dern. -- Außer diesen beyden haben sie noch eine dritte, nach welcher sie gewisse Cyclus oder Perioden von sechszig Jahren unter sich haben, die sie von den Chinesern entlehnt.
Die Japaner besitzen fast gar keine Kennt- niß von der Anatomie. Die Vorurtheile ihrer Religion erlauben ihnen nicht, weder Thiere zu tödten, noch todte Körper anzugreifen, daher es gar nicht wahrscheinlich ist, daß sie sich je- mals in dieser Wissenschaft hervorthun werden. Hingegen legen sie sich sehr stark auf die Bo- tanik, und dieser Theil der Arzeneykunst ist bey ihnen so beliebt, daß auch die Fürsten und Vor- nehmsten im Lande besondern Fleiß darauf wen- den. Viele haben besondere Gärten zum An- bau der Kräuter bestimmt. Sie haben ein Kräuterbuch, oder eine botanische Abhandlung, die weitläuftig genug für sie ist: denn sie finden darinn die Abbildung von mehr als fünfhundert Pflanzen, die im Reiche wachsen, wobey die Eigenschaft und Tugend jedes Krauts erklärt steht.
Bey uns Europäern sind das Purgieren und das Aderlaßen die zwey allgemeinen Mittel, die einmal verdorbene Gesundheit wieder herzu- stellen. Die Japaner die diese Mittel nicht kennen, oder vielmehr nicht kennen wollen, ge- brauchen an deren Statt zwey andre Mittel, nemlich die Nadel und das Feuer. Das eine, wider die Verstopfungen, und wider an- gesetzte Feuchtigkeiten, den zweyen Quellen
(nach
dern. — Außer dieſen beyden haben ſie noch eine dritte, nach welcher ſie gewiſſe Cyclus oder Perioden von ſechszig Jahren unter ſich haben, die ſie von den Chineſern entlehnt.
Die Japaner beſitzen faſt gar keine Kennt- niß von der Anatomie. Die Vorurtheile ihrer Religion erlauben ihnen nicht, weder Thiere zu toͤdten, noch todte Koͤrper anzugreifen, daher es gar nicht wahrſcheinlich iſt, daß ſie ſich je- mals in dieſer Wiſſenſchaft hervorthun werden. Hingegen legen ſie ſich ſehr ſtark auf die Bo- tanik, und dieſer Theil der Arzeneykunſt iſt bey ihnen ſo beliebt, daß auch die Fuͤrſten und Vor- nehmſten im Lande beſondern Fleiß darauf wen- den. Viele haben beſondere Gaͤrten zum An- bau der Kraͤuter beſtimmt. Sie haben ein Kraͤuterbuch, oder eine botaniſche Abhandlung, die weitlaͤuftig genug fuͤr ſie iſt: denn ſie finden darinn die Abbildung von mehr als fuͤnfhundert Pflanzen, die im Reiche wachſen, wobey die Eigenſchaft und Tugend jedes Krauts erklaͤrt ſteht.
Bey uns Europaͤern ſind das Purgieren und das Aderlaßen die zwey allgemeinen Mittel, die einmal verdorbene Geſundheit wieder herzu- ſtellen. Die Japaner die dieſe Mittel nicht kennen, oder vielmehr nicht kennen wollen, ge- brauchen an deren Statt zwey andre Mittel, nemlich die Nadel und das Feuer. Das eine, wider die Verſtopfungen, und wider an- geſetzte Feuchtigkeiten, den zweyen Quellen
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dern. — Außer dieſen beyden haben ſie noch
eine dritte, nach welcher ſie gewiſſe Cyclus oder
Perioden von ſechszig Jahren unter ſich haben,
die ſie von den Chineſern entlehnt.
Die Japaner beſitzen faſt gar keine Kennt-
niß von der Anatomie. Die Vorurtheile ihrer
Religion erlauben ihnen nicht, weder Thiere zu
toͤdten, noch todte Koͤrper anzugreifen, daher
es gar nicht wahrſcheinlich iſt, daß ſie ſich je-
mals in dieſer Wiſſenſchaft hervorthun werden.
Hingegen legen ſie ſich ſehr ſtark auf die Bo-
tanik, und dieſer Theil der Arzeneykunſt iſt bey
ihnen ſo beliebt, daß auch die Fuͤrſten und Vor-
nehmſten im Lande beſondern Fleiß darauf wen-
den. Viele haben beſondere Gaͤrten zum An-
bau der Kraͤuter beſtimmt. Sie haben ein
Kraͤuterbuch, oder eine botaniſche Abhandlung,
die weitlaͤuftig genug fuͤr ſie iſt: denn ſie finden
darinn die Abbildung von mehr als fuͤnfhundert
Pflanzen, die im Reiche wachſen, wobey die
Eigenſchaft und Tugend jedes Krauts erklaͤrt
ſteht.
Bey uns Europaͤern ſind das Purgieren
und das Aderlaßen die zwey allgemeinen Mittel,
die einmal verdorbene Geſundheit wieder herzu-
ſtellen. Die Japaner die dieſe Mittel nicht
kennen, oder vielmehr nicht kennen wollen, ge-
brauchen an deren Statt zwey andre Mittel,
nemlich die Nadel und das Feuer. Das
eine, wider die Verſtopfungen, und wider an-
geſetzte Feuchtigkeiten, den zweyen Quellen
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/87>, abgerufen am 24.11.2024.
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