deren Sitten weder exclusive noch ausländisch sind, sondern die in einer civilisirten und durch Reichthum verschönten Häuslichkeit ihren Genuß, in strenger Rechtlichkeit ihre Würde finden -- bilden die wahr- haft respektabelste Classe der Engländer. In der gro- ßen Welt Londons spielen sie zwar nur eine unbe- deutende, in der Menschheit aber gewiß eine ehrwür- dige Rolle. Leider ist jedoch in England die Ueber- macht und Arroganz der Aristokratie, und über dieser noch die der Mode, so herrschend und gewaltig, daß selbst solche Familien wie die hier geschilderten, wenn sie mein Lob läsen, sich wahrscheinlich weniger da- durch geschmeichelt fühlen würden, als wenn ich sie unter denen, die den Ton angeben, aufführen könnte. Wie weit hierin die Schwäche bei den würdigsten Leuten in England geht, kann man kaum glauben, ohne es erfahren und alle Classen der Gesellschaft davon auf die lächerlichste Weise angesteckt gesehen zu haben. Doch ich habe Dir aus dem Foyer der europäischen Aristokratie über dieses Capitel genug geschrieben, und will mich daher hier nicht wiederho- len. Ueberhaupt ist es wohl Zeit diesen Brief zu schließen, da ich ohnedem fürchte, unsre Correspon- denz könnte Dir am Ende zu lang vorkommen -- denn wenn auch das Herz nicht ermüdet, der Kopf macht andere Ansprüche. Indessen weiß ich, wie weit ich Deiner Nachsicht in dieser Hinsicht zumuthen darf. --
Dein ewig treu ergebener L . .
deren Sitten weder exclusive noch ausländiſch ſind, ſondern die in einer civiliſirten und durch Reichthum verſchönten Häuslichkeit ihren Genuß, in ſtrenger Rechtlichkeit ihre Würde finden — bilden die wahr- haft reſpektabelſte Claſſe der Engländer. In der gro- ßen Welt Londons ſpielen ſie zwar nur eine unbe- deutende, in der Menſchheit aber gewiß eine ehrwür- dige Rolle. Leider iſt jedoch in England die Ueber- macht und Arroganz der Ariſtokratie, und über dieſer noch die der Mode, ſo herrſchend und gewaltig, daß ſelbſt ſolche Familien wie die hier geſchilderten, wenn ſie mein Lob läſen, ſich wahrſcheinlich weniger da- durch geſchmeichelt fühlen würden, als wenn ich ſie unter denen, die den Ton angeben, aufführen könnte. Wie weit hierin die Schwäche bei den würdigſten Leuten in England geht, kann man kaum glauben, ohne es erfahren und alle Claſſen der Geſellſchaft davon auf die lächerlichſte Weiſe angeſteckt geſehen zu haben. Doch ich habe Dir aus dem Foyer der europäiſchen Ariſtokratie über dieſes Capitel genug geſchrieben, und will mich daher hier nicht wiederho- len. Ueberhaupt iſt es wohl Zeit dieſen Brief zu ſchließen, da ich ohnedem fürchte, unſre Correſpon- denz könnte Dir am Ende zu lang vorkommen — denn wenn auch das Herz nicht ermüdet, der Kopf macht andere Anſprüche. Indeſſen weiß ich, wie weit ich Deiner Nachſicht in dieſer Hinſicht zumuthen darf. —
Dein ewig treu ergebener L . .
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deren Sitten weder exclusive noch ausländiſch ſind,
ſondern die in einer civiliſirten und durch Reichthum
verſchönten Häuslichkeit ihren Genuß, in ſtrenger
Rechtlichkeit ihre Würde finden — bilden die wahr-
haft reſpektabelſte Claſſe der Engländer. In der gro-
ßen Welt Londons ſpielen ſie zwar nur eine unbe-
deutende, in der Menſchheit aber gewiß eine ehrwür-
dige Rolle. Leider iſt jedoch in England die Ueber-
macht und Arroganz der Ariſtokratie, und über dieſer
noch die der Mode, ſo herrſchend und gewaltig, daß
ſelbſt ſolche Familien wie die hier geſchilderten, wenn
ſie mein Lob läſen, ſich wahrſcheinlich weniger da-
durch geſchmeichelt fühlen würden, als wenn ich ſie
unter denen, die den Ton angeben, aufführen könnte.
Wie weit hierin die Schwäche bei den würdigſten
Leuten in England geht, kann man kaum glauben,
ohne es erfahren und alle Claſſen der Geſellſchaft
davon auf die lächerlichſte Weiſe angeſteckt geſehen
zu haben. Doch ich habe Dir aus dem Foyer der
europäiſchen Ariſtokratie über dieſes Capitel genug
geſchrieben, und will mich daher hier nicht wiederho-
len. Ueberhaupt iſt es wohl Zeit dieſen Brief zu
ſchließen, da ich ohnedem fürchte, unſre Correſpon-
denz könnte Dir am Ende zu lang vorkommen —
denn wenn auch das Herz nicht ermüdet, der Kopf
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/161>, abgerufen am 24.11.2024.
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