Thal,
deſſen Wände nach und nach immer höher werden,
ſich immer dichter zuſammenziehen, während im dunk-
len Dickicht der pfeifende Luftzug heftiger, und das
Brauſen des Stroms immer furchtbarer wird. Müh-
ſam auf dem ſchlüpfrigen Boden fortreitend, und un-
aufhörlich von den überhängenden Aeſten beläſtigt
ſieht man plötzlich den Weg durch eine prachtvolle
Cascade geſchloſſen, die, gleich einem weißen Unge-
heuer, über hohe Abſätze ſich niederſtürzt, und in der
Tiefe wühlend verſchwindet. Iſt es nicht der Teufel
ſelbſt, ſo iſt es wenigſtens Kühleborn.

Zu einer ſehr angenehmen Abwechſelung dient es,
daß auf dieſe ſchauervolle Schlucht das liebliche idylli-
ſche Thal von Roſanna folgt, wo ich unter dem
Schatten hoher Eſchen mein Mittagsmahl einnahm.
Ich fand noch zwei regulaire engliſche Touriſten hier,

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[180/0204] nen. Am Ende des Thales wendet ſich der Pfad, über Wieſen, nach einer bedeutenden Anhöhe, vor der eine der überraſchendſten Ausſichten ſich erſchließt. Faſt mit Heimwehgefühlen erblickte ich hier wieder, im blauen Duft über dem Meer, die Berge von Wales. Nachdem ich mich in einem ländlichen Gaſthofe ein wenig mit Milch und Brod erfriſcht, ſetzte ich meinen Weg nach the devil’s glen, (der Teufelsſchlucht) fort, die ihren Namen mit Recht trägt. Die wilde Natur- ſcene beginnt mit einem gothiſchen Schloß, deſſen von Rauch geſchwärzte Mauern aus dem Walde hervor- ragen, dann vertieft man ſich ſeitwärts in ein Thal, deſſen Wände nach und nach immer höher werden, ſich immer dichter zuſammenziehen, während im dunk- len Dickicht der pfeifende Luftzug heftiger, und das Brauſen des Stroms immer furchtbarer wird. Müh- ſam auf dem ſchlüpfrigen Boden fortreitend, und un- aufhörlich von den überhängenden Aeſten beläſtigt ſieht man plötzlich den Weg durch eine prachtvolle Cascade geſchloſſen, die, gleich einem weißen Unge- heuer, über hohe Abſätze ſich niederſtürzt, und in der Tiefe wühlend verſchwindet. Iſt es nicht der Teufel ſelbſt, ſo iſt es wenigſtens Kühleborn. Zu einer ſehr angenehmen Abwechſelung dient es, daß auf dieſe ſchauervolle Schlucht das liebliche idylli- ſche Thal von Roſanna folgt, wo ich unter dem Schatten hoher Eſchen mein Mittagsmahl einnahm. Ich fand noch zwei regulaire engliſche Touriſten hier,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/204>, abgerufen am 23.11.2024.