Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886.liefen von ihren Posten, wenn es regnete, hielten gewissenhaft die 200 und etlichen Festtage des griechischen Kalenders, indem sie sich sinnlos bezechten, und zeigten eine großartige Fertigkeit, die braven Philhellenen mit List und Gewalt auszuplündern. Dazu grenzenlose Anarchie; kein Mensch wußte, wo die Regierung stecke; ein Heerführer behauptete vom andern, daß er ein schauderhafter Schurke sei, und sie hatten unzweifelhaft alle Recht. Drei Monate irrte Lieber unter Strapazen und Entbehrungen aller Art in dem unseligen Lande umher, und war endlich froh, sich - wenn auch völlig ausgeplündert - nach Missolunghi durchzuschlagen, und von dort nach Ancona überzufahren. Ende März 1822 betrat er den Boden Italiens. Zu Fuß und wiederum mit Paßverlegenheiten kämpfend, pilgerte er nach Rom. Einsam, mittel- und hilfslos stand er in der ewigen Stadt; ja, um nur dort bleiben zu dürfen, brauchte er die Erlaubniß der Polizei, die ihm in seinem Zustande schwerlich ertheilt worden wäre. In dieser traurigen Lage beschloß er, sich an den preußischen Gesandten in Rom zu wenden, und ein gütiger Gott lenkte seinen Schritt. Bei einem preußischen Diplomaten gewöhnlichen Schlages hätte damals ein Mann wie Lieber kaum ein sehr freundliches Entgegenkommen gefunden; aber der Gesandte in Rom war kein solcher; es war der berühmte Gelehrte und treffliche Mensch Niebuhr. In ihm fand Lieber, einen gütigen Wohlthäter, einen väterlichen Freund; mit dem Augenblick, da er sein Haus betrat, hatten die Leiden des jungen Dulders für's Erste ein Ende. Niebuhr nahm den durch die schmerzlichen Erfahrungen der letzten Jahre schwer gedrückten Jüngling in seine Familie als Lehrer seines Sohnes Markus auf, und bemühte sich mit der liebevollen Sorge eines wahren Freundes die tiefe Melancholie zu verscheuchen, welche liefen von ihren Posten, wenn es regnete, hielten gewissenhaft die 200 und etlichen Festtage des griechischen Kalenders, indem sie sich sinnlos bezechten, und zeigten eine großartige Fertigkeit, die braven Philhellenen mit List und Gewalt auszuplündern. Dazu grenzenlose Anarchie; kein Mensch wußte, wo die Regierung stecke; ein Heerführer behauptete vom andern, daß er ein schauderhafter Schurke sei, und sie hatten unzweifelhaft alle Recht. Drei Monate irrte Lieber unter Strapazen und Entbehrungen aller Art in dem unseligen Lande umher, und war endlich froh, sich – wenn auch völlig ausgeplündert – nach Missolunghi durchzuschlagen, und von dort nach Ancona überzufahren. Ende März 1822 betrat er den Boden Italiens. Zu Fuß und wiederum mit Paßverlegenheiten kämpfend, pilgerte er nach Rom. Einsam, mittel- und hilfslos stand er in der ewigen Stadt; ja, um nur dort bleiben zu dürfen, brauchte er die Erlaubniß der Polizei, die ihm in seinem Zustande schwerlich ertheilt worden wäre. In dieser traurigen Lage beschloß er, sich an den preußischen Gesandten in Rom zu wenden, und ein gütiger Gott lenkte seinen Schritt. Bei einem preußischen Diplomaten gewöhnlichen Schlages hätte damals ein Mann wie Lieber kaum ein sehr freundliches Entgegenkommen gefunden; aber der Gesandte in Rom war kein solcher; es war der berühmte Gelehrte und treffliche Mensch Niebuhr. In ihm fand Lieber, einen gütigen Wohlthäter, einen väterlichen Freund; mit dem Augenblick, da er sein Haus betrat, hatten die Leiden des jungen Dulders für’s Erste ein Ende. Niebuhr nahm den durch die schmerzlichen Erfahrungen der letzten Jahre schwer gedrückten Jüngling in seine Familie als Lehrer seines Sohnes Markus auf, und bemühte sich mit der liebevollen Sorge eines wahren Freundes die tiefe Melancholie zu verscheuchen, welche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0017" n="17"/> liefen von ihren Posten, wenn es regnete, hielten gewissenhaft die 200 und etlichen Festtage des griechischen Kalenders, indem sie sich sinnlos bezechten, und zeigten eine großartige Fertigkeit, die braven Philhellenen mit List und Gewalt auszuplündern. Dazu grenzenlose Anarchie; kein Mensch wußte, wo die Regierung stecke; ein Heerführer behauptete vom andern, daß er ein schauderhafter Schurke sei, und sie hatten unzweifelhaft alle Recht.</p> <p>Drei Monate irrte <hi rendition="#g">Lieber</hi> unter Strapazen und Entbehrungen aller Art in dem unseligen Lande umher, und war endlich froh, sich – wenn auch völlig ausgeplündert – nach Missolunghi durchzuschlagen, und von dort nach Ancona überzufahren. Ende März 1822 betrat er den Boden Italiens. Zu Fuß und wiederum mit Paßverlegenheiten kämpfend, pilgerte er nach Rom. Einsam, mittel- und hilfslos stand er in der ewigen Stadt; ja, um nur dort bleiben zu dürfen, brauchte er die Erlaubniß der Polizei, die ihm in seinem Zustande schwerlich ertheilt worden wäre. In dieser traurigen Lage beschloß er, sich an den preußischen Gesandten in Rom zu wenden, und ein gütiger Gott lenkte seinen Schritt. Bei einem preußischen Diplomaten gewöhnlichen Schlages hätte damals ein Mann wie <hi rendition="#g">Lieber</hi> kaum ein sehr freundliches Entgegenkommen gefunden; aber der Gesandte in Rom war kein solcher; es war der berühmte Gelehrte und treffliche Mensch <hi rendition="#g">Niebuhr</hi>. In ihm fand <hi rendition="#g">Lieber</hi>, einen gütigen Wohlthäter, einen väterlichen Freund; mit dem Augenblick, da er sein Haus betrat, hatten die Leiden des jungen Dulders für’s Erste ein Ende. <hi rendition="#g">Niebuhr</hi> nahm den durch die schmerzlichen Erfahrungen der letzten Jahre schwer gedrückten Jüngling in seine Familie als Lehrer seines Sohnes <hi rendition="#g">Markus</hi> auf, und bemühte sich mit der liebevollen Sorge eines wahren Freundes die tiefe Melancholie zu verscheuchen, welche </p> </div> </body> </text> </TEI> [17/0017]
liefen von ihren Posten, wenn es regnete, hielten gewissenhaft die 200 und etlichen Festtage des griechischen Kalenders, indem sie sich sinnlos bezechten, und zeigten eine großartige Fertigkeit, die braven Philhellenen mit List und Gewalt auszuplündern. Dazu grenzenlose Anarchie; kein Mensch wußte, wo die Regierung stecke; ein Heerführer behauptete vom andern, daß er ein schauderhafter Schurke sei, und sie hatten unzweifelhaft alle Recht.
Drei Monate irrte Lieber unter Strapazen und Entbehrungen aller Art in dem unseligen Lande umher, und war endlich froh, sich – wenn auch völlig ausgeplündert – nach Missolunghi durchzuschlagen, und von dort nach Ancona überzufahren. Ende März 1822 betrat er den Boden Italiens. Zu Fuß und wiederum mit Paßverlegenheiten kämpfend, pilgerte er nach Rom. Einsam, mittel- und hilfslos stand er in der ewigen Stadt; ja, um nur dort bleiben zu dürfen, brauchte er die Erlaubniß der Polizei, die ihm in seinem Zustande schwerlich ertheilt worden wäre. In dieser traurigen Lage beschloß er, sich an den preußischen Gesandten in Rom zu wenden, und ein gütiger Gott lenkte seinen Schritt. Bei einem preußischen Diplomaten gewöhnlichen Schlages hätte damals ein Mann wie Lieber kaum ein sehr freundliches Entgegenkommen gefunden; aber der Gesandte in Rom war kein solcher; es war der berühmte Gelehrte und treffliche Mensch Niebuhr. In ihm fand Lieber, einen gütigen Wohlthäter, einen väterlichen Freund; mit dem Augenblick, da er sein Haus betrat, hatten die Leiden des jungen Dulders für’s Erste ein Ende. Niebuhr nahm den durch die schmerzlichen Erfahrungen der letzten Jahre schwer gedrückten Jüngling in seine Familie als Lehrer seines Sohnes Markus auf, und bemühte sich mit der liebevollen Sorge eines wahren Freundes die tiefe Melancholie zu verscheuchen, welche
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-23T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-23T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-23T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |