Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920.

Bild:
<< vorherige Seite

heiligen Strom. Zum letztenmal! "Morgen ziehst du nun in dein Kloster, Indra, heut' komm' ich von dir Abschied zu nehmen. Ich werde niemals wieder deinen Pfad kreuzen, denn ich habe dir ja schon gesagt, ich reise in das Land, von dem es keine Rückkehr gibt." -- "So soll ich meinen letzten Freund verlieren?" -- "Freund!" Wieder hatte er sein altes, zynisches Lächeln. "Möchtest du niemals wieder in deinem Leben ähnliche Freunde finden. Aber du brauchst ja keinen Freund, du bist frei geworden, und das Leben, die Glut seiner Sansara, das Yoshiwara deiner Erkenntnis, daß nur in der Freude und in der Betätigung aller Sinne Zweck und Ziel des Lebens liegen, die haben dich befreit von den Banden der Dumpfheit, der Feigheit und der Konvention. Du bist groß geworden, Indra, du brauchst keinen Freund mehr." -- Große Tränen tropften aus ihren Augen, sie dachte an die offene Wunde ihrer Seele, an die verflogenen, toten Schmetterlinge all ihrer Hoffnungen, und daß sie Guy niemals wiedersehen würde, niemals. "Ich brauche keinen Freund", erwiderte sie tonlos.

heiligen Strom. Zum letztenmal! „Morgen ziehst du nun in dein Kloster, Indra, heut’ komm’ ich von dir Abschied zu nehmen. Ich werde niemals wieder deinen Pfad kreuzen, denn ich habe dir ja schon gesagt, ich reise in das Land, von dem es keine Rückkehr gibt.“ — „So soll ich meinen letzten Freund verlieren?“ — „Freund!“ Wieder hatte er sein altes, zynisches Lächeln. „Möchtest du niemals wieder in deinem Leben ähnliche Freunde finden. Aber du brauchst ja keinen Freund, du bist frei geworden, und das Leben, die Glut seiner Sansara, das Yoshiwara deiner Erkenntnis, daß nur in der Freude und in der Betätigung aller Sinne Zweck und Ziel des Lebens liegen, die haben dich befreit von den Banden der Dumpfheit, der Feigheit und der Konvention. Du bist groß geworden, Indra, du brauchst keinen Freund mehr.“ — Große Tränen tropften aus ihren Augen, sie dachte an die offene Wunde ihrer Seele, an die verflogenen, toten Schmetterlinge all ihrer Hoffnungen, und daß sie Guy niemals wiedersehen würde, niemals. „Ich brauche keinen Freund“, erwiderte sie tonlos.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0170" n="171"/>
heiligen Strom. Zum letztenmal! &#x201E;Morgen ziehst du nun in dein Kloster, Indra, heut&#x2019; komm&#x2019; ich von dir Abschied zu nehmen. Ich werde niemals wieder deinen Pfad kreuzen, denn ich habe dir ja schon gesagt, ich reise in das Land, von dem es keine Rückkehr gibt.&#x201C; &#x2014; &#x201E;So soll ich meinen letzten Freund verlieren?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Freund!&#x201C; Wieder hatte er sein altes, zynisches Lächeln. &#x201E;Möchtest du niemals wieder in deinem Leben ähnliche Freunde finden. Aber du brauchst ja keinen Freund, du bist frei geworden, und das Leben, die Glut seiner Sansara, das Yoshiwara deiner Erkenntnis, daß nur in der Freude und in der Betätigung aller Sinne Zweck und Ziel des Lebens liegen, die haben dich befreit von den Banden der Dumpfheit, der Feigheit und der Konvention. Du bist groß geworden, Indra, du brauchst keinen Freund mehr.&#x201C; &#x2014; Große Tränen tropften aus ihren Augen, sie dachte an die offene Wunde ihrer Seele, an die verflogenen, toten Schmetterlinge all ihrer Hoffnungen, und daß sie Guy niemals wiedersehen würde, niemals. &#x201E;Ich brauche keinen Freund&#x201C;, erwiderte sie tonlos.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0170] heiligen Strom. Zum letztenmal! „Morgen ziehst du nun in dein Kloster, Indra, heut’ komm’ ich von dir Abschied zu nehmen. Ich werde niemals wieder deinen Pfad kreuzen, denn ich habe dir ja schon gesagt, ich reise in das Land, von dem es keine Rückkehr gibt.“ — „So soll ich meinen letzten Freund verlieren?“ — „Freund!“ Wieder hatte er sein altes, zynisches Lächeln. „Möchtest du niemals wieder in deinem Leben ähnliche Freunde finden. Aber du brauchst ja keinen Freund, du bist frei geworden, und das Leben, die Glut seiner Sansara, das Yoshiwara deiner Erkenntnis, daß nur in der Freude und in der Betätigung aller Sinne Zweck und Ziel des Lebens liegen, die haben dich befreit von den Banden der Dumpfheit, der Feigheit und der Konvention. Du bist groß geworden, Indra, du brauchst keinen Freund mehr.“ — Große Tränen tropften aus ihren Augen, sie dachte an die offene Wunde ihrer Seele, an die verflogenen, toten Schmetterlinge all ihrer Hoffnungen, und daß sie Guy niemals wiedersehen würde, niemals. „Ich brauche keinen Freund“, erwiderte sie tonlos.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920/170
Zitationshilfe: von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920/170>, abgerufen am 27.11.2024.