Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886.keine Pflicht ohne Recht. Dieser Satz, meint er mit Recht, sei vergessen von Despoten und Rothen; denn sie wollen nichts als Rechte, vergessen vom Sklaven, der da meint, er habe nichts als Pflichten und Lasten. "Nirgend sonst," sagt er, "ist es so wichtig, den jungen Männern einen Spiegel von der Heiligkeit und der ernsten Bedeutung politischer Pflichten und der Schuldigkeit eines Bürgers vor die Augen zu halten, als in einem Lande, in dem seine Rechte und Privilegien sonst unbeschränkt sind!" In diesem Sinne schrieb er für die Amerikaner sein erstes Hauptwerk "Die politische Ethik," eine Staatssittenlehre, welche der Freiheit, deren sich die neue Welt erfreute, den sittlichen Ernst, das strenge Pflichtbewußtsein vermählen sollte, welche Lieber aus der alten Welt, aus seiner deutschen Heimath über den Ocean gebracht. Auf der anderen Seite aber untersucht er mit freudigem Eifer die Grundlage jener Freiheit, welche sich in der neuen Welt zur, höchsten Blüthe entfaltet, und schreibt zur Verbreitung dieser Erkenntniß sein zweites Hauptwerk: "Von der bürgerlichen Freiheit und Selbstverwaltung". Er macht auf den Gegensatz aufmerksam zwischen jenem wesenlosen Freiheitsschemen, für dessen Götzenkultus Frankreich in Europa Propaganda gemacht, und der auf dem festen Unterbau der Selbstverwaltung organisch sich erhebenden Freiheit, deren Heimath England und Amerika ist. Der Grundfehler des französischen Freiheitsbegriffes ist die Verwechselung von Freiheit und Gleichheit. Aber "Gleichheit an sich", sagt Lieber, "ohne vieles andere hat keinen inneren Zusammenhang mit Freiheit ... Gleichheit ist ein wesentlicher Grundzug orientalischer Willkürherrschaft ... Mannigfaltigkeit ist das Gesetz des Lebens, unbedingte Gleichheit das der Stockung und des Todes". Mit diesen letzten Worten wendet er sich keine Pflicht ohne Recht. Dieser Satz, meint er mit Recht, sei vergessen von Despoten und Rothen; denn sie wollen nichts als Rechte, vergessen vom Sklaven, der da meint, er habe nichts als Pflichten und Lasten. „Nirgend sonst,“ sagt er, „ist es so wichtig, den jungen Männern einen Spiegel von der Heiligkeit und der ernsten Bedeutung politischer Pflichten und der Schuldigkeit eines Bürgers vor die Augen zu halten, als in einem Lande, in dem seine Rechte und Privilegien sonst unbeschränkt sind!“ In diesem Sinne schrieb er für die Amerikaner sein erstes Hauptwerk „Die politische Ethik,“ eine Staatssittenlehre, welche der Freiheit, deren sich die neue Welt erfreute, den sittlichen Ernst, das strenge Pflichtbewußtsein vermählen sollte, welche Lieber aus der alten Welt, aus seiner deutschen Heimath über den Ocean gebracht. Auf der anderen Seite aber untersucht er mit freudigem Eifer die Grundlage jener Freiheit, welche sich in der neuen Welt zur, höchsten Blüthe entfaltet, und schreibt zur Verbreitung dieser Erkenntniß sein zweites Hauptwerk: „Von der bürgerlichen Freiheit und Selbstverwaltung“. Er macht auf den Gegensatz aufmerksam zwischen jenem wesenlosen Freiheitsschemen, für dessen Götzenkultus Frankreich in Europa Propaganda gemacht, und der auf dem festen Unterbau der Selbstverwaltung organisch sich erhebenden Freiheit, deren Heimath England und Amerika ist. Der Grundfehler des französischen Freiheitsbegriffes ist die Verwechselung von Freiheit und Gleichheit. Aber „Gleichheit an sich“, sagt Lieber, „ohne vieles andere hat keinen inneren Zusammenhang mit Freiheit … Gleichheit ist ein wesentlicher Grundzug orientalischer Willkürherrschaft … Mannigfaltigkeit ist das Gesetz des Lebens, unbedingte Gleichheit das der Stockung und des Todes“. Mit diesen letzten Worten wendet er sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0031" n="31"/> keine Pflicht ohne Recht. Dieser Satz, meint er mit Recht, sei vergessen von Despoten und Rothen; denn sie wollen nichts als Rechte, vergessen vom Sklaven, der da meint, er habe nichts als Pflichten und Lasten. „Nirgend sonst,“ sagt er, „ist es so wichtig, den jungen Männern einen Spiegel von der Heiligkeit und der ernsten Bedeutung politischer Pflichten und der Schuldigkeit eines Bürgers vor die Augen zu halten, als in einem Lande, in dem seine Rechte und Privilegien sonst unbeschränkt sind!“</p> <p>In diesem Sinne schrieb er für die Amerikaner sein erstes Hauptwerk „<hi rendition="#g">Die politische Ethik</hi>,“ eine Staatssittenlehre, welche der Freiheit, deren sich die neue Welt erfreute, den sittlichen Ernst, das strenge Pflichtbewußtsein vermählen sollte, welche <hi rendition="#g">Lieber</hi> aus der alten Welt, aus seiner deutschen Heimath über den Ocean gebracht.</p> <p>Auf der anderen Seite aber untersucht er mit freudigem Eifer die Grundlage jener Freiheit, welche sich in der neuen Welt zur, höchsten Blüthe entfaltet, und schreibt zur Verbreitung dieser Erkenntniß sein zweites Hauptwerk: „Von der bürgerlichen Freiheit und Selbstverwaltung“. Er macht auf den Gegensatz aufmerksam zwischen jenem wesenlosen Freiheitsschemen, für dessen Götzenkultus Frankreich in Europa Propaganda gemacht, und der auf dem festen Unterbau der Selbstverwaltung organisch sich erhebenden Freiheit, deren Heimath England und Amerika ist.</p> <p>Der Grundfehler des <choice><sic>französichen</sic><corr>französischen</corr></choice> Freiheitsbegriffes ist die Verwechselung von Freiheit und Gleichheit. Aber „Gleichheit an sich“, sagt <hi rendition="#g">Lieber</hi>, „ohne vieles andere hat keinen inneren Zusammenhang mit Freiheit … Gleichheit ist ein wesentlicher Grundzug orientalischer Willkürherrschaft … Mannigfaltigkeit ist das Gesetz des Lebens, unbedingte Gleichheit das der Stockung und des Todes“. Mit diesen letzten Worten wendet er sich </p> </div> </body> </text> </TEI> [31/0031]
keine Pflicht ohne Recht. Dieser Satz, meint er mit Recht, sei vergessen von Despoten und Rothen; denn sie wollen nichts als Rechte, vergessen vom Sklaven, der da meint, er habe nichts als Pflichten und Lasten. „Nirgend sonst,“ sagt er, „ist es so wichtig, den jungen Männern einen Spiegel von der Heiligkeit und der ernsten Bedeutung politischer Pflichten und der Schuldigkeit eines Bürgers vor die Augen zu halten, als in einem Lande, in dem seine Rechte und Privilegien sonst unbeschränkt sind!“
In diesem Sinne schrieb er für die Amerikaner sein erstes Hauptwerk „Die politische Ethik,“ eine Staatssittenlehre, welche der Freiheit, deren sich die neue Welt erfreute, den sittlichen Ernst, das strenge Pflichtbewußtsein vermählen sollte, welche Lieber aus der alten Welt, aus seiner deutschen Heimath über den Ocean gebracht.
Auf der anderen Seite aber untersucht er mit freudigem Eifer die Grundlage jener Freiheit, welche sich in der neuen Welt zur, höchsten Blüthe entfaltet, und schreibt zur Verbreitung dieser Erkenntniß sein zweites Hauptwerk: „Von der bürgerlichen Freiheit und Selbstverwaltung“. Er macht auf den Gegensatz aufmerksam zwischen jenem wesenlosen Freiheitsschemen, für dessen Götzenkultus Frankreich in Europa Propaganda gemacht, und der auf dem festen Unterbau der Selbstverwaltung organisch sich erhebenden Freiheit, deren Heimath England und Amerika ist.
Der Grundfehler des französischen Freiheitsbegriffes ist die Verwechselung von Freiheit und Gleichheit. Aber „Gleichheit an sich“, sagt Lieber, „ohne vieles andere hat keinen inneren Zusammenhang mit Freiheit … Gleichheit ist ein wesentlicher Grundzug orientalischer Willkürherrschaft … Mannigfaltigkeit ist das Gesetz des Lebens, unbedingte Gleichheit das der Stockung und des Todes“. Mit diesen letzten Worten wendet er sich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/preuss_franz_1886 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/preuss_franz_1886/31 |
Zitationshilfe: | Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuss_franz_1886/31>, abgerufen am 02.03.2025. |