unermeßliche Ocean alle Geheimnisse seiner nie ergrün- deten Tiefe mit schäumenden Wasserbergen zu. Die Küste endet für das Auge in geringer Ferne mit ei- nem kühnen Felsenvorsprung, auf dem die Ruine des alten Schlosses Harlech mit fünf verfallenen Thürmen über die Fluthen hinaushängt. Vorn, am Ende des Dammes, öffnet sich dagegen ein freundlich stilles Thal, unter hohen Bergen gelagert, mit einem kleinen aber belebten Hafen, neben welchem Trema- doc sich an die Felsen schmiegt.
Uebrigens würdest Du, Herzens-Julie, Dich schwer- lich entschließen können, über diesen Damm zu fah- ren, da seine Beschaffenheit sich eigentlich nur für Fußgänger eignet. Er ist, wie schon erwähnt, 20 Fuß hoch aus roh übereinander gethürmten, spitzen und kantigen Schieferblöcken steil aufgeführt, und oben nur 4 Ellen breit, ohne irgend etwas das einer Lehne ähnlich sähe. Mit Wuth stürmt auf der einen Seite die Brandung gegen ihn, und scheuten davor die Pferde, so stürzte man ohnfehlbar in die gleich Piken aufgerichteten Schieferspitzen. Die Bergpferde allein können solche Pfade sicher passiren, da sie die Gefahr zu beurtheilen scheinen, und mit ihr vertraut sind. Demohngeachtet sieht man hier selten einen Wagen; nur eine Eisenbahn für Steinkarren führt über den Damm, welche das Fahren mit anderm Fuhrwerk noch bedeutend erschwert.
Tremadoc selbst steht auf früher durch eine gleiche Operation gewonnenem Meeresgrund. Es ist auffal- lend, wie ähnlich dieser, erst seit einigen Jahrhunder-
unermeßliche Ocean alle Geheimniſſe ſeiner nie ergrün- deten Tiefe mit ſchäumenden Waſſerbergen zu. Die Küſte endet für das Auge in geringer Ferne mit ei- nem kühnen Felſenvorſprung, auf dem die Ruine des alten Schloſſes Harlech mit fünf verfallenen Thürmen über die Fluthen hinaushängt. Vorn, am Ende des Dammes, öffnet ſich dagegen ein freundlich ſtilles Thal, unter hohen Bergen gelagert, mit einem kleinen aber belebten Hafen, neben welchem Trema- doc ſich an die Felſen ſchmiegt.
Uebrigens würdeſt Du, Herzens-Julie, Dich ſchwer- lich entſchließen können, über dieſen Damm zu fah- ren, da ſeine Beſchaffenheit ſich eigentlich nur für Fußgänger eignet. Er iſt, wie ſchon erwähnt, 20 Fuß hoch aus roh übereinander gethürmten, ſpitzen und kantigen Schieferblöcken ſteil aufgeführt, und oben nur 4 Ellen breit, ohne irgend etwas das einer Lehne ähnlich ſähe. Mit Wuth ſtürmt auf der einen Seite die Brandung gegen ihn, und ſcheuten davor die Pferde, ſo ſtürzte man ohnfehlbar in die gleich Piken aufgerichteten Schieferſpitzen. Die Bergpferde allein können ſolche Pfade ſicher paſſiren, da ſie die Gefahr zu beurtheilen ſcheinen, und mit ihr vertraut ſind. Demohngeachtet ſieht man hier ſelten einen Wagen; nur eine Eiſenbahn für Steinkarren führt über den Damm, welche das Fahren mit anderm Fuhrwerk noch bedeutend erſchwert.
Tremadoc ſelbſt ſteht auf früher durch eine gleiche Operation gewonnenem Meeresgrund. Es iſt auffal- lend, wie ähnlich dieſer, erſt ſeit einigen Jahrhunder-
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unermeßliche Ocean alle Geheimniſſe ſeiner nie ergrün-
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Küſte endet für das Auge in geringer Ferne mit ei-
nem kühnen Felſenvorſprung, auf dem die Ruine
des alten Schloſſes Harlech mit fünf verfallenen
Thürmen über die Fluthen hinaushängt. Vorn, am
Ende des Dammes, öffnet ſich dagegen ein freundlich
ſtilles Thal, unter hohen Bergen gelagert, mit einem
kleinen aber belebten Hafen, neben welchem Trema-
doc ſich an die Felſen ſchmiegt.
Uebrigens würdeſt Du, Herzens-Julie, Dich ſchwer-
lich entſchließen können, über dieſen Damm zu fah-
ren, da ſeine Beſchaffenheit ſich eigentlich nur für
Fußgänger eignet. Er iſt, wie ſchon erwähnt, 20
Fuß hoch aus roh übereinander gethürmten, ſpitzen
und kantigen Schieferblöcken ſteil aufgeführt, und
oben nur 4 Ellen breit, ohne irgend etwas das einer
Lehne ähnlich ſähe. Mit Wuth ſtürmt auf der einen
Seite die Brandung gegen ihn, und ſcheuten davor
die Pferde, ſo ſtürzte man ohnfehlbar in die gleich
Piken aufgerichteten Schieferſpitzen. Die Bergpferde
allein können ſolche Pfade ſicher paſſiren, da ſie die
Gefahr zu beurtheilen ſcheinen, und mit ihr vertraut
ſind. Demohngeachtet ſieht man hier ſelten einen
Wagen; nur eine Eiſenbahn für Steinkarren führt
über den Damm, welche das Fahren mit anderm
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Tremadoc ſelbſt ſteht auf früher durch eine gleiche
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/149>, abgerufen am 22.11.2024.
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