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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

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Mahlerey und andern Künsten ziemliche Kennt-
niß besäßen. Hierzu trägt die gute Einrichtung,
die sie unter sich getroffen haben, sehr vieles bey.
Es ist zuverläßig, daß die Japaner verschiedene
Universitäten angelegt haben, und von vielen
Studenten besucht werden. Die Universitäten
sind gewöhnlich sehr reich. Die Aufsicht über
dieselbe ist in den Händen der Bonzen, welche
größestentheils von adelicher Herkunft sind,
und diese Lebensart erwählen, weil sie entweder
zum Studieren Lust haben, oder es für das
schicklichste Mittel halten, um mit ihren schlech-
ten Glücksgütern auszukommen. Was die
Bonzen betrift, welche den Universitäten als
Lehrer vorgesetzt sind; so versichern die portu-
giesischen Missionairs, daß sie, unter ihren an-
dern Geistesfähigkeiten, solche Meister in der
Redekunst wären, daß es ihnen nie fehlschlüge,
den Zuhörern Thränen abzulocken, dafern sie
ihre Geschicklichkeit anwenden wollten.

Es scheint nicht, daß die speculativen
Wissenschaften
in Japan zeither großen Fort-
gang gehabt. Sie haben nur eine sehr leichte
Kenntniß von der Mathematik, Metaphysik
und den andern Theilen der Philosophie: daher
auch ihre Achtung für diese Wissenschaft sehr
geringe ist *). Sie sehen sie vielmehr als einen

Zeitver-
*) Die ersten Missionairs versichern, daß der Zu-
stand der Philosophie und Mathematik vor
ihrer Ankunft in Japan sehr kläglich gewesen
sey;
D 5

Mahlerey und andern Kuͤnſten ziemliche Kennt-
niß beſaͤßen. Hierzu traͤgt die gute Einrichtung,
die ſie unter ſich getroffen haben, ſehr vieles bey.
Es iſt zuverlaͤßig, daß die Japaner verſchiedene
Univerſitaͤten angelegt haben, und von vielen
Studenten beſucht werden. Die Univerſitaͤten
ſind gewoͤhnlich ſehr reich. Die Aufſicht uͤber
dieſelbe iſt in den Haͤnden der Bonzen, welche
groͤßeſtentheils von adelicher Herkunft ſind,
und dieſe Lebensart erwaͤhlen, weil ſie entweder
zum Studieren Luſt haben, oder es fuͤr das
ſchicklichſte Mittel halten, um mit ihren ſchlech-
ten Gluͤcksguͤtern auszukommen. Was die
Bonzen betrift, welche den Univerſitaͤten als
Lehrer vorgeſetzt ſind; ſo verſichern die portu-
gieſiſchen Miſſionairs, daß ſie, unter ihren an-
dern Geiſtesfaͤhigkeiten, ſolche Meiſter in der
Redekunſt waͤren, daß es ihnen nie fehlſchluͤge,
den Zuhoͤrern Thraͤnen abzulocken, dafern ſie
ihre Geſchicklichkeit anwenden wollten.

Es ſcheint nicht, daß die ſpeculativen
Wiſſenſchaften
in Japan zeither großen Fort-
gang gehabt. Sie haben nur eine ſehr leichte
Kenntniß von der Mathematik, Metaphyſik
und den andern Theilen der Philoſophie: daher
auch ihre Achtung fuͤr dieſe Wiſſenſchaft ſehr
geringe iſt *). Sie ſehen ſie vielmehr als einen

Zeitver-
*) Die erſten Miſſionairs verſichern, daß der Zu-
ſtand der Philoſophie und Mathematik vor
ihrer Ankunft in Japan ſehr klaͤglich geweſen
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D 5
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[57/0083] Mahlerey und andern Kuͤnſten ziemliche Kennt- niß beſaͤßen. Hierzu traͤgt die gute Einrichtung, die ſie unter ſich getroffen haben, ſehr vieles bey. Es iſt zuverlaͤßig, daß die Japaner verſchiedene Univerſitaͤten angelegt haben, und von vielen Studenten beſucht werden. Die Univerſitaͤten ſind gewoͤhnlich ſehr reich. Die Aufſicht uͤber dieſelbe iſt in den Haͤnden der Bonzen, welche groͤßeſtentheils von adelicher Herkunft ſind, und dieſe Lebensart erwaͤhlen, weil ſie entweder zum Studieren Luſt haben, oder es fuͤr das ſchicklichſte Mittel halten, um mit ihren ſchlech- ten Gluͤcksguͤtern auszukommen. Was die Bonzen betrift, welche den Univerſitaͤten als Lehrer vorgeſetzt ſind; ſo verſichern die portu- gieſiſchen Miſſionairs, daß ſie, unter ihren an- dern Geiſtesfaͤhigkeiten, ſolche Meiſter in der Redekunſt waͤren, daß es ihnen nie fehlſchluͤge, den Zuhoͤrern Thraͤnen abzulocken, dafern ſie ihre Geſchicklichkeit anwenden wollten. Es ſcheint nicht, daß die ſpeculativen Wiſſenſchaften in Japan zeither großen Fort- gang gehabt. Sie haben nur eine ſehr leichte Kenntniß von der Mathematik, Metaphyſik und den andern Theilen der Philoſophie: daher auch ihre Achtung fuͤr dieſe Wiſſenſchaft ſehr geringe iſt *). Sie ſehen ſie vielmehr als einen Zeitver- *) Die erſten Miſſionairs verſichern, daß der Zu- ſtand der Philoſophie und Mathematik vor ihrer Ankunft in Japan ſehr klaͤglich geweſen ſey; D 5

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Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/83>, abgerufen am 28.11.2024.