Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wie wäre es, Herr Graf, wenn Sie ein Gebürge
aus Brettern aufführen, und dasselbe mit blauer
Oelfarbe anstreichen ließen? -- Solches aber, wenn
auch nicht so grell und handgreiflich, geschieht im lie-
ben Vaterlande noch täglich, selbst ohngeachtet des
neuen Berliner Gartenvereins.

Geliebte Julie, willst Du mit mir nach dem Park
des Marquis Anglesea, Plas Newyd, auf Anglesea
fahren? die Phantasie-Pferde sind schnell angespannt.

Wir passiren wieder die Riesenbrücke, folgen eine
kurze Zeit der Chausee nach Irland, und sehen schon
von weitem die Säule emporragen, welche das dank-
bare Vaterland dem General Paget, damals Lord
Uxbridge, jetzt Marquis von Anglesea und Vicekönig
von Irland, statt seinem in Waterloo gelassenen
Beine hier aufgesetzt hat. Eine halbe Stunde weiter
öffnet sich das Parkthor von Plas Newyd. Das
merkwürdigste hier sind einige Cromlech's, deren
eigentliche Bedeutung unbekannt ist, die man aber
für Grabmäler der Druiden hält. Es sind ungeheure
Steine, gewöhnlich nur drei bis vier, die eine Art
rohen Thorweg bilden. Es giebt deren von so kolossa-
ler Größe, daß man kaum begreift, wie man sie ohne
die komplizirtesten mechanischen Hülfsmittel bewegen,
und in solche Höhe hinaufbringen konnte. Der mensch-
lichen hohen Kraft, von unumschränktem Willen oder
Fanatismus angeregt, ist indessen gar Vieles mög-
lich. Las ich doch einst, daß ein Schiffs-Capitaine,
der an den Ufern Japans hinfuhr, über die sich da-
selbst hinziehende Bergkette zwei Junken der größten

Briefe eines Verstorbenen. I. 7

„Wie wäre es, Herr Graf, wenn Sie ein Gebürge
aus Brettern aufführen, und daſſelbe mit blauer
Oelfarbe anſtreichen ließen? — Solches aber, wenn
auch nicht ſo grell und handgreiflich, geſchieht im lie-
ben Vaterlande noch täglich, ſelbſt ohngeachtet des
neuen Berliner Gartenvereins.

Geliebte Julie, willſt Du mit mir nach dem Park
des Marquis Angleſea, Plas Newyd, auf Angleſea
fahren? die Phantaſie-Pferde ſind ſchnell angeſpannt.

Wir paſſiren wieder die Rieſenbrücke, folgen eine
kurze Zeit der Chauſee nach Irland, und ſehen ſchon
von weitem die Säule emporragen, welche das dank-
bare Vaterland dem General Paget, damals Lord
Uxbridge, jetzt Marquis von Angleſea und Vicekönig
von Irland, ſtatt ſeinem in Waterloo gelaſſenen
Beine hier aufgeſetzt hat. Eine halbe Stunde weiter
öffnet ſich das Parkthor von Plas Newyd. Das
merkwürdigſte hier ſind einige Cromlech’s, deren
eigentliche Bedeutung unbekannt iſt, die man aber
für Grabmäler der Druiden hält. Es ſind ungeheure
Steine, gewöhnlich nur drei bis vier, die eine Art
rohen Thorweg bilden. Es giebt deren von ſo koloſſa-
ler Größe, daß man kaum begreift, wie man ſie ohne
die komplizirteſten mechaniſchen Hülfsmittel bewegen,
und in ſolche Höhe hinaufbringen konnte. Der menſch-
lichen hohen Kraft, von unumſchränktem Willen oder
Fanatismus angeregt, iſt indeſſen gar Vieles mög-
lich. Las ich doch einſt, daß ein Schiffs-Capitaine,
der an den Ufern Japans hinfuhr, über die ſich da-
ſelbſt hinziehende Bergkette zwei Junken der größten

Briefe eines Verſtorbenen. I. 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0121" n="97"/>
&#x201E;Wie wäre es, Herr Graf, wenn Sie ein Gebürge<lb/>
aus Brettern aufführen, und da&#x017F;&#x017F;elbe mit blauer<lb/>
Oelfarbe an&#x017F;treichen ließen? &#x2014; Solches aber, wenn<lb/>
auch nicht &#x017F;o grell und handgreiflich, ge&#x017F;chieht im lie-<lb/>
ben Vaterlande noch täglich, &#x017F;elb&#x017F;t ohngeachtet des<lb/>
neuen Berliner Gartenvereins.</p><lb/>
          <p>Geliebte <hi rendition="#aq">Julie</hi>, will&#x017F;t Du mit mir nach dem Park<lb/>
des Marquis Angle&#x017F;ea, Plas Newyd, auf Angle&#x017F;ea<lb/>
fahren? die Phanta&#x017F;ie-Pferde &#x017F;ind &#x017F;chnell ange&#x017F;pannt.</p><lb/>
          <p>Wir pa&#x017F;&#x017F;iren wieder die Rie&#x017F;enbrücke, folgen eine<lb/>
kurze Zeit der Chau&#x017F;ee nach Irland, und &#x017F;ehen &#x017F;chon<lb/>
von weitem die Säule emporragen, welche das dank-<lb/>
bare Vaterland dem General Paget, damals Lord<lb/>
Uxbridge, jetzt Marquis von Angle&#x017F;ea und Vicekönig<lb/>
von Irland, &#x017F;tatt &#x017F;einem in Waterloo gela&#x017F;&#x017F;enen<lb/>
Beine hier aufge&#x017F;etzt hat. Eine halbe Stunde weiter<lb/>
öffnet &#x017F;ich das Parkthor von Plas Newyd. Das<lb/>
merkwürdig&#x017F;te hier &#x017F;ind einige Cromlech&#x2019;s, deren<lb/>
eigentliche Bedeutung unbekannt i&#x017F;t, die man aber<lb/>
für Grabmäler der Druiden hält. Es &#x017F;ind ungeheure<lb/>
Steine, gewöhnlich nur drei bis vier, die eine Art<lb/>
rohen Thorweg bilden. Es giebt deren von &#x017F;o kolo&#x017F;&#x017F;a-<lb/>
ler Größe, daß man kaum begreift, wie man &#x017F;ie ohne<lb/>
die komplizirte&#x017F;ten mechani&#x017F;chen Hülfsmittel bewegen,<lb/>
und in &#x017F;olche Höhe hinaufbringen konnte. Der men&#x017F;ch-<lb/>
lichen hohen Kraft, von unum&#x017F;chränktem Willen oder<lb/>
Fanatismus angeregt, i&#x017F;t inde&#x017F;&#x017F;en gar Vieles mög-<lb/>
lich. Las ich doch ein&#x017F;t, daß ein Schiffs-Capitaine,<lb/>
der an den Ufern Japans hinfuhr, über die &#x017F;ich da-<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t hinziehende Bergkette zwei Junken der größten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Briefe eines Ver&#x017F;torbenen. <hi rendition="#aq">I.</hi> 7</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0121] „Wie wäre es, Herr Graf, wenn Sie ein Gebürge aus Brettern aufführen, und daſſelbe mit blauer Oelfarbe anſtreichen ließen? — Solches aber, wenn auch nicht ſo grell und handgreiflich, geſchieht im lie- ben Vaterlande noch täglich, ſelbſt ohngeachtet des neuen Berliner Gartenvereins. Geliebte Julie, willſt Du mit mir nach dem Park des Marquis Angleſea, Plas Newyd, auf Angleſea fahren? die Phantaſie-Pferde ſind ſchnell angeſpannt. Wir paſſiren wieder die Rieſenbrücke, folgen eine kurze Zeit der Chauſee nach Irland, und ſehen ſchon von weitem die Säule emporragen, welche das dank- bare Vaterland dem General Paget, damals Lord Uxbridge, jetzt Marquis von Angleſea und Vicekönig von Irland, ſtatt ſeinem in Waterloo gelaſſenen Beine hier aufgeſetzt hat. Eine halbe Stunde weiter öffnet ſich das Parkthor von Plas Newyd. Das merkwürdigſte hier ſind einige Cromlech’s, deren eigentliche Bedeutung unbekannt iſt, die man aber für Grabmäler der Druiden hält. Es ſind ungeheure Steine, gewöhnlich nur drei bis vier, die eine Art rohen Thorweg bilden. Es giebt deren von ſo koloſſa- ler Größe, daß man kaum begreift, wie man ſie ohne die komplizirteſten mechaniſchen Hülfsmittel bewegen, und in ſolche Höhe hinaufbringen konnte. Der menſch- lichen hohen Kraft, von unumſchränktem Willen oder Fanatismus angeregt, iſt indeſſen gar Vieles mög- lich. Las ich doch einſt, daß ein Schiffs-Capitaine, der an den Ufern Japans hinfuhr, über die ſich da- ſelbſt hinziehende Bergkette zwei Junken der größten Briefe eines Verſtorbenen. I. 7

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/121
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/121>, abgerufen am 23.11.2024.