regieren. Alles Neue, was man an dem Ge- stirne entd[e]ckt, wird als ein Zeichen des göttli- chen Zorns wider den Fürsten und seine Mini- ster angesehen. Alsdann, wenn die Chineser nur etwas unzufrieden sind, sieht man sehr vie- le Schmähschriften, und man redt von nichts, als von Aufrühren. Dieser Ursache wegen ist ohnfehlbar der kayserliche Kalender von sehr großer Wichtigkeit. So unwissend nun aber die Japaner in der Sternkunde seyn mögen; so geht ihre Unwissenheit doch nicht so weit, daß sie politische Veränderungen argwohnen sollten, wenn sie Erscheinungen am Himmel wahrzuneh- men glauben.
Die Japaner haben in ihrer Chronologie verschiedene Epochen. Die erste und zugleich gewöhnlichste nennen sie Nin-o, ein Wort das so viel bedeutet, als ein großer und mächtiger Monarch. Und wegen des Nachdrucks fängt diese Epoche mit dem Sin-mu, ihrem ersten Käyser an, der seine Regierung mit den fechs- hundert und sechzigsten Jahre vor Christi Ge- burt angetreten hat. Auf diese Art ist unser itziges 1777 Jahr bey ihnen das 2436 Jahr. Die zweyte Epoche heißt Nengo. Sie wurde vor Alters von den Chinesern erfunden, und ist in Japan nicht eher als unter der Regierung ihres sechs und dreyßigsten Käysers eingeführt worden. Dieser Zeitrechnung bedienen sich die Mikaddo oder Käyser bey ihren Manifesten, Befehlen, Tagebüchern, Briefen und Kalen-
dern.
regieren. Alles Neue, was man an dem Ge- ſtirne entd[e]ckt, wird als ein Zeichen des goͤttli- chen Zorns wider den Fuͤrſten und ſeine Mini- ſter angeſehen. Alsdann, wenn die Chineſer nur etwas unzufrieden ſind, ſieht man ſehr vie- le Schmaͤhſchriften, und man redt von nichts, als von Aufruͤhren. Dieſer Urſache wegen iſt ohnfehlbar der kayſerliche Kalender von ſehr großer Wichtigkeit. So unwiſſend nun aber die Japaner in der Sternkunde ſeyn moͤgen; ſo geht ihre Unwiſſenheit doch nicht ſo weit, daß ſie politiſche Veraͤnderungen argwohnen ſollten, wenn ſie Erſcheinungen am Himmel wahrzuneh- men glauben.
Die Japaner haben in ihrer Chronologie verſchiedene Epochen. Die erſte und zugleich gewoͤhnlichſte nennen ſie Nin-o, ein Wort das ſo viel bedeutet, als ein großer und maͤchtiger Monarch. Und wegen des Nachdrucks faͤngt dieſe Epoche mit dem Sin-mu, ihrem erſten Kaͤyſer an, der ſeine Regierung mit den fechs- hundert und ſechzigſten Jahre vor Chriſti Ge- burt angetreten hat. Auf dieſe Art iſt unſer itziges 1777 Jahr bey ihnen das 2436 Jahr. Die zweyte Epoche heißt Nengo. Sie wurde vor Alters von den Chineſern erfunden, und iſt in Japan nicht eher als unter der Regierung ihres ſechs und dreyßigſten Kaͤyſers eingefuͤhrt worden. Dieſer Zeitrechnung bedienen ſich die Mikaddo oder Kaͤyſer bey ihren Manifeſten, Befehlen, Tagebuͤchern, Briefen und Kalen-
dern.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0086"n="60"/>
regieren. Alles Neue, was man an dem Ge-<lb/>ſtirne entd<supplied>e</supplied>ckt, wird als ein Zeichen des goͤttli-<lb/>
chen Zorns wider den Fuͤrſten und ſeine Mini-<lb/>ſter angeſehen. Alsdann, wenn die Chineſer<lb/>
nur etwas unzufrieden ſind, ſieht man ſehr vie-<lb/>
le Schmaͤhſchriften, und man redt von nichts,<lb/>
als von Aufruͤhren. Dieſer Urſache wegen iſt<lb/>
ohnfehlbar der kayſerliche Kalender von ſehr<lb/>
großer Wichtigkeit. So unwiſſend nun aber<lb/>
die Japaner in der Sternkunde ſeyn moͤgen;<lb/>ſo geht ihre Unwiſſenheit doch nicht ſo weit, daß<lb/>ſie politiſche Veraͤnderungen argwohnen ſollten,<lb/>
wenn ſie Erſcheinungen am Himmel wahrzuneh-<lb/>
men glauben.</p><lb/><p>Die Japaner haben in ihrer <hirendition="#fr">Chronologie</hi><lb/>
verſchiedene Epochen. Die erſte und zugleich<lb/>
gewoͤhnlichſte nennen ſie <hirendition="#fr">Nin-o,</hi> ein Wort das<lb/>ſo viel bedeutet, als ein großer und maͤchtiger<lb/>
Monarch. Und wegen des Nachdrucks faͤngt<lb/>
dieſe Epoche mit dem <hirendition="#fr">Sin-mu,</hi> ihrem erſten<lb/>
Kaͤyſer an, der ſeine Regierung mit den fechs-<lb/>
hundert und ſechzigſten Jahre vor Chriſti Ge-<lb/>
burt angetreten hat. Auf dieſe Art iſt unſer<lb/>
itziges 1777 Jahr bey ihnen das 2436 Jahr.<lb/>
Die zweyte Epoche heißt <hirendition="#fr">Nengo.</hi> Sie wurde<lb/>
vor Alters von den Chineſern erfunden, und iſt<lb/>
in Japan nicht eher als unter der Regierung<lb/>
ihres ſechs und dreyßigſten Kaͤyſers eingefuͤhrt<lb/>
worden. Dieſer Zeitrechnung bedienen ſich die<lb/>
Mikaddo oder Kaͤyſer bey ihren Manifeſten,<lb/>
Befehlen, Tagebuͤchern, Briefen und Kalen-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">dern.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[60/0086]
regieren. Alles Neue, was man an dem Ge-
ſtirne entdeckt, wird als ein Zeichen des goͤttli-
chen Zorns wider den Fuͤrſten und ſeine Mini-
ſter angeſehen. Alsdann, wenn die Chineſer
nur etwas unzufrieden ſind, ſieht man ſehr vie-
le Schmaͤhſchriften, und man redt von nichts,
als von Aufruͤhren. Dieſer Urſache wegen iſt
ohnfehlbar der kayſerliche Kalender von ſehr
großer Wichtigkeit. So unwiſſend nun aber
die Japaner in der Sternkunde ſeyn moͤgen;
ſo geht ihre Unwiſſenheit doch nicht ſo weit, daß
ſie politiſche Veraͤnderungen argwohnen ſollten,
wenn ſie Erſcheinungen am Himmel wahrzuneh-
men glauben.
Die Japaner haben in ihrer Chronologie
verſchiedene Epochen. Die erſte und zugleich
gewoͤhnlichſte nennen ſie Nin-o, ein Wort das
ſo viel bedeutet, als ein großer und maͤchtiger
Monarch. Und wegen des Nachdrucks faͤngt
dieſe Epoche mit dem Sin-mu, ihrem erſten
Kaͤyſer an, der ſeine Regierung mit den fechs-
hundert und ſechzigſten Jahre vor Chriſti Ge-
burt angetreten hat. Auf dieſe Art iſt unſer
itziges 1777 Jahr bey ihnen das 2436 Jahr.
Die zweyte Epoche heißt Nengo. Sie wurde
vor Alters von den Chineſern erfunden, und iſt
in Japan nicht eher als unter der Regierung
ihres ſechs und dreyßigſten Kaͤyſers eingefuͤhrt
worden. Dieſer Zeitrechnung bedienen ſich die
Mikaddo oder Kaͤyſer bey ihren Manifeſten,
Befehlen, Tagebuͤchern, Briefen und Kalen-
dern.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/86>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.