am Tage gebaut war, fand man in der Nacht wie- der in die Erde gesunken -- nie erlaubte, damals und seitdem, der neidische Zauberer, durch fremde Behausung seinen Wohnplatz zu entweihen.
Die Sonne scheint wieder, denn hier dauert der April das ganze Jahr, et je pars. Adieu.
Caernarvon, den 30sten.
Während meines Diner's in Bethgellert hatte ich den Harfner fleißig aufspielen lassen, und mich, wie ein Kind, mit seinem Hunde amüsirt, dem das Stehen auf zwei Beinen so zur andern Natur gewor- den war, daß er noch besser wie der gerupfte Hahn, als Platonischer Mensch hätte figuriren können. Die vollkommene Aisance seiner Stellung und sein ern- stes Gesicht dabei, hatten etwas so Lächerliches, daß man ihm nur in Gedanken einen Unterrock überzu- ziehen und eine Tabacksdose in die Pfote zu geben gebraucht hätte, um darauf zu schwören, es sey eine alte blinde Dame. Wie dieser Hund dem heroischen Gellert, so mögen auch die modernen Welschen den alten gleichen. Ohne die Energie und Betriebsam- keit der Engländer, noch weniger von dem Feuer der Irländer beseelt, vegetiren sie arm und im Ver- borgnen zwischen Beiden. Die Einfachheit der Berge aber ist ihnen geblieben, und sie sind weder so grob, noch prellen sie so unverschämt wie die Schweizer. Point d'argent, point de Suisse ist hier noch nicht
am Tage gebaut war, fand man in der Nacht wie- der in die Erde geſunken — nie erlaubte, damals und ſeitdem, der neidiſche Zauberer, durch fremde Behauſung ſeinen Wohnplatz zu entweihen.
Die Sonne ſcheint wieder, denn hier dauert der April das ganze Jahr, et je pars. Adieu.
Caernarvon, den 30ſten.
Während meines Diner’s in Bethgellert hatte ich den Harfner fleißig aufſpielen laſſen, und mich, wie ein Kind, mit ſeinem Hunde amüſirt, dem das Stehen auf zwei Beinen ſo zur andern Natur gewor- den war, daß er noch beſſer wie der gerupfte Hahn, als Platoniſcher Menſch hätte figuriren können. Die vollkommene Aiſance ſeiner Stellung und ſein ern- ſtes Geſicht dabei, hatten etwas ſo Lächerliches, daß man ihm nur in Gedanken einen Unterrock überzu- ziehen und eine Tabacksdoſe in die Pfote zu geben gebraucht hätte, um darauf zu ſchwören, es ſey eine alte blinde Dame. Wie dieſer Hund dem heroiſchen Gellert, ſo mögen auch die modernen Welſchen den alten gleichen. Ohne die Energie und Betriebſam- keit der Engländer, noch weniger von dem Feuer der Irländer beſeelt, vegetiren ſie arm und im Ver- borgnen zwiſchen Beiden. Die Einfachheit der Berge aber iſt ihnen geblieben, und ſie ſind weder ſo grob, noch prellen ſie ſo unverſchämt wie die Schweizer. Point d’argent, point de Suisse iſt hier noch nicht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0146"n="122"/>
am Tage gebaut war, fand man in der Nacht wie-<lb/>
der in die Erde geſunken — nie erlaubte, damals<lb/>
und ſeitdem, der neidiſche Zauberer, durch fremde<lb/>
Behauſung ſeinen Wohnplatz zu entweihen.</p><lb/><p>Die Sonne ſcheint wieder, denn hier dauert der<lb/>
April das ganze Jahr, <hirendition="#aq">et je pars. Adieu</hi>.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Caernarvon, den 30<hirendition="#sup">ſten</hi>.</hi></dateline></opener><lb/><p>Während meines Diner’s in Bethgellert hatte ich<lb/>
den Harfner fleißig aufſpielen laſſen, und mich, wie<lb/>
ein Kind, mit ſeinem Hunde amüſirt, dem das<lb/>
Stehen auf zwei Beinen ſo zur andern Natur gewor-<lb/>
den war, daß er noch beſſer wie der gerupfte Hahn,<lb/>
als Platoniſcher Menſch hätte figuriren können. Die<lb/>
vollkommene Aiſance ſeiner Stellung und ſein ern-<lb/>ſtes Geſicht dabei, hatten etwas ſo Lächerliches, daß<lb/>
man ihm nur in Gedanken einen Unterrock überzu-<lb/>
ziehen und eine Tabacksdoſe in die Pfote zu geben<lb/>
gebraucht hätte, um darauf zu ſchwören, es ſey eine<lb/>
alte blinde Dame. Wie dieſer Hund dem heroiſchen<lb/>
Gellert, ſo mögen auch die modernen Welſchen den<lb/>
alten gleichen. Ohne die Energie und Betriebſam-<lb/>
keit der Engländer, noch weniger von dem Feuer<lb/>
der Irländer beſeelt, vegetiren ſie arm und im Ver-<lb/>
borgnen zwiſchen Beiden. Die Einfachheit der Berge<lb/>
aber iſt ihnen geblieben, und ſie ſind weder ſo grob,<lb/>
noch prellen ſie ſo unverſchämt wie die Schweizer.<lb/><hirendition="#aq">Point d’argent, point de Suisse</hi> iſt hier noch nicht<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[122/0146]
am Tage gebaut war, fand man in der Nacht wie-
der in die Erde geſunken — nie erlaubte, damals
und ſeitdem, der neidiſche Zauberer, durch fremde
Behauſung ſeinen Wohnplatz zu entweihen.
Die Sonne ſcheint wieder, denn hier dauert der
April das ganze Jahr, et je pars. Adieu.
Caernarvon, den 30ſten.
Während meines Diner’s in Bethgellert hatte ich
den Harfner fleißig aufſpielen laſſen, und mich, wie
ein Kind, mit ſeinem Hunde amüſirt, dem das
Stehen auf zwei Beinen ſo zur andern Natur gewor-
den war, daß er noch beſſer wie der gerupfte Hahn,
als Platoniſcher Menſch hätte figuriren können. Die
vollkommene Aiſance ſeiner Stellung und ſein ern-
ſtes Geſicht dabei, hatten etwas ſo Lächerliches, daß
man ihm nur in Gedanken einen Unterrock überzu-
ziehen und eine Tabacksdoſe in die Pfote zu geben
gebraucht hätte, um darauf zu ſchwören, es ſey eine
alte blinde Dame. Wie dieſer Hund dem heroiſchen
Gellert, ſo mögen auch die modernen Welſchen den
alten gleichen. Ohne die Energie und Betriebſam-
keit der Engländer, noch weniger von dem Feuer
der Irländer beſeelt, vegetiren ſie arm und im Ver-
borgnen zwiſchen Beiden. Die Einfachheit der Berge
aber iſt ihnen geblieben, und ſie ſind weder ſo grob,
noch prellen ſie ſo unverſchämt wie die Schweizer.
Point d’argent, point de Suisse iſt hier noch nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/146>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.