[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.men, übergab der damals regierende Kayser ei- weniger *) Vormals wurden die Dairi von allen ihren Un- terthanen gewissermaßen angebetet, und führ- ten einen ganz unbeschreiblichen Staat. Ihren Fuß setzten sie niemals auf die Erde, die Sonne durfte sie nicht bescheinen, und die Luft durfte sie nicht bewehen. Sie zogen ihre Kleider nie zweymal an, und aus einer Schüssel aßen sie nie zweymal. Kurz, alles wurde täglich neu angeschaft. Die Mode war bey ihnen nicht eingeführt, Haare, Bart und Nägel abzuschnei- den, sondern sie ließen sie wachsen. Sie ließen sich nicht öffentlich sehen, und hatten zwölf Wei- ber zu Auswärterinnen. Die Titel, die sie sich beylegen ließen, waren von der Gottesläste- rung nicht sehr entfernt u. s. w. E 5
men, uͤbergab der damals regierende Kayſer ei- weniger *) Vormals wurden die Dairi von allen ihren Un- terthanen gewiſſermaßen angebetet, und fuͤhr- ten einen ganz unbeſchreiblichen Staat. Ihren Fuß ſetzten ſie niemals auf die Erde, die Sonne durfte ſie nicht beſcheinen, und die Luft durfte ſie nicht bewehen. Sie zogen ihre Kleider nie zweymal an, und aus einer Schuͤſſel aßen ſie nie zweymal. Kurz, alles wurde taͤglich neu angeſchaft. Die Mode war bey ihnen nicht eingefuͤhrt, Haare, Bart und Naͤgel abzuſchnei- den, ſondern ſie ließen ſie wachſen. Sie ließen ſich nicht oͤffentlich ſehen, und hatten zwoͤlf Wei- ber zu Auſwaͤrterinnen. Die Titel, die ſie ſich beylegen ließen, waren von der Gotteslaͤſte- rung nicht ſehr entfernt u. ſ. w. E 5
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men, uͤbergab der damals regierende Kayſer ei-
nem ſeiner Vornehmſten am Hofe das voͤllige
Commando uͤber die ganze Armee. Als dieſer
die Feinde ſeines Herrn bezwungen hatte, ſuch-
te er ſich ſelbſt der hoͤchſten Gewalt zu verſichern,
vereinigte die bisher unter ihnen getheilte Macht
des Reichs in ſeiner Perſon, und entzog dem
Dairi die Beſorgung der politiſchen Angelegen-
heiten. Und auf dieſe Art erkennt man itzt in
Japan zwey Kayſer: einer beſitzt die wuͤrkli-
che Macht in Haͤnden, und der andre genießt
die Ehrenbezeigungen. Mit dieſen Ehren
begnuͤgt er ſich, und er iſt nie des Throns be-
raubt worden. Der Dairi *) ſieht nur mit einer
aus Nothwendigkeit und Gewohnheit angenom-
menen Unempfindlichkeit einen andern Thron
neben den ſeinigen, der zwar dem aͤußern nach
weniger
*) Vormals wurden die Dairi von allen ihren Un-
terthanen gewiſſermaßen angebetet, und fuͤhr-
ten einen ganz unbeſchreiblichen Staat. Ihren
Fuß ſetzten ſie niemals auf die Erde, die Sonne
durfte ſie nicht beſcheinen, und die Luft durfte
ſie nicht bewehen. Sie zogen ihre Kleider nie
zweymal an, und aus einer Schuͤſſel aßen ſie
nie zweymal. Kurz, alles wurde taͤglich neu
angeſchaft. Die Mode war bey ihnen nicht
eingefuͤhrt, Haare, Bart und Naͤgel abzuſchnei-
den, ſondern ſie ließen ſie wachſen. Sie ließen
ſich nicht oͤffentlich ſehen, und hatten zwoͤlf Wei-
ber zu Auſwaͤrterinnen. Die Titel, die ſie ſich
beylegen ließen, waren von der Gotteslaͤſte-
rung nicht ſehr entfernt u. ſ. w.
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