Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.
sind von Jesus erhabener Reinheit entfernter als der In allem diesen muß ich selbst L ... ziemlich bei- Niedrigkeit, öfters mit den englischen Pferdeschwänzen verglichen, die auch immer gen Himmel stehen, bloß weil man ihre Sehnen durchschnitten. *) Man irrt sich sehr, wenn man glaubt, daß hier
blos Stoff zum Lächerlichen, und einiger Indignation der Vernunft vorhanden sey. Der Bund der From- men ist nicht ohne Gefahr für die Freisinnigen. Hier gährt Jesuitenmasse, die unter den Protestanten Gestalt gewinnen will, weil der Katholizismus zu aufgeklärt für sie wird. Dieselben Grundsätze, denen Jene ihre Macht verdankten, leiten auch sie, derselbe esprit de corps herrscht unter ihnen, eine geregelte Organisation bildet sich, und statt der aquetta ge- brauchen sie mit Erfolg den, oft noch zehnmal gifti- geren, bösen Leumund, wie so manches Mittel der Finsterniß, das einer geheimen Verbrüderung unbe- merkt zu gebrauchen leicht ist. Mehr aber wird Deutschland von solchen Heiligen zu leiden haben, als von den Freiheit träumenden Studiosen auf der Wart- burg! ſind von Jeſus erhabener Reinheit entfernter als der In allem dieſen muß ich ſelbſt L … ziemlich bei- Niedrigkeit, öfters mit den engliſchen Pferdeſchwänzen verglichen, die auch immer gen Himmel ſtehen, bloß weil man ihre Sehnen durchſchnitten. *) Man irrt ſich ſehr, wenn man glaubt, daß hier
blos Stoff zum Lächerlichen, und einiger Indignation der Vernunft vorhanden ſey. Der Bund der From- men iſt nicht ohne Gefahr für die Freiſinnigen. Hier gährt Jeſuitenmaſſe, die unter den Proteſtanten Geſtalt gewinnen will, weil der Katholizismus zu aufgeklärt für ſie wird. Dieſelben Grundſätze, denen Jene ihre Macht verdankten, leiten auch ſie, derſelbe esprit de corps herrſcht unter ihnen, eine geregelte Organiſation bildet ſich, und ſtatt der aquetta ge- brauchen ſie mit Erfolg den, oft noch zehnmal gifti- geren, böſen Leumund, wie ſo manches Mittel der Finſterniß, das einer geheimen Verbrüderung unbe- merkt zu gebrauchen leicht iſt. Mehr aber wird Deutſchland von ſolchen Heiligen zu leiden haben, als von den Freiheit träumenden Studioſen auf der Wart- burg! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0125" n="101"/> ſind von Jeſus erhabener Reinheit entfernter als der<lb/> Dalai Lama. <hi rendition="#g">Sie</hi> ſind die wahren Phariſäer, und<lb/> zugleich Händler in der Kirche, die Chriſtus heute<lb/> noch zum Tempel hinausjagen würde, und die, wenn<lb/> er unter andrem Namen wieder erſchiene, zuerſt<lb/> rufen würden: Kreuziget ihn! <note place="foot" n="*)">Man irrt ſich ſehr, wenn man glaubt, daß hier<lb/> blos Stoff zum Lächerlichen, und einiger Indignation<lb/> der Vernunft vorhanden ſey. Der Bund der <hi rendition="#g">From-<lb/> men</hi> iſt nicht ohne Gefahr für die <hi rendition="#g">Freiſinnigen</hi>.<lb/> Hier gährt Jeſuitenmaſſe, die unter den Proteſtanten<lb/> Geſtalt gewinnen will, weil der Katholizismus zu<lb/> aufgeklärt für ſie wird. Dieſelben Grundſätze, denen<lb/> Jene ihre Macht verdankten, leiten auch ſie, derſelbe<lb/><hi rendition="#aq">esprit de corps</hi> herrſcht unter ihnen, eine geregelte<lb/> Organiſation bildet ſich, und ſtatt der <hi rendition="#aq">aquetta</hi> ge-<lb/> brauchen ſie mit Erfolg den, oft noch zehnmal gifti-<lb/> geren, böſen Leumund, wie ſo manches Mittel der<lb/> Finſterniß, das einer geheimen Verbrüderung unbe-<lb/> merkt zu gebrauchen leicht iſt. Mehr aber wird<lb/> Deutſchland von ſolchen Heiligen zu leiden haben, als<lb/> von den Freiheit träumenden Studioſen auf der Wart-<lb/> burg!</note></p><lb/> <p>In allem dieſen muß ich ſelbſt L … ziemlich bei-<lb/> ſtimmen, wenn auch bei dem Gegenſtand der erſten<lb/> Bemerkungen des vorliegenden Briefes jede Anſicht<lb/> nur Hypotheſe bleiben, und in der Wahrheit Alles<lb/> viel anders ſeyn muß, als wir es überhaupt zu er-<lb/> gründen fähig ſind. Hätten wir es wiſſen können<lb/> und ſollen, ſo würde der Schöpfer unſres Daſeyns<lb/><note xml:id="seg2pn_4_2" prev="#seg2pn_4_1" place="foot" n="*)">Niedrigkeit, öfters mit den engliſchen Pferdeſchwänzen<lb/> verglichen, die auch immer gen Himmel ſtehen, bloß<lb/> weil man ihre Sehnen durchſchnitten.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0125]
ſind von Jeſus erhabener Reinheit entfernter als der
Dalai Lama. Sie ſind die wahren Phariſäer, und
zugleich Händler in der Kirche, die Chriſtus heute
noch zum Tempel hinausjagen würde, und die, wenn
er unter andrem Namen wieder erſchiene, zuerſt
rufen würden: Kreuziget ihn! *)
In allem dieſen muß ich ſelbſt L … ziemlich bei-
ſtimmen, wenn auch bei dem Gegenſtand der erſten
Bemerkungen des vorliegenden Briefes jede Anſicht
nur Hypotheſe bleiben, und in der Wahrheit Alles
viel anders ſeyn muß, als wir es überhaupt zu er-
gründen fähig ſind. Hätten wir es wiſſen können
und ſollen, ſo würde der Schöpfer unſres Daſeyns
*)
*) Man irrt ſich ſehr, wenn man glaubt, daß hier
blos Stoff zum Lächerlichen, und einiger Indignation
der Vernunft vorhanden ſey. Der Bund der From-
men iſt nicht ohne Gefahr für die Freiſinnigen.
Hier gährt Jeſuitenmaſſe, die unter den Proteſtanten
Geſtalt gewinnen will, weil der Katholizismus zu
aufgeklärt für ſie wird. Dieſelben Grundſätze, denen
Jene ihre Macht verdankten, leiten auch ſie, derſelbe
esprit de corps herrſcht unter ihnen, eine geregelte
Organiſation bildet ſich, und ſtatt der aquetta ge-
brauchen ſie mit Erfolg den, oft noch zehnmal gifti-
geren, böſen Leumund, wie ſo manches Mittel der
Finſterniß, das einer geheimen Verbrüderung unbe-
merkt zu gebrauchen leicht iſt. Mehr aber wird
Deutſchland von ſolchen Heiligen zu leiden haben, als
von den Freiheit träumenden Studioſen auf der Wart-
burg!
*) Niedrigkeit, öfters mit den engliſchen Pferdeſchwänzen
verglichen, die auch immer gen Himmel ſtehen, bloß
weil man ihre Sehnen durchſchnitten.
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| Zitationshilfe: | Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/125>, abgerufen am 24.11.2024. |
